Gibt es was, das mir Angst macht?

Aus der Perspektive einer Kunstkritikerin und Kuratorin

2015:Mai // Paulina Olszewska

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05-2015

Ich bin dreißig. Um präzise zu sein, fast dreißig. Ich lebe in einer gemieteten Wohnung und habe keinen Kredit, den ich bis Ende meines Lebens zurückzahlen muss. Ich habe kein Auto, aber ein Fahrrad. Ich habe keine Kinder und keine feste Beziehung. Beruflich, als Kunstkritikerin, Kuratorin und Projektmanagerin mache ich das, was ich machen möchte. Meine Familie versteht nicht richtig, was ich mache und für sie ist es eigentlich keine richtige Arbeit. Ich komme aus einer Familie, die an die Macht der guten Ausbildung glaubte, und deswegen kann ich mehrere Fremdsprachen. Ich schloss mein Studium ab und aus diesem Grund landete ich in Deutschland als „Akademikerin“, zumindest in der Formularszeile „Ausbildung“. Vor fünf Jahren kam ich nach Berlin, weil ich dachte, dass das der richtige Ort für mich sei.
Es sieht so aus, als ob ich mein Leben genießen könnte. Ich bin jung, ich bin gesund, ich bin hübsch.
Ob ich Ängste habe? Eigentlich nicht.
Nur habe ich Angst, dass ich im nächsten Monat nicht genug Geld fürs Leben habe. Warum? Weil ich zu wenige Aufträge für Projekte, Texte und andere Aufgaben bekomme. Gleichzeitig bedeutet es für mich zu viel ungewünschte freie Zeit, was mir auch Angst macht, da ich die Zeit vernünftig nutzen möchte, anstatt eben nichts zu machen.
Auf der anderen Seite – was mir auch Angst macht – sind zu viel Arbeit und zu viele Sachen, die gleichzeitig passieren und auf einmal zu erledigen sind. Ich bin dann überfordert, immer müde und habe keine Lust auf zwischenmenschliche Begegnungen. Wegen dem ständigen Arbeiten habe ich keine Zeit für die Leute, die mir wichtig sind. Auch die Einsamkeit macht mir auch Angst.
Diese Situation entstand aus der Annahme, dass alles, was ich mache und womit ich mich beschäftige für irgendjemand wichtig sei. Wenn dem aber nicht so ist? Was ist, wenn trotz der ganzen Bemühungen meine Arbeit und mein Leben keine Spur hinterlassen. Dass ich mich auspowere und dann sehe, dass es außerhalb nichts anderes gibt in meinem Leben.
Auch dieses Bewusstsein macht mir auch Angst.
Wäre es besser, wenn ich erfolgreich wäre, aber dann unglücklich, weil ich außer der Kunst nichts anderes hätte? Jetzt kommt das Angstgefühl wieder.
Die Unsicherheit am Morgen macht mir Angst. Andererseits ist Stabilität auch nicht besser, weil sie sich für mich mit Langeweile, Routine und eben nicht mit Freiheit verbindet. Und diese Angst ist größer als alle anderen.
Und das Alter? Wieder macht sich Angst breit.
Ich habe Angst, dass ich mich um meine Altersvorsorge nicht rechtzeitig kümmern kann und schiebe es immer weiter in die nicht definierte Zukunft. Und plötzlich bin ich alt und ohne Rente.
Aber was wäre, wenn ich trotz der rechtzeitigen Vorsorge für meine Zukunft sowieso bis zu meinem Tod arbeiten muss, weil das Gesparte nicht für eine vernünftige Rente reicht?
Und natürlich kommt dann noch ein weiteres Problem – die Kinderfrage, die mir Angst macht. Eigentlich mag ich Kinder, aber ob ich meine eigenen haben will, das ist eine andere Geschichte. Mir macht es Angst, dass, wenn ich mich für Kinder entscheide, ich vielleicht statt guter Menschen eher „schlechte Monster“ heranziehe. Oder ich mich in der Rolle der Mutter nicht zurechtfinde. Aber will ich wirklich bis zum Ende meines Lebens alleine bleiben?
Ich habe Angst vor dem Risiko, das ich übernehmen muss, wenn ich Entscheidungen in meinem Leben treffe. Die oben gestellten Fragen und Möglichkeiten tauchen immer wieder auf: zuviel Zeit/keine Zeit, Geld/kein Geld, Sinn/Unsinn, Kinder/keine Kinder … Manchmal habe ich das Gefühl, dass Unsicherheit das einzig Sichere in meinem Leben ist. Meine Zukunft macht mir Angst. Ist das nicht immer so?

Ute Brönner „Angst“, 2014