Mit Schnitte #7

Anja Majer und Esther Ernst im Gespräch mit Tahnee Godt

2016:April // Anja Majer und Esther Ernst

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04-2016

Anja Majer /    Willkommen zur siebten Schnitte. Schön, dass es so spontan geklappt hat. Wir haben mit den „Schnittengesprächen“ angefangen, weil wir uns gefragt haben, was das eigentlich für ein Vorgang ist, also was die Eröffnung mit dem Künstler oder der Künstlerin zu tun hat, und was in dem Moment der Trennung von der Arbeit passiert, die ab diesem Punkt selbstständig in der Öffentlichkeit existiert. Es ist ja auch der Abschluss eines Arbeitsprozesses, der da zelebriert wird.
Aber zuerst nochmals herzlichen Glückwunsch zu deinem Abschluss – für dich ist es ja zusätzlich ein Ende und Neuanfang. Wie war denn der Abend gestern für dich?
Tahnee Godt /    Also der Tag war erstmal superlang. Wir hatten ja die Prüfung am Morgen und haben schon um ein Uhr angefangen Sekt zu trinken und darauf anzustoßen. Dadurch war ich am Abend eigentlich tiefenentspannt.
Esther Ernst /    Wie sieht denn so eine Prüfung aus?
Godt /    Schrecklich! Ungefähr fünfzig Leute – so kam’s mir zumindest vor – stehen um dich herum. Die Kommission besteht so aus 11–15 Prüfern, die haben einen geheimen Plan, nach dem sie sich richten und die Meisterschüler an ihren Standorten besuchen. Sie interviewen dich 15 Minuten und erwarten, dass du deine Arbeit vorstellt. Und dann werden Fragen gestellt.
Ernst /    Und dann bekommt man gesagt, ob man verstanden, äh ... bestanden hat? (lacht)
Godt /    Ja, das ist ganz gut ausgedrückt, weil manchmal verstehen die auch einfach Sachen nicht, oder die Meinungen gehen total auseinander.
Majer /   Redest du gern über deine Arbeit?
Godt /    Ich rede gern im kleinen Rahmen über meine Arbeit. Ich finde es manchmal schade, dass die Mündigkeit der Arbeit übersehen wird. Weil die Arbeit steht ja dort, allein, ohne mich, aber das wird total missachtet. Ich finde das besser, wenn man für Rücksprachen später nochmal da ist, oder für technische Fragen. Das ist ja sonst genau so, wie wenn man ins Museum geht und erstmal den Wandtext liest.
Ernst /    Werdet ihr auf Vernissagen vorbereitet? Ist das bei euch an der Uni ein Thema?
Godt /    Es kommt sehr darauf an. Also ich habe mit mehreren Professoren studiert und auch zweimal im Ausland. Zum Beispiel in London hatten wir Seminare, die nur darum gingen, wie bereite ich eine Ausstellung vor. Mit dem ganzen Drumherum, wie mache ich ein kleines Begleitheft, einen Text, die Einladungen. Wann schicke ich alles los, wen soll ich einladen, wie hänge ich Sachen auf. Also wirklich alles. In Berlin ist das jetzt eher nicht so.
Ernst /    Hast du Erfolgsdruck an der Vernissage?
Godt /    Nein, eigentlich nicht. Ich mach mir da keinen Druck. Ich mache mir den Druck vorher, dass alles rechtzeitig so fertig ist, wie ich möchte. Aber auf der Vernissage bin ich dann meistens entspannt, einfach auch weil soviel Support von den Freunden da ist. Solange meine Familie nicht kommt. Wenn meine Familie da ist, geht‘s gar nicht für mich, obwohl ich sie total mag.
Majer /   Waren die denn gestern da?
Godt /    Nein, die waren nicht da. Ich habe sie auch nicht eingeladen, beziehungsweise ich habe gefragt: Ihr wollt ja bestimmt nicht kommen, oder?
Ernst /    Was stört dich denn an ihrer Anwesenheit?
