Mary Heilmann und David Reed

Hamburger Bahnhof

2015:Mai // Peter K. Koch

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05-2015

Zwangsehe

Neulich im Hamburger Bahnhof. Feierliche Eröffnung der Ausstellung „Two By Two, Mary Heilmann & David Reed“. Umgeben von Museumspublikum. Der Mensch etwas älter, wohlhabender und deswegen etwas besser angezogen. Ich komme auf den Punkt passend, um letzte Fetzen des Hauptkurators (Udo Kittelmann) aufzufangen: „It’s been a great pleasure … both of you … Geheimnis … wichtig … danke“ und schlussendlich noch mit ganz leichtem Pathos: „Nehmen Sie sich doch einfach mal Z E I T für die Ausstellung.“ Ich denke blitzkurz: „Sehr gerne! Wenn es sich denn lohnen tut.“ Danach versucht die Co-Kuratorin (Sophie Mattheus) zu sprechen und schließlich sprechen noch, ganz kurz und sehr amerikanisch superhöflich, die Künstler zueinander. Ein erster, wenn auch zaghafter, aber durchaus sinnlicher Kleinstdialog: „It’s been amazing…“ haucht die eine und „Such a wonderful experience…“ erwidert der andere. Dann geht’s im Gänsemarsch nach oben in den Projektraum.
Unbestritten ist: Beide Künstler haben die Malerei auf ihre ganz eigene Art und Weise weiterentwickelt, they definitely pushed some boundaries und das meine ich hochachtungsvoll und kein bisschen phrasenhaft. Die diskursive Enge, in der sich die Malerei in den späten Siebziger- und vielleicht auch noch in den frühen Achtziger-Jahren bewegt hat, die war sturmreif. Und beide haben erfolgreich mitgestürmt.
Wobei man sagen muss, dass Mary Heilmann insgesamt den etwas zeitloseren Weg der beiden beschritten hat. Das leicht Lapidare. Farbe als Phänomen. Malerei als Möglichkeitsform zwischen Bild und Objekt. Das kann man sich auch heute gut anschauen. Besonders ihre frühen Arbeiten sind radikal und sind gut. In der jüngeren Vergangenheit ist dann aber irgendwas Ungutes mit ihr passiert. So gut wie alles aus den letzten zehn Jahren ist einfach nur ziemlich schwach. Die ganze vibrierende Sensibilität, die man für diese künstlerische Haltung besitzen muss, dahin. Das sieht dann plötzlich nur noch aus wie Wartezimmerabstraktion. Aber egal, was vorher war, das hat bei ihr echt Klasse.
David Reeds Haltung ist da sehr viel offensichtlicher in der Ästhetik der Achtziger- und Neunziger-Jahre verhaftet und ist mit ihrer leicht manieristischen Art auch immer etwas artifiziell gewesen. Angefangen hat er mit malerischen Schmierversuchen, die man so machen kann, die aber auch rückblickend nach nix Besonderem aussehen. Im nächsten Schritt wurde seine Malerei definitiv etwas Besonderes, sehr slick und hyperoberflächenorientiert. Hollywood Paintings. In den Neunzigern hat man das überall gesehen. Vielleicht insgesamt ein klein bisschen zu selbstverliebt.
Es treffen hier also zwei angesehene Künstler aufeinander und trotzdem geht die Sache schief. Und das liegt am groß angekündigten und leider vollkommen gescheiterten Dialog. Auf dem Gänsemarsch nach oben klingen noch die Worte der Kuratorenrede nach: außergewöhnliche Möglichkeit, lange Vorbereitungszeit, einzigartiger Dialog, nur vierzig Werke, nehmen Sie sich Z E I T ! Bisschen Vorfreude stellt sich da schon ein. Und dann: Enttäuschung. Und zwar in einer Millisekunde. Direkt türmen sich zwei Riesenfragen in meinem Kopf auf und blockieren den Rest des Abends: Wer hatte denn diese Idee? Und: Warum haben die Künstler dabei mitgemacht?
Was genau ist schief gelaufen? Fehler Nummer 1: Betritt man den Raum, dann sieht man so gut wie alle Bilder sofort, auf einen Blick. Kann ich ja eigentlich an der Tür stehen bleiben und dann wieder gehen. Bunt wie der Blick in ’ne unsortierte Briefmarkensammlung. Hätte ich vielleicht mal eine Wand reingebaut oder aber etwas weniger Bilder gehängt. Fehler Nummer 2: Das, was als Dialog angekündigt wurde, sind in Wirklichkeit Zwangs-Dyptichen, also immer eine Arbeit von Heilmann und eine von Reed, mit jeweils allerhöchstens 15 Zentimeter Abstand zwischen den beiden Arbeiten, obwohl vollkommen unterschiedliche Formate (inklusive shaped canvases), Farben, Sujets. Gar nicht gut. Funktioniert überhaupt nicht. Zu viel, zu fremd, zu bunt, zu willkürlich, zu zwanghaft, zu luftabschnürend, und somit letztlich alles Gute und Erhabene der einzelnen Arbeiten zerstörend. Ein leider verunglückter Dialogversuch zweier interessanter Künstler. Hätte ich bei der Beantwortung meiner ersten Frage noch eine Vermutung, so bleibt die zweite für mich ein Rätsel: Warum haben die beiden das so mitgemacht? Haben sie das nicht gesehen? Haben sie sich überreden lassen? Ganz schwer zu verstehen. Wie wunderbar hätte ein gelungener Dialog aussehen können. Inspirierend, offen, tänzelnd. Schade drum, ich komme aber trotzdem wieder ins Museum. Der Schönheit wegen.

Mary Heilmann & David Reed, „Two By Two“, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, 6.3.–11.10.2015