wo ich war

2014:Dez // esther ernst

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12-2014

8. BERLIN BIENNALE 27. Juni 2014
Museen Dahlem, Berlin

+ ah, hier gefällts mir besser als im Haus am Waldsee. Weil ich mich auf die Sichtverschiebung von zeitgenössischen Kunst im Ethnologischen Museum gern einlasse. Obwohl der Kontexttrick ja ganz einfach funktioniert, macht’s mir Freude zwischen indonesischen Maskenfiguren die zeitgenössische Biennalekunst ausgestellt zu lesen. Und ich hätte neben Alberto Barayas fortlaufendem Herbarium of Artificial Plants gerne selbst meine Rest um Rest, gepresst Sammlung gezeigt. Und wenn ich’s mir recht überlege, dann auch diese Karteikartensammlung, oder die Sammlung Kerbs oder meine Hinterzimmer-Arrangements und eigentlich ist das eine Sauerei, dass Juan A. Gaitán mich nicht eingeladen hat...


JANKOWSKI CHRISTIAN 27. Juni 2014
Wasser, Käse, Feuer
Edition Helga Maria Klosterfelde, Berlin

+ ich wollte mir unbedingt die Videodokumentation der Performanceuntersuchung „Aufstellung“, die Jankowski 2012 im Podewil durchführte anschauen. Weil ich es mir grossartig vorstelle, wenn ein Psychiater mittels einer Aufstellung die Kunstszene Berlins untersucht. Aufgestellt wurden Vertreter für den Senat, für eine geförderte Institution, einen erfolgreichen Künstler, einen armen Künstler, einen Galeristen, ein Sammlerehepaar und einer für die freie Szene. Später kamen das Geld und die gute Kunst dazu. Und natürlich ist das ein vielversprechend unterhaltsames und kluges Konzept. Und der Therapeut macht das sympathisch seriös und die Aufsteller auch (natürlich stets auf einen guten Scherz abzielend...). Sichtbar wird aber auch umgehend, dass es so wahnsinnig schwierig ist, seine Ratio-Rübe auszuschalten und sich tatsächlich auf die Gefühle zu verlassen, toll! Und obendrauf ist es eben auch wirklich spannend, wer sich da wie verhält. Nur das Video selbst ist pupsig gemacht.


SCHEPERS MARTIN 28. Juni 2014
Violated perfection
Ozean, Berlin

+ eigentlich ist diese Karte eine Hommage an den Ozean-Projektraum. Er gehört meiner Meinung nach zu einer Berliner Schönheit, weil man nachts auf dem Nachhauseweg mit dem Velo spontan abzubiegen und meistens tatsächlich gute Kunst im vergitterten Draussen-Ausstellungsraum antrifft. Es macht mir wahnsinnig gute Laune, dass da immer Licht, ein Ausstellungstext und Kunst zu sehen ist. Welcher Ausstellungsort kann das schon bieten? Also her mit der Auszeichnung vom Senat! Und Martin Scheppers Schiffsmodelle aus Metallschrott und Straßenfundstücken sind ziemlich toll. Mich fasziniert einfach immer wieder, wenn einer so sicher mit seinem Material umgeht und seine Werke wie eben aus dem Ärmel geschüttelt ausschauen lässt...


PIENE OTTO 25. Juli 2014
Proliferation of the Sun
Neue Nationalgalerie, Berlin

+ riesige Diaprojektoren werfen riesige Lichtbilder auf frei im Raum hängende Gasen und grossformatige Ballone. Ich sehe biologische Plasmaabbildungen in satten Farben oder mikroskopische Untersuchungen. Auf jeden Fall grell wie ein Kiosk. Sind aber handbemalte Dias, die laut Piene eine poetische Raumfahrt ermöglichen. Ist auch so, das Spektakel fasziniert in seiner Grösse und zieht einen Haufen Besucher noch immer in Bann, obwohl die Arbeit vierzig Jahre alt ist und man inzwischen eine viel bombastischere Medienbeknallung gewohnt ist. Schön also. Klebrig süss auch. Und zum Glück gibt Piene über Tonband dauernd diese nervigen Anweisungen an die Projektionisten, in welcher Geschwindigkeit sie ihre Geräte bedienen sollen, sonst würde man diesen Lichtponyhof nämlich nicht aushalten (und die ganzen Menschen mit ihrem Schattenspielgeltungsdrang auch nicht). Und gleich nach der Eröffnung ist Piene gestroben. Wahnsinn.


DAS MECHANISCHE CORPS 30. Juli 2014
Auf den Spuren von Jules Verne
Künstlerhaus Bethanien

+ schöne Ausstellung! Vielen Dank für die Führung, lieber Peter, hast mal wieder fein kuratiert. Die Verbindungen zwischen den einzelnen Werken (und das bei über 40 Künstlern...) lösen ein leichtfüssiges Hin- und Herschauen aus. Und die Freude über das „Mittendrin-sein“ und Umschauen ist toll. Zum Beispiel zwischen den Outsiderzeichnungen (Name vergessen) von unzählig entworfenen Flugmaschinen, zusammengefaltet zu einer Art Programmheft, und der wunderschön filigranen Skulptur von Viron Erol Vert, welcher so sehr das Gezeichnete innewohnt. Beide Arbeiten sind fantasievoll und im besten Sinne unnütz. Oder Michael Sailstorfers Pressbohrmaschine mit Souvenier-Freiheitsstatue-Aufsatz, die mit ihrer Fackel unentwegt ein Loch in die Wand schabt, neben einer überdimensionierten Spule aus kilometerlang aufgerollten Tapes vom Kassettenhildebrandt (eine Sisyphosarbeit zum ebenfalls mürbe werden...). „Federleicht von Stern zu Stern“, schrieb Hans Janke voller Sehnsucht und konstruierte eine Maschine.


