Berliner Kunstmagazine – Zum Stand der Berichterstattung über Kunst

Ein notiertes Roundtable-Gespräch

2015:November // Andreas Koch, Barbara Buchmaier, Janine Sack, Peter K. Koch, Christine Woditschka, Christina Zück

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11-2015

Auf dem Tisch liegen die Oktober-Ausgabe der Monopol, die Herbstausgaben der Frieze d/e, der Spike und der Texte zur Kunst. Desweiteren haben wir hier die Weltkunst und die Blau. Später haben wir uns noch eine Starship besorgt.



Findet Ihr eigentlich auch, dass die Monopol besser ist, als man denkt?

Ich finde die Monopol einfach interessanter als diesen theoriedemütigen Diskurs bei den anderen, der ohne jede nachhaltige Innovation und getrieben durch Scheinkonsequenz abläuft. Monopol bringt Personality-Zeug über die Künstler, das ich gerne lese.

Ist halt ein Lifestyle-Mag im Rahmen der Kunst.

Ich kann auch keine Reviews und Besprechungen mehr lesen, die ohne kritische Haltung, ohne Analyse einfach nur Konventionen abarbeiten. Das Emotionale finde ich dann besser, vor allem wenn ansonsten das vorgetragene Denken nur noch langweilt. Man blickt lieber in die Welten von Superpromis wie Dercon oder Biesenbach, die da eine Kolumne schreiben.

Spike oder Frieze haben ausdifferenziertere Codes, man braucht dafür ein spezielles Wissen. Monopol ist das Basic-Magazin für jedermann, es öffnet die Kunstwelt für ein größeres Publikum. Das Namedropping bei Spike versteht kein normaler Mensch mehr, das bei der Monopol ist eher Pop.

Monopol kann man im Zug gut lesen.

Das Monopol- und Spike-Content-dropping kann man dann leicht in einem gepflegten Gespräch beim Galerienbesuch verwerten.

Mich langweilt die Monopol. Kunst ist dort nur noch Lifestyle-Thema. Kunst als Attribut, das man sich aneignet, um modern und hip zu sein. Das ist immer mehr die Funktion der Kunst heute.

Was soll denn sonst die Funktion von Kunst sein? Politische Fragen stellt man am besten in der Politik. Jeder Künstler ist doch ein verlorener Aktivist!

Ach was, die Bewegung braucht eben auch Sprecher, Denker und Visualisierer!

Welche Bewegung? Content ist doch der Krisenmüll von ­morgen.

Ich lese Kunsthefte, um Sachen zu entdecken. Bei der Monopol zum Beispiel: Was macht Alicja Kwade im Atelier? Ist es auch schön groß? Wer waren die Architekten?

Ja, die Person steht dort mehr im Fokus als das Werk, eine bestimmte Pose muss her, ein bestimmtes Aussehen. Der positive Aspekt ist gleichzeitig der negative: das Werk wird personalisiert. Stimmt es mit der Person überein oder nicht? Das war früher nicht so wichtig, heute muss der Künstler/die Künstlerin auch toll aussehen, das hat die Monopol erfunden. So sieht der Soundso um soundsoviel Uhr in Soundso aus.

Wenn die Kunst die Emotion nicht mehr auslöst, dann kann es der Typ auch nicht!

Jetzt halt mal die Luft an! Das Werk ist heute die Klamotte der Konsumenten, sprich Künstler. Daher ist konsequente Berichterstattung aus der ECHTEN Welt, sprich aus dem Leben, die letzte Chance für Kunstkritik und damit der Kunst. Eine Analyse der Gegebenheiten muss schonungslos Mythen und Verklärungen angreifen. Und dann ist da eben der Künstler wichtiger als sein Werk, weil er IST ja das Werk. Puh. Und das hat wirklich nicht die Monopol erfunden!



Was ist denn ein Künstler?

Die traurigste Geschichte ist, wenn man als Künstler schaut, was überhaupt geht. Dann ist man Marktlückenkünstler. Es gibt auch Künstler, die nicht gucken, was zur Zeit ankommt.