Godt /    Es ist halt eine andere Welt. Im Endeffekt ist die Eröffnung ja ein Event, wo man socialised. Ich bin da jetzt auch nicht, um mit meinem Freund händchenhaltend rumzustehen. Ich bin da, um ernsthaft mit Leuten zu sprechen, die etwas über meine Arbeit wissen wollen. Ich finde es besser, man macht das alleine. Nach der Vernissage können sie dann alle gerne kommen.
Majer /    Gehst du gern zu Eröffnungen?
Godt /    Kommt drauf an. Ich bin früher viel gegangen, aber auch eher zu den Donnerstagseröffnungen. Man trinkt ’nen Wein und es gibt Käseplatten, dann wird man noch auf irgendeine Party im Dachgeschoss von irgendwem mitgenommen, wo dann noch mehr Käse steht. Manchmal finde ich es auch ganz furchtbar. Eine Situation war mal bei einer Ausstellungseröffnung von Isa Genzken im Schinkel Pavillon. Der ist ja so achteckig konstruiert, und alle standen in diesen Ecken und starrten sich an. Und dann hat die Freundin, mit der ich da war, sich an die Wand gelehnt und das Licht ausgeschaltet. Wir haben es ganz schnell wieder angeschaltet und alle Augen waren auf uns gerichtet. Also sowas mag ich gar nicht, wenn das dann wirklich so ein Event ist, wo man sich so zeigen muss und man beobachtet, was der jetzt anhat und wie der sich benimmt. Und ich hab – glaube ich – noch nie wirklich Kunst geguckt auf einer Eröffnung.
Ernst /    Aber würdest du dann sagen, dass die klassische Kunstbetrachtung eine gewisse Konzentration und Ruhe braucht und eine Vernissage eine soziale, laute und volle Angelegenheit ist und der Kunstbetrachtung eigentlich widerspricht?
Godt /    Schwierig. Also die Vernissage ist natürlich laut, aber es gibt Arbeiten, die ganz gut in so einem Kontext funktionieren. Zum Beispiel Performances. Aber klar, ich brauche für die Kunst auch eher Ruhe, um sie ernst zu nehmen, ansonsten geh ich sehr schnell an manchen Arbeiten vorbei und guck gar nicht nochmal hin, weil es einfach viel zu viel Gewirr und Stimmen gibt. Ich würde mir auch niemals auf einer Vernissage einen Film angucken oder eine Soundarbeit mit Kopfhörer anhören. Niemals.
Ernst /    Ja, wobei ich mich auch schon dabei beobachtete, dass ich auf einer Eröffnung, auf der ich mich nicht besonders wohl fühlte, mich wieder an die Kunst klammerte. Also da findet dann wieder eine Umdrehung statt. Hast du dich gestern eigentlich speziell angezogen?
Godt /    Was hatte ich denn gestern an? Ah ja, ich hatte nur zwei frische Röcke, ansonsten nur Hosen mit Arbeitsspuren ... Von daher war ich ganz froh, dass ich den einen Rock, der der Mutter von meinem Freund gehört, gefunden hab. Und ich hab geguckt, dass ich später darin gut auf dem Boden sitzen kann und dass ich darin halbwegs nett aussehe. Wobei ich eigentlich mein Iron-Maiden-T-Shirt anziehen wollte, nur das war leider auch nicht sauber.
>Klar, aber sonst style ich mich schon ein bisschen. Im Zweifelsfall schwarz. Schwarz geht immer, trag ich sowieso meistens. Ich glaube, das ist auch ziemlich in. Viele Künstler tragen Schwarz. Dann kann man direkt vom Atelier auf die Eröffnung gehen.
Es gibt auch Leute, die gehen in Malerklamotten, das find ich dann ein bisschen übertrieben.
Ernst /    Was möchtest du niemals erleben auf deiner Vernissage?
Godt /    Dass einer sagt: „Und hier noch eine spontane Ansprache der Künstlerin …“ Das wär ganz schlimm.
Ansonsten habe ich mir gestern oft vorgestellt, was jetzt wäre, wenn eine meiner Keramiken vom Sockel runterfallen würde. Das würde ich dann wahrscheinlich total überspielen und innerlich hätte ich geheult. Also das wär auch nicht so schön.