PEYTON ELIZABETH 22. August 2014
Da scheinst Du, o lieblichster der Sterne
Galerie Neugeriemschneider, Berlin

+ als ich im ZEITmagazin Peytons Interview las, freute ich mich sehr auf diese Ausstellung. 1998 sah ich im Basler Gegenwartsmuseum zum ersten Mal ihre Aquarelle und fühlte mich damals wie vom Blitz erschlagen und war überdimensioniert begeistert. Was mit Sicherheit auch daran lag, dass ich damals mit der Kunstgewerbeschule begann und dachte, ich müsse mich jetzt für Gegenwartskunst interessieren und dann merkte, dass die gar nicht so schlimm ist... Jetzt, in der Berliner Ausstellung, machte sich allerdings grosse Ernüchterung breit. Wagner, Tannhäuser, damit will ich nicht wirklich warm werden. Immer wenn Wagner wichtig ist (und darauf beziehen sich ja so viele Kunstschaffende) mach ich zu, dreh mich weg und fühl mich wie ein Kind, dass nicht mitspielen darf. Es liegt natürlich an meiner total verkappten Einlassungsbarriere, aber ich hätte lieber kleinformatige Justin Timberlakes in dünn lasierten Bonbonfarben gesehen.


ZOLLER MANFRED 15. Sept. 2014
Missverständnis oder Anregung?
Galerie Parterre Berlin

+ Dr. Manfred Zoller ist Anatom und spricht ausführlich, ernsthaft und innig über seine Arbeit und Absicht, Kunststudenten ein anatomisches Verständnis zu vermitteln. Um geistige Abstürze und ödes Auswendiglernen von einzelnen Gliedergruppen zu verhindern, legt er den Fokus auf das emotionale Wissen. Nur wer sich die Welt neben der Aneignung von Wissen durch sein eigenes Erleben erschliesst, kann die Gestalt eines Lebewesens erfassen und wiedergeben. Und drum sehen die Modelle seiner Studenten wohl auch so grandios aus. Es sind spielerische Verquickungen von Wissen und Erfahrungen aus unprätentiösen Materi-alien, die er zum Ende des Vortrages aus extra ange-fertigten Schachteln zaubert (und irgendwann hatte ich die Sorge, dass er entweder über das Boxenstativ stolpert, oder gar nicht mehr aufhört zu reden...). Ich bin ja mit Schädelzeichnen und Gottfried Bammes gross geworden und steuerte vor ein paar Jahren in Ahrenshoop (!) zielsicher auf Manfreds neu raus gekommene Anatomiebibel zu.


BERLIN ART WEEK ERÖFFNUNG 16. Sept. 2014
Schwindel der Wirklichkeit
Akademie der Künste, Hanseatenweg Berlin

+ läck ist das voll. Und das Ganze gleicht einem schnittigen Volksfest. Das Bier kostet unverschämt viel Geld und man muss es in langen Schlangen geduldig erstehen. Dann gibt’s Reden und coole Jungs machen Elektropop auf der Bühne. Die Ausstellung hab ich nicht gesehen, da der Einlass wie eine Autogrammstunde bei Madonna geregelt ist: Eine Menschenmasse (wirklich!) schiebt sich nach vorn, wird dort vom Sicherheitsdienst abgefangen und portionenweise nach oben gelassen. Nix für klaustrophobe Menschen. Toll dass die Kunst so hipp ist. Und gleichzeitig bin ich hier so dermassen fehl am Platz, dass sich das auch ein bisschen traurig anfühlt. Im Innenhof der Akademie prosten sich die Erwachsenen von weitem und mit leicht gequältem Gesicht zu, während aus dem Lautsprechern wenn ich nicht hier bin, bin ich auf dem Sonnendeck klingt. ...bin ich, bin ich, bin ich, oder im Aquarium...


GOLDRAUSCH 2014 09. Okt. 2014
Helium
Projektraum Flutgraben, Berlin

+ wenn ich mir Stipendiatenausstellungen (z.B. die vom Senat, oder den Swiss Art Award...) anschaue, frage ich mich nicht selten, warum die Kunst der Prämierten so lieb- oder gar wertlos ausgestellt wird... Als hätten Stipendiaten keine gut gemachte Präsentation nötig. Nicht so bei Goldrausch! Auch hier gehen die einzelnen Positionen keine explizite Verbindung miteinander ein und umkreisen kein gemeinsames Thema, und genau so singulär und für sich stehend wird die Goldrauschkunst in kleinen, aussagekräftigen Dosen schmackhaft gemacht und lediglich durch ein sattes Grün an der Wand zusammengehalten. Es ist wie beim Degustieren: die Künstler zeigen sich ausschnittweise im Sonntagskleid und wollen den Besucher neugierig machen. Beisst dieser an, findet er in dem sensationell schön gemachten Gesamtkatalog alles, was sein Herz begehrt. Hat er noch nicht genug, kann er auf die Webseite oder gleich ins Atelier. Auf los geht’s los: weitere 15 Künstlerinnen sind tip top ausgestattet und parat für den Betrieb.
8. Berlin Biennale (Foto: Esther Ernst)
Christian Jankowski (Foto: Esther Ernst)
Martin Schepers (Foto: Esther Ernst)
Otto Piene (Foto: Esther Ernst)
Das mechanische Corps (Foto: Esther Ernst)
Elizabeth Peyton (Foto: Esther Ernst)
Manfred Zoller (Foto: Esther Ernst)
Berlin Art Week (Foto: Esther Ernst)
Goldrausch 2014 (Foto: Esther Ernst)