Da herrscht heute ein ganz anderes strategisches Denken. Womit verdient man Geld? Das steht ganz am Anfang. Das mündet dann oft in reiner Appropriation.

Als Künstler musst du wie eine Firma arbeiten, Produkte mit neuem Dreh, immer neu. Schnell musst du arbeiten.

Es kann strategisch sein, aber es kann auch nerdig sein.

Aber wenn du genau diese Notwendigkeit spürst: Mein Dasein ist meine Obsession. Ich bin von mir besessen. Ich spüre einfach, dass es DAS ist, was ich machen muss. Dann bist du doch nicht nur eine Marktlücke, oder wie? Dann bist du schon zumindest mal am Ort des Symptoms.

Ich glaube, du redest von Deutschland sucht den Superstar. Wo ist der Anspruch? Früher war der doch noch öfter da.

Die hatten auch andere Anforderungen in den 70ern. Der Student musste sich politisch mit Anspruch positionieren. Heute ist das anders. Die Anforderung lautet: dich selbst herauszubringen. Die Selbstinszenierung wird perfektioniert. Malerei zum Beispiel ist zweitrangig. Die Inszenierung ist viel wichtiger.

Hito Steyerl benutzt nur die politische Folie. Sie tut so, als hätte sie eine politische Perspektive, ist aber darin an sich komplett glatt. Sie greift die Postinternet-Ästhetik auf und bringt dann aber keinen Bruch rein.

Schaut Euch lieber mal Seth Price an: seine Komplettinszenierung, Werk und Person. Wie er es schafft, seine eigene Absorbiertheit zu thematisieren und zur Schau zu stellen. Man kann da schon was machen, mit der Erkenntnis der Handlungsunfähigeit des Künstlers.



Welches Zeitschriftenprofil interessiert Euch aus Perspektive des Autors? Und warum?

Für Frieze hätte ich Hemmungen, einen zu komplexen Text anzubieten. Die wollen es nicht so kompliziert haben, habe ich gehört.

Sollte aber ein bisschen komplizierter als für Monopol sein.

Aha!

Keines. Schreiben ist für mich die beste Möglichkeit, meine Meinung ungefiltert zu sagen. Ich will nicht auf redaktionelle Haltung angeglichen werden. von hundert ist da unorthodox. Das interessiert mich.

Ich würde mich vom Textumfeld her bei der Spike am wenigsten eingeschränkt fühlen. Ansonsten Frieze. Warum nicht?

Ich würde mich nicht in eine Richtung drücken lassen. Dann lieber Ausfallhonorar.

Mir wäre Frieze am liebsten. Neutralität und Wissenschaftlichkeit. Die TzK ist zwar anspruchsvoller, aber man hat auch den Eindruck, dass sich da so ein Machtklüngel drum gebildet hat, mit ganz dogmatischen Vorgaben und Ein- und Ausschlusskriterien. Frieze ist relativ offen und gleichzeitig theoretisch anspruchsvoll. Monopol wäre die zweite Option. Spike ist ein Hipster-Machtzirkel, dessen Dünkel auf Posing und Insider-Codes beruht, das mag ich nicht. Direkt unkompatibel.

Bei der Spike schreiben jetzt übrigens nicht mehr etwa 15 Leute Reviews, sondern es gibt jeweils nur noch eine Person pro Stadt: Da schreibt einer zum Beispiel vier oder fünf Reviews über New York. Das Format ist damit personalisiert auf den Autor. Es gibt keine einzelnen Vorschläge, keine Einzelbesprechung mehr. Es wird zum Porträt des Autors.

Monopol ist bürgerlicher, Spike cooler.

Jörg Heiser läuft ja als Institution per se rum. Der strahlt seine Bedeutung schon von weitem aus und redet nur mit wichtigen Leuten.

Aber du kannst ihn anrufen! Vielleicht würde eine gute Idee ihn überzeugen.

Frieze wäre für mich zum Geld verdienen, also professionell, beruflich gut.

Ich würde meine Texte am liebsten auf facebook schreiben.

Ich war noch nie bei einer Veranstaltung von Spike. Ich will mich ja nicht anbiedern.