Majer /   Fühlst du dich allein, wenn du jetzt aus diesem Hochschulkontext, aus dem Verbund rauskommst?
Godt /    Nee, ich fühl mich super. Ich fühl mich richtig gut. Hab mich auch schon lange drauf gefreut. Irgendwie ist der Rahmen Universität für mich jetzt ausgeschöpft. Was ich mir überlegt habe, wär noch einen Master im Ausland zu machen. Zum Beispiel in L.A. Wenn ich das Geld dazu hätte, würde ich das super gerne zwei, drei Jahre machen.
Ich habe sehr spät erst gelernt, dass ich eigentlich viel mehr Gespräche – auch mit anderen Professoren – für Arbeitsbesprechungen hätte in Anspruch nehmen können. Und noch mehr Zeit im Atelier verbringen und noch mehr Werkstätten hätte benutzen können. Das merke ich schon und frage mich natürlich, wo brenne ich denn jetzt die nächste Keramik und wo schneid ich mir das Holz auf Gärung zu. Geht halt dann nicht mehr so einfach. Aber ich glaube, die Arbeit ändert sich dadurch auch. Vielleicht fängt man dann an zu zeichnen.
Majer /   Ich denke, es passiert auf jeden Fall was, wenn man da raus ist. Diese Meisterschülergeschichte finde ich schon auch eine spezielle Angelegenheit. Im Gegensatz zu der Möglichkeit, wie du sagst, sich unterschiedliche Leute für Gespräche wählen zu können und sich nicht auf eine Person zu fokussieren.
Godt /    Wobei das gar nicht so doll passiert. Man hat langsam einige alteingesessene Malereiprofessoren, die dann wirklich die Meister sind und Zöglinge um sich herum versammelt haben, ersetzt. Auf so was hatte ich keine Lust. Und im Endeffekt bin ich eine erwachsene Frau, auch wenn das Künstlerprofessoren sind, die wesentlich mehr Erfahrung und Dinge erreicht haben als ich. Aber ich hatte oft dieses Gefühl, dass man nicht für voll genommen wird und immer noch dieser Zögling ist und die Professoren meinen, sie können in die Installationen eingreifen und sagen: „Nee, schieb das mehr nach links.“ Und das geht halt irgendwann einfach nicht mehr.
Majer /   Wie ist das mit Kritik? Hast du bei einer Eröffnung schon mal Kritik bekommen?
Godt /    Nee, ich glaub, so was macht man nicht wirklich. Ich glaube auch nicht, dass die Leute auf Vernissagen gehen, um einen dann zu kritisieren. Vielleicht untereinander tuscheln.
Was ganz cool ist, ist wenn einen niemand kennt und man einfach sehen kann, wie sich zwei Menschen über deine Arbeit streiten. Find ich super.
Ernst /    Ich finde das auch so typisch Vernissage: dass man einerseits gespannt darauf ist, wie das Werk rezipiert wird. Andererseits es schwierig findet, im Mittelpunkt zu stehen und sich dann eben nicht traut, die Leute zu beobachten. Das widerspricht sich doch. Und es gibt offenbar das Bedürfnis nach echter Reaktion. Gleichzeitig gilt das Kritikverbot.
Godt /    Ja, stimmt, ich glaube eine offene Kritik findet später statt und nicht am Abend der Vernissage. Finde ich auch ok. Weil es eine gewisse Höflichkeit ist, sich so zu verhalten.
Ernst /    Wenn du dir für die nächste Vernissage etwas wünschen könntest, was wäre das?
Godt /    Hm. Ich würde mir wünschen, dass ich in der Vorbereitung auf die Vernissage nicht komplett auf mich alleine gestellt wäre. Und dass ich mit einem guten Gefühl zu diesem Event gehe und total selbstsicher der eigenen Arbeit gegenübertreten kann.



Foto: Anja Majer, Esther Ernst

Lukas Quietzsch und Philipp Simon