Eine Liste von hundert

Till Cremer – Berlin Artists

2015:November // Andreas Koch

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11-2015

Liste der fotografierten, aber nicht abgedruckten Berliner Künstler aus dem Buch „Till Cremer Berlin Artists“

Natürlich ist das ein Schock. Da kommt am 12. September eine Mail, die die Release des Buches „Till Cremer – Berlin Artists“ ankündigt. Erst denkt man, ach ja, schön, hat ich schon vergessen, der war ja vor zwei Jahren hier und hat mich vor meinem Leuchtkasten fotografiert, ist das endlich fertig. Dann scannt man die Liste nach seinem Namen ab und man ist nicht dabei. Ich gebe es zu, so was versaut mir die Laune. Und klar wäre es professioneller, das nicht zuzugeben, sich nicht in die Verliererecke zu stellen. Aber ich dachte, was soll das denn? Dreihundert Künstler und ich bin nicht dabei, kein Berlin Artist. Ich kenn die doch alle, oder fast alle. Gehöre ich nicht dazu? Man wird in diese Kindheits-Ursituation zurückgeworfen, in den Sportunterricht, die Mannschaften werden gewählt und man selbst wird erst gegen Ende, wenn es kaum noch Auswahl gibt, einer Mannschaft zugeteilt. Hier ist es noch schlimmer, man wird gar nicht ausgewählt.
Dann die Wut, der Selbstschutz, was ist das denn für einer? Der hat doch gar keine Ahnung. Kunstfern und will sich nur selber profilieren. Oder vielleicht ist mein Bild zu schlecht geworden. Frage ihn das gleich per Mail: „Warum hast du mich aussortiert? War mein Foto zu schlecht?“ Nein, nein, das Bild gefalle ihm gut. Er musste eben aus Kostengründen eine Auswahl treffen.
Noch schlimmer, ich war wohl nicht wichtig genug, jedenfalls nicht so wichtig, wie z.B. Alex Tennigkeit, Eva Teppe, Stefan Thiel, Rebecca Thomas, Viktor Timofeev, Philip Topolovac, um nur eine beliebige alphabetische Strecke derer zu nennen, die es ins Buch geschafft haben. Keine Ahnung, wer Eva Teppe oder Viktor Timofeev ist, aber Philip war quasi mein männlicher Nachfolger in der sonst stark von Frauen dominierten Möbus-Klasse, jetzt hat er mich überholt, und mit Stefan hab ich auch ein paar Semester zusammen studiert und hatte 1994 meine allererste Gruppenausstellung mit ihm. Warum er und nicht ich?
Aber zum Buch. Ich hab’s mir schicken lassen. Ein Rezensionsexemplar. Es liegt vor mir. Ein schwarzes, schweres, über 300-seitiges Bricket. Groß und durchgehend in gleicher Typo, „Till Cremer Berlin Artists“. Er also gleichwertig mit allen anderen, oder wie? Ich merke, ich bin immer noch sauer.
Die Fotos sind alle analog mit einer Mittelformat- oder Großbildkamera aufgenommen, weiß nicht mehr so genau. Ist das Foto nicht gleich unscharf auf Seite drei? Und die Stiche, gelb, grün, blau. Hässliches Papier. Ich fang an zu mäkeln. Eigentlich macht es Spaß, durchzublättern und all die mir bekannten Gesichter in teils superernsten, teils inszenierten Posen à la Erwin Wurm zu entdecken. Kaum einer lacht oder lächelt auch nur ein bisschen. Zwischen depressiv und konzentriert, jedenfalls ernsthaft, und der Witz kommt dann manchmal in Form von absurder Kleidung, Masken oder sonst einem Twist. Meist ist eine eigene Arbeit im Hintergrund, manchmal verschmelzen die Porträtierten mit ihr. Ich fang jetzt nicht an, einzelne Bilder zu beschreiben. Aber es ist abwechslungsreich, und die Kombinationen, die durch die strikte alphabetische Reihung entstehen, sind auch lustig, manchmal super passend, manchmal absurd konträr. Es ist schon Wahnsinn in der Masse, wie wir (äh, ich meine ihr) Künstler uns (euch) inszenieren (inszeniert). Ich stell mir vor, das Buch wird in 100 Jahren in einem verschütteten Keller gefunden, das einzige, was übrig bleibt von jetzt. Kunsthistoriker, sofern es sie noch gibt, feiern die Entdeckung … ich stells mir lieber doch nicht vor.
Ich frag mich lieber, wie jemand auf die Idee kommen kann, als Außenstehender, als Fotograf, sich zu ermächtigen, die Berliner Kunstszene abzubilden. Till Cremer ist halt Fotograf, sag ich mir, arbeitet gern mit Leuten. „People Photography“ sagt man in diesem Metier und da hat er sich eben die Berliner Kunstszene ausgesucht. So what? Ihm war scheinbar nicht bewusst, dass er da auf ein Wespennest tritt, dass er sich mit einem Schlag 207 Feinde macht. Denn das ist die Quote, 507 Künstler fotografiert und nur 300 abgedruckt. Die Liste der Aussortierten ist hinten im Buch abgedruckt und wird hier noch einmal veröffentlicht. Gar nicht so schlecht, denk ich mir, die kann sich doch auch sehen lassen … und es gibt ja auch noch die Künstler, die er gar nicht fotografiert hat. Die sind wahrscheinlich noch besser. Cyprien Gaillard, Isa ­Genzken, Karl Holmqvist, Manfred Pernice, Anri Sala usw. Die drucken wir dann im nächsten Heft.

„Till Cremer – Berlin Artists“, erschienen im Kerber-Verlag,
320 Seiten, 34,90 Euro



Christian Achenbach
Silva Agostini
Bettina Allamoda
Heather Allen
Johnny Amore & Irene Pascual
Axel Anklam
Lucio Auri
Dafni Barbageorgopoulou
Florian Baudrexel
Marc Bauer
Alexandra Baumgartner
Tjebbe Beekman
Hannes Bend
Eva Berendes
Oliver van den Berg
John von Bergen
Antje Blumenstein
Berthold Bock
Peter Böhnisch
Monica Bonvicini
Monika Brandmeier
Micha Brendel
Alke Brinkmann
Conni Brintzinger
Laura Bruce
Patricia Bucher
Rick Buckley
Marcel Bühler
Eric Bünger
Eva Castringius
Jérôme Chazeix
Sunah Choi
Martin Conrads
Mariechen Danz
Lizza May David
Christa Dichgans
Inga Charlotte von Domarus
Iris van Dongen
Kerstin Drechsel
Chris Dreier
Jürgen Drescher
Danilo Dueñas
Elmgreen & Dragset
Hadassah Emmerich
Annika Eriksson
Tim Ernst
Unn Fahlstrøm
Larissa Fassler
Dennis Feddersen
Thomas Fischer
Matthias Fitz
Carsten Fock
Sven-Ole Frahm
Heiner Franzen
Marten Frerichs
Pia Fries
Giulio Frigo
Max Frisinger
Bernard Frize
Roland Fuhrmann
Heike Gallmeier
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Benjamin Greber
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Sebastian Hammwöhner
Björn Hegardt
Andreas Helfer
Arjan van Helmond
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Mike Hentz
Secundino Hernández
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Wiley Hoard
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Martina Hoogland Ivanow
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Claudia Wieser
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Stephen Wilks
Klaus Winichner
Markus Wirthmann
Jens Wolf
Maik Wolf
Ulrich Wulff
Raúl de Zárate
Moira Zoitl
„Till Cremer – Berlin Artists“, erschienen im Kerber-Verlag, 2015