Was heißt hier „anbiedern“? Ich habe einfach keinen Bock wie vorherberechnet zu funktionieren. Ich will nicht in Diskurse reingezogen werden, für die es Label gibt. Ein Label-Diskurs interessiert mich nicht. Anti-Hierarchie, jetzt!

Wenn man Bock hat, was zu lesen, dann lässt sich TzK am besten lesen. Deswegen möchte ich nur für die schreiben …



Und was gibt’s noch?

Ich finde Blau ist ein ganz schön doofer Name für ein Kunstmagazin. Grau wäre besser.

032c ist übrigens auch nach einer Farbe benannt, das ist eine Pantone-Farbe, rot.

Blau ist Springer.

Blau sieht auf den ersten Blick so aus wie ein Bordmagazin im Flugzeug.

Oder sie ist die Bahnzeitschrift der Kunstwelt. Die Mobil DB der Kunst. Blau ist zwischen Weltkunst und Monopol. Und es tut weh.

Max Dax schreibt jetzt bei Blau.

TzK hat den größten Chefredakteurswechsel. Alle zwei Jahre.

Da geht es um Lorbeeren. Das ist ein Sprungbrett. Sehr viel Arbeit für sehr wenig Geld. Isabelle Graw bildet dort die Kontinuität.

Rita Vitorelli, Jörg Heiser, bei Spike oder Frieze, die bleiben.

Monopol ist auch einigermaßen beständig. Erst Florian Illies, dann Cornelius Tittel, der jetzt Blau macht und schließlich Holger Liebs. Ganz kleines Trainerkarussell.



Was ist das Derivat aller Kunstzeitschriften?

Spike und TzK sind die Extreme.

Frieze sitzt irgendwie zwischen den Stühlen, weder ist sie so akademisch wie Texte zur Kunst, aber auch nicht so mutig wie Spike – könnte man ja sagen, dass die mutig sind. Die haben von allem ein bisschen. Vielleicht ist das Derivat aller Kunstmagazine die Frieze.

Die Frieze d/e ist aber auch ein bisschen dröge, diesem internationalen neutralen Frieze-Standard angepasst, gutes Handwerk, es wird kaum etwas gewagt, nichts beurteilt, jedenfalls nicht so viel … Im Artikel über Michael Buthe ist das Aufregendste ein Telefongespräch mit Udo Kier in L.A.

Die Spike bringt manchmal auch seltsam philosophisch angehauchte Artikel, zum Beispiel zum spekulativen Realismus. Die hängen sich an eine Bewegung dran und produzieren diese mit.

Manchmal ist sie aber auch leichter zu konsumieren, diese neuen öffentlichen Roundtables zum Beispiel, die sie veranstalten und dann die Ergebnisse abdrucken. Matthias Lilienthal redet mit Tino Sehgal über das Performative und das Ereignis. Das könnte so auch in der Monopol stehen. Trotzdem ist Spike insgesamt natürlich spezieller als Monopol.

In der letzten TzK , in der Photography-Ausgabe, gibt es interessante Künstlertexte zum Beispiel von Timur Si-Qin und Loretta Fahrenholz. Der buddhistische Ansatz der Post-Internet-Art wird noch mal klar, es geht um die Aufhebung der Verbindung zwischen Zeichen und Referent, jeder metaphorische Zugang, jede Bedeutung wird ins Unendliche aufgelöst, genauso funktioniert auch die Spike jetzt. Es soll leer sein und es ist leer, und es sieht gut aus.



Sind Magazine noch zeitgemäß?

Spike sind halt Popper und sie wollen einen spüren lassen, was cool ist und was nicht.

Ich fühle mich cooler als Spike.

Du bist Raucherecke. Das sind natürlich insgeheim die coolsten, die reden mit den Punkern und den Poppern.

Vielleicht ist Frieze dann eher die Streberecke.

Ich war Streber, da gab’s nie eine Ecke, die waren immer die uncoolsten.

Eine Seite Popper, die andere Neokon, dazwischen Raucher­ecke.

