Drei fiktive Zukunftsszenarien…

…für alternde Künstlerinnen und Künstler

2014:Dez // Peter K. Koch

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12-2014

Szenario Nr. 1, Modell Wonderful Surprise

Ganz plötzlich hörst du auf zu altern. Du kann es dir selber nicht erklären und dein Arzt ist auch erstaunt. Du bist ein medizinisches Wunder. Du machst dir aber nicht allzu viele Gedanken über die neue Situation und lebst einfach weiter. Die neue Situation führt zu ungeahnten Möglichkeiten. Du kannst dich entspannt und viel konzentrierter als alle anderen um deine Arbeit kümmern, weil du ewig Zeit hast und jetzt alles ganz genau und richtig machen kannst. Das führt plötzlich zu viel besseren und radikaleren Ergebnissen, die sofort so viel Aufmerksamkeit bekommen, dass du der mit Abstand beste Künstler der Weltgeschichte wirst. Du bist zufrieden und glücklich, weil sich dieser epochale Erfolg natürlich auch finanziell auszahlt und du dich richtig ausbreiten kannst. So kaufst du zum Beispiel Kalifornien. Ein endloser Traum.


Szenario Nr. 2, Modell Day By Day

Alles geht so relativ unaufgeregt weiter wie bisher. Mit den üblichen Aufs und Abs. Du wirst, bei guter Pflege, so zwischen 70 und 90 Jahre alt. Du arbeitest so weiter von Tag zu Tag und schaffst es realistischerweise immer recht knapp, das nächste halbe Jahr zu überblicken. Bis du stirbst, sind von den jeweils nächsten 100 Tagen 50 ok, an denen es dir vergleichsweise neutral geht, 20 besser als ok, an denen es dir aus bestimmten Gründen besser als neutral geht, und 30 schlechter als ok, an denen es dir nicht so gut wie neutral geht. Du wirst noch einigermaßen gut verdienen bis du ca. 65 Jahre alt bist, danach wirst du wahrscheinlich etwas weniger Geld haben, aber nie völlig verarmen. Deine Freunde und deine Familie werden gleichzeitig altern, was alles etwas erträglicher macht. Hellgrau ist die Farbe deiner Euphorie.


Szenario Nr. 3, Modell Shitty Worst Case

Das Undenkbare tritt ein: Von einem Tag auf den anderen verlierst du komplett den Mut. Jedes Mal, wenn du das Wort Kunst auch nur liest, denkst oder sagst, wird dein Kopf wie automatisch entleert und du vergisst alles, was du jemals wusstest. Du bist tief beunruhigt, was sich auch auf dein Umfeld auswirkt. Die Tage werden immer dunkler, bis die Sonne gar nicht mehr aufgeht und dich tiefe Nacht umfängt. Weil du ohne Licht aber nicht leben willst, fängst du an dich aufzulösen. Erst ganz langsam, dann immer schneller. Zuletzt bist du nur noch eine Din-A4-Transparentfolie, auf die schließlich deine endlose Artfacts-Absturz-Kurve gedruckt wird, um während eines Karriereplanungsworkshops für Kunststudenten an die Wand genagelt zu werden. Fffft.