Angst

2015:Mai // Anna-Lena Wenzel

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05-2015

ANGST

Wir haben Angst unsere Jobs zu verlieren und nicht mehr gebraucht zu werden.
Wir haben Angst etwas falsch zu machen oder nicht zu genügen.
Wir haben Angst, dass die Rente nicht reicht und unsere Wohnungen privatisiert werden.
Wir haben Angst, dass wir krank werden, und uns im Alter die Lust ausgeht.
Wir haben Angst vor Krieg, Atomgau und Naturkatastrophen.
Wir haben Angst vor dem Zahnarzt und jedem durch uns nicht kontrollierbaren Eingriff in unseren Körper.
Einige haben Angst nicht der Norm zu entsprechen, während andere Angst vor der Norm haben.
Viele haben Angst vor dem Unbekannten.
Schüchterne haben Angst vor dem Aussprechen ihrer Wünsche.
Online-Dater haben Angst vor der ersten Begegnung.
Verzagte haben Angst vor dem Wagnis der Liebe.
Gescheiterte Eheleute haben Angst vor den Anstrengungen eines Neubeginns.
Viele haben Angst vor dem Alleinsein.
Paare haben Angst schwanger zu werden und später, nicht schwanger werden zu können.
Mütter haben Angst ihre ungeborenen Kinder zu verlieren.
Väter haben Angst vor der Hilflosigkeit bei der Geburt.
Eltern haben Angst beim Elternsein zu versagen und später vor den Vorwürfen ihrer Kinder.
Kinder fürchten sich im Dunkeln.
Alte Menschen haben Angst im Straßenverkehr.
Die meisten haben Angst vor dem Sterben.

Angst ist ein Verhinderer. Sie verhindert, dass man liebt, dass man bleibt und dass man verlässt. Aus Angst halten wir fest. Obwohl Angst irrational ist. Sie lässt sich nicht mit Versicherungen, Airbags und Unwettervorhersagen verscheuchen. Je mehr wir uns gegen sie absichern, desto unfähiger werden wir, mit dem Unvorhergesehenen umzugehen. Doch es ist unsere Entscheidung, ob wir uns von ihr vereinnahmen lassen oder ihr ab und zu in die Augen schauen und sie dann wieder gehen lassen. Anna-Lena Wenzel
Julia Bonn