Ich finde Spike ist eher Biedermeier. Im Biedermeier sitzt du am Rechner und versuchst es gut zu machen. Die Außenwelt wird eher als feindlich wahrgenommen. Du hast eigentlich Angst vor Veränderung, weil du dann sofort wieder darauf reagieren musst.

Auch der Popper ist ein konservativer Mensch, der den Trenddiskurs institutionalisieren will.

TzK ist Kunstkritik. Monopol ist doch keine Kunstkritik.

Spike hat mit Kunstkritik am wenigsten zu tun, sondern schon eher mit der proklamierten Liebe zur Kunst. Man thematisiert nur das, was man gut findet. Diese Tendenz wird bei Spike am deutlichsten.

Vielleicht sind Kunstmagazine sowieso nicht zeitgemäß. Brandeins ist doch interessanter als Kunstkritik.

Nein, wir wollen Klatsch.

Nimm doch die Werbung von LIDL rein ins Mag, du hast ja auch Cartier. Die Systeme sollen aufeinanderclashen. Einer sagt, was er denkt, der andere das Gegenteil. Gut so. Unsere Linie wird es sein, eben KEINE Linie zu haben. Das hätte keiner geglaubt. Lauter Pseudo-Images verwischen die Signatur. Das wird die Aufmischung des Marktes, disruptiv, es wird alle anderen obsolet erscheinen lassen. Dann gibt es nur noch EIN Riesenmagazin, in dem dann einfach alles drinsteht.

Hast Du Visionen?



Gibt es Alternativen?

Braucht Kunst wirklich Vermittlung? Ist nicht der Künstler selbst der Vermittler? Sein eigener Marketing-Unternehmer?

Starship zum Beispiel hat eher künstlerische Texte. Themenschwerpunkte werden locker ermittelt und dann zusammengemischt. Wie ein Künstlerbuch, ein Künstler-Fanzine.

Das ist doch schon gar keine Kritik!

Sowas wie Starship kann schon kritisch sein, der seismografische Ansatz, auch ein Abbild der Wirklichkeit kann kritisch sein.

Starship ist doch eine Cliquenzeitung, eine noch extremere Spike.

Nein, die ist eher wie von hundert. Eine Alternativ-Zeitung, aber ohne Kritik.

Nein, der Text von Hans Christian Dany ist eine echte Gesellschaftskritik. Die sind eher Öko-Popper. Eben nicht marktkonform. Die fühlen sich nicht so, dass sie sich legitimieren müssen.

Oh, krass, vielleicht sieht man an Starship ja sogar die reine Marktkonformität. Der Künstler, der sich hier frei darstellen kann, umrandet von einer Special-Community, kritischer Anstrich: da ist sie möglich, die unverfälschte, reine Selbstdarstellung. Keine nervigen Chefredakteure mehr, die einem peinlich die Show vermiesen. Das ist Marktkultur in Reinform. So wird die Struktur von morgen sein. Wir brauchen mehr davon, für jede Sparte und jeden Lifestyle eine eigene Plattform der Selbstrepräsentation.

Das trifft ja auch auf von hundert zu. Aber die halten uns sicher für kulturpessimistisch.

Die TzK schafft ja auch eher Bedeutungswolken zum drin fischen, da wird mir eher unwohl. Manche brauchen Orientierung. Manche anderen können da drin schwimmen.

Jutta Koether bei TzK entwickelte jedenfalls eine eigene Textform und Seth Price hat auch einen interessanten Text. Die haben also nicht nur den einen akademischen Stil, sie lassen auch viele andere Formate zu.

Siehste, da fängt das schon an, dass man speziellere Künstlertexte braucht …



In welchem Heft hätte man als Künstler am liebsten ein Porträt, eine Besprechung?

Selbstreflexion in der Starship, ist doch klar jetzt!

Ich hätte mit Monopol kein Problem. Würde ich machen.

„Nö, macht schon Spike“, sagst du dann.



Werden jetzt alle Magazine redesignt? Wer braucht es am nötigsten?

Lasst uns wetten, wie lange es noch dauert, bis Monopol komplett redesignt wird.

Die brauchen jetzt auch Mike Meiré. Etwas Erfrischung, einen, der alles durcheinander schüttelt.

Ich finde ja die von hundert hat das konservativste Layout, eigentlich fast gar kein Layout. Garamond, nur geklaute Bilder, keine Anzeigen. Das ist vielleicht non-core.

Schau Dir doch mal die hippsten Druckerzeugnisse aus den 70ern an, das kannst du heute nicht mehr sehen. So wird es auch der Spike ergehen, von den anderen ganz zu schweigen. Bestehen wird die reine Textform. Texte zur Kunst. Starship. Von tausend.



Dennoch: Sollte auch bei Kunstmagazinen das Layout besser als die Texte sein? Ist die Kunstkritik jetzt Kunst?

Ich finde eine Verschränkung von Layout und Inhalt sehr interessant. Zum Beispiel beim Spike-Redesign, was macht es mit dem Inhalt, dass es jetzt so rüberkommt? Eigentlich ist das die zentrale Frage.

Ja, das Re-Design von Spike hat dieses Gespräch ja auch erst ausgelöst.

Das hier ist jedenfalls die dritte Spike im neuen Design, sie kommt alle drei Monate raus. Mit einer Mischung aus Faszination und Ärger habe ich mir das angeguckt. Was wollen sie damit? Wer hat das gemacht? Dann, ah, Mirko Borsche. Mit so einem Namen kommt man in eine andere Liga. Mirko Borsche ist im Moment einer der angesagtesten Editorial-Designer, er ist Creative Director bei Zeit und Zeit Magazin, hat Neon mitentwickelt, macht viel Kultur- und auch Corporate-Sachen.

Konventionen werden gebrochen. Schrift schräg stellen, die hässlichste Schrift nehmen, Überbietungswettbewerb der Geschmacklosigkeit. Das ist so ein Pop-Ansatz, Bad-Taste, das sieht man auch in den Boutiquen: Anzug mit gestreiften Sportsocken und Birkenstock.

Das wird plötzlich zum Fashion-Magazin, man kann nicht mehr zwischen Inhalt und Werbung unterscheiden. Auch auf den Contentseiten ist die Schrift immer anders und wird zu den Anzeigen fast ununterscheidbar. Das ist Pop, eigentlich. Was ist interessanter, die Ad oder der Text?

Man braucht ein gewisses Distinktionswissen, um die Codes dechiffrieren zu können.

Spike sieht nicht mehr aus wie ein konventionelles Über-Kunstmagazin, sondern wie eins aus der Modewelt. Inhalte zu begreifen, ist erstmal überflüssig. Sieht einfach toll und wild aus, das reicht.

Es will doch gar keiner mehr unterscheiden. Ich will das nicht. Ich will ununterscheidbare Werbung. Jeder Text ist Werbung, Kritik ist Werbung, jede künstlerische Arbeit ist Werbung. Ich will einfach von geilen Sachen angefixt werden.

Aber das alles zusammen zu denken, Mode, Musik, Lebenshaltung, Kunst, scheint einigen noch Schwierigkeiten zu machen.

Mich nervt das aber. Ich möchte Strukturen. Bei anderen Heften klappt das ganz gut. Bei Frieze d/e, Monopol und eben auch bei Texte zur Kunst. Starship ist wieder eher Spike. Das ist aber auch eher ein Künstlerheft und kein Kunstmagazin. Werbung, Künstlerinsert, Künstlertexte fließen ineinander.

Bei der Lektüre von TzK fühle ich mich tendenziell belehrt …bei Spike fühle ich mich freier.

Meinst Du wirklich? Ich fühle mich krampfhaft manipuliert, wenn ich die Spike lese.

Der Schriftzug der Spike ist ja jedes Mal anders. Das ist ein Statement. Es gibt keine Gestaltung mehr – oder besser eine Übergestaltung, die sich dann auflöst. So deklariert sich Spike selbst zum Kunstwerk. Es ist weniger ein Heft über etwas. Die Spike ist eine Gesamtcollage. Rein visuell ist die am stärksten.

Die Spike macht doch einfach das DIS-Magazine nach. Die sind doch Epigonen vom DISmag und wollen es nur genauso gut machen. Ich schau auch immer zuerst in dieses Original-Sammelsurium.

Bei der TzK steht das Werk tendenziell ohne Künstler da, auch wenn in einigen Texten über die Rolle des Künstlers diskutiert wird. Aber ist es nicht inzwischen konservativ, als Akademiker genau darüber einen Text zu schreiben, dass der Künstler im Mittelpunkt steht, und sich dabei selbst auszunehmen und hierarchisch zu agieren? Die Beteuerung der eigenen Absorption kann da nur ein gutgemeinter Anfang sein.

Es schreiben da aber auch viele Künstler, einige, die auch gleichzeitig Theoretiker sind.

Die Kunst hat ihre Funktion ja insgesamt verändert. Nicht mehr reine Kontemplation, wie früher, sondern kompletter Teil eines bestimmten Lifestyles.

Ob das früher so war, das wäre noch zu klären …

Vielleicht ist der Designer des Magazins der eigentliche Künstler, er übernimmt die „Leere“. Der Designer wird bei Spike zum Autor.

Das ist Quatsch, er schafft doch nur das Bild, das die haben wollen. Ich hab gehört, Boros macht sich auch lustig über Meiré, der von sich glaubt, er wäre Künstler. Grafiker werden nicht als Künstler wahr- oder ernstgenommen. Spike ist so post-internet, wie man gar nicht sein kann, das macht der Borsche für die. Er ist aber nicht der eigenständige Künstler. Sie haben den ausgewählt, weil sie wissen, dass er das mit reinbringen kann.

Das Kunstwerk selbst bleibt bei Frieze als abgegrenztes Werk für sich sichtbar, bei Spike nicht mehr. Ähnlich wie bei den Kuratoren, die Kunstwerke nur noch instrumentalisieren, um eine eigene, eine übergeordnete Idee zu erzählen, also die schlechten Kuratoren.

Welche Geschichte sollen sie denn sonst erzählen?



Dekonstruktionslinien im Layout, erste Anfänge eines umfassenden Trends

Das Zeit-Magazin war sehr dekonstruiert. Borsche hatte damals alle Typografie-Regeln, Geschmäcker über den Haufen geworfen. Frei nach dem Motto: Lass uns mal was ganz anderes machen, alles. Scheiß auf Regeln. Ich nenn das immer Gießkannendesign. Alles wird reingeschüttet und füllt sich irgendwie. Er hat das angefangen und am radikalsten gemacht.

Hmm, vielleicht wirkt es auf den ersten Blick so, aber war es nicht immer ein recht wohlkalkuliertes Arbeiten an den Regeln entlang mit immer wieder neuen Variationen von einer Typografie, die gerade ein bisschen danebenliegt, gestürzte Zeilen, jetzt gerade die Bildunterschriften in fetter Schrift in Gelb mit Outline. Also eher klassisch mit Bruch.

Es gibt ein paar Trends, die man bei der Gestaltung von Magazinen im Moment beobachten kann: Retro, danach die gezielten Regelverstöße: verzerrte Schriften, Auflösung von strengen Rastern und klassischen Größenverhältnissen, Text über Bild, Verspieltheit mit Typografien. Zum Beispiel auch Mike Meiré, der war vorher klassisch funktional, bei Brandeins hat er die Reduktion perfektioniert. Bei der 032c dann zwar schlicht, aber sperriger, die Schriften spröde und verzerrt. Jetzt hat er gerade Blau gestaltet, die dann wieder konservativer.

Was mir noch in die Hände gefallen ist: das Lodown Magazine, das war das erste, das vollkommen konsequent bad-taste war und die Auflösung aller Regeln betrieben hat. Ich verstehe bis heute nicht, was das eigentlich für ein Heft ist. Aber wenn ich eine Ausgabe von 2011 mit der heutigen Spike vergleiche, treibt es Spike mit der Auflösung weiter und ist dabei doch zugänglicher.

Lodown ist doch voll Neunziger. Clubcollagendesign. Kann man nicht wirklich vergleichen.



Muss es Normcore auch im Design geben?

Hej, ja klar. Es bedeutet ja nur, sich flexibel immer dem jeweiligen Gruppenmainstream anzupassen, sich immer anpassungsfähig zu halten. Immer bereit anzudocken. Sich eben nicht abzugrenzen.

Kein Design könnte es im Magazindesign ja aber auch gar nicht geben, da man dann das Produkt nicht mehr erkennt. Aber natürlich ist es am coolsten, wenn die Distinktionssensoren so gut sind, dass man es doch erkennt, das getarnte Magazin.

Normcore, als Weiterentwicklung von „mass-indie“, hieße dann nicht nur, dass man sich ständig redesignt, sondern, noch konsequenter, dass sich die Beziehung von Form (Gestaltung) und Inhalt auflöst bzw. ständig verändert, dass es keine festen Regeln der Darstellung und Anordnung mehr gibt. Das eröffnet dann multiple Projektionsflächen.

Kommen wir zum Layout der Frieze, zu diesem bauhausesquen, leicht manierierten, das ja vor der Mode des Dekonstruierten modern war.

Sie wirkt irgendwie ältlich. Braves Raster. Braves Layout.

Ja, die hatten auch nicht die Idee, dass man komplett was Neues macht. Die deutsche Ausgabe lehnt sich ja an das englische Heft an. Studio Laucke Siebein, die das Frieze d/e machen, haben viel übernommen und angepasst.



Warum gibt es überhaupt Magazine?

Weil jemand Geld damit verdienen muss.

Die liefern einfach Diskurs-Updates.

Und was sind die wirtschaftlichen Zusammenhänge? Bei Weltkunst sind die ganz anders als bei Blau oder TzK.

Die Weltkunst gehört zum Holtzbrinck-Verlag, wie auch die Zeit. Das Design ist eher klassisch und die verhandeln auch gediegene, gut abgehangene Kunst und Antiquitäten. Seit zwei Jahren wird das Heft aber auch zeitgenössischer.

Die Spike in Wien hatte ja immer auch Österreich im Hintergrund. Wurde u.a. vom Staat oder der Stadt gefördert. Ist ja dann auch ein gefährlicher Schritt, einen Teil nach Berlin zu verlagern.

Da steht „Organisation für Kunst“ bei Google.

Ja, die haben ja jetzt auch einen Raum, die ehemaligen Räume von Joanna Kamm. Vielleicht sind sie ja eher ein großer Kunstverein mit verschiedenen Organen.

Die TzK machen Editionen, aber keinen Ausstellungsraum. Das verändert sich seit Jahrzehnten nicht. Von den Editionen kommt ein großer Teil des Geldes.

Jedenfalls leben die wenigsten Magazine vom Vertrieb. Da kommt nichts bis so gut wie nichts zurück. Das Geld bleibt komplett im Vertrieb hängen, die meisten Hefte zum Beispiel in Bahnhofskiosken werden remittiert oder weggeschmissen.

Von Spike liegen da immer nur ganz wenige Exemplare, wenn überhaupt. Eigentlich haben nur Monopol und art nennenswerte Stapel. Die Kunstmagazine muss man dort eh suchen, da haben die Tattoo-Magazine mehr Platz.



Vielleicht sollten wir versuchen, die Inhalte der Magazine über die Anzeigen zu deuten?

In der Spike von 2008, Nr. 15, gibt es geschätzt nur 1/3 der Anzahl der Anzeigen wie in der neuen Spike. Es sind alles Anzeigen aus dem Kunstbetrieb.

Monopol hat da einen anderen Anspruch und eine andere Zielgruppe, das sind eher Anzeigen wie in einem Männermagazin: Lifestyle, Mode, Auto, Uhren.

Vielleicht kriegen die keine anderen.

Ich denke, mit solchen Anzeigen verdienen die einfach mehr.

„Artist’s favourites“, „Watchlist“, diese Formate sind eigentlich Start-Up-Werbungen. Solche Seiten haben alle, nur TzK nicht.

Bei Monopol gibt es neben der „Vielfliegerkolumne“, der Erdkundestunde mit Klaus Biesenbach, jetzt auch ­Jankowski als Übernahme vom Kulturspiegel, den es jetzt nicht mehr gibt. Die Redakteure werden scheinbar in die Hauptredaktion übernommen. Und aus dem „Kulturspiegel“ soll der „Literaturspiegel“ werden.

Ja, da geht’s um Anzeigen, mit Literatur kriegst du einfacher Anzeigen.

Hetzler, habe ich gehört, investiert nur ganzseitig, insgesamt 100 000 Euro im Jahr.

Welche Chancen haben Galerien, die nie eine Anzeige schalten? Oder anders gefragt: Darf ich kritisch über Max Hetzler schreiben, wenn er mir Geld gibt?

Gerrit Gohlke war mit artnet irgendwann offizieller Medien­partner des Gallery Weekends und hat das bezahlt bekommen. Die haben dann aber ein kleines Heft gemacht, mit hauptsächlich Verrissen und bildzeitungsähnlichen Schlagzeilen. „Horror-Ölschinken an der Wand“ oder so ähnlich. Eigentlich redaktioneller Selbstmord, aber die konnten das. Es wird kolportiert, dass Artnet Anrufe hatte, dass über Abonnenten keine schlechten Artikel geschrieben werden sollen, und dass sie es aber trotzdem gemacht haben. Ich habe das auch so wahrgenommen.

Gesponserte Kunstkritik, das könnte eine Zukunft sein. Irgendein Unternehmen steht im Hintergrund, das der Redaktion absolute Freiheit lässt, nur die Qualität muss stimmen. Sie profitieren ja dann vom Ruf. Wie zum Beispiel der Fall Telekom und die electronic beats.

Die machte Max Dax, der auch mal die Spex gemacht hat. Die sind mehr auf Interviews und Gespräche fokussiert, es gibt keine Einengung, hat man den Eindruck.

Das klingt traumhaft? Warum macht er eigentlich jetzt etwas anderes?



Sind Online-Zeitschriften bald genauso obsolet wie Videokunst, weil auf Dauer schwer zugänglich zu halten?

Die gedruckte Zeitung wird sterben. Keine Zeitung mehr.

Aber online fällt der Server aus. Alles weg. Das Gedruckte bleibt.

Ich habe zum Beispiel die Tempo aufgehoben.

Gedrucktes ist eine Flaschenpost in die Zukunft.

Auch das Fotobuch floriert, in der TzK gab es einen Artikel darüber. Bücher werden immer opulenter. Es gibt eine Gegenbewegung zum Digitalen. Im Buch geht es um Content. Im Magazin geht es um Aussehen und Erscheinung als Zeitdokument.

Bücher machen ist wie Schürfen im großen Datenmüll, eine Auswahl der Informationen, redigiert und schön verpackt, wie Gold, das man aus Sand siebt.

Digital ist wie Musik als mp3, sie verschwindet wieder in irgendwelchen Ordnern.

Man findet nur die selbstgebrannte CD wieder. Mit Liedern in einer Chronologie.

Auch die Bilder, die man auf der Festplatte rumzieht, verschwinden. Gute Fotos muss man ausdrucken, alles andere ist Müll.

Da gab es doch eine Arbeit von Kenneth Goldsmith. „Printing the Internet“. Der Drucker hat nach einem Programm alles gedruckt, was er im Internet fand. Ein Riesenpapierhaufen, ein ganzer Raum voll.

Aber ganz ehrlich, von Marktinteresse ist dieses ganze Wissen nicht. Die Aktualität zählt. Die ständige Aktualisierung. Alles muss immer gerade brandheiß sein, dann verschwindet es wieder im Äther. Und wer das leugnet, ist langweilig. Wir flattern mit unseren Emotionen um die Lampe. Wir werden uns noch länger um unseren jeweils temporären Zustand drehen. Das Ganze wird übergeil, und wir werden als Konsumenten unserer selbst ständig Neues produzieren. Das gibt einen Riesenoutput.

Ich finde die Monopol von 2004 aber geiler.

Foto: Christina Zück