Kinder, die so alt sind wie die „von hundert“

Der Jahrgang 2006

2017:März // Chat

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03-2017

Ein kleines hilfloses Wesen wächst heran. Nach 10 Jahren hat es Schuhgröße 35–40, fast alle zweiten Zähne, manche davon schief, einen 12 kg schweren Ranzen, Termine ohne Ende, seinen Namen auf Datenbänken und Verträgen, ein Kinderzimmer mit Hochbett, mindestens sechsunddreißigtausendfünfhundert Fotos von sich und ein Fahrrad mit 24-Zoll-Rädern.
Es kann nun selber essen, ruft nicht mehr „feeeeertig“ auf der Toilette, kann laufen, schwimmen und sich selber anziehen, Roller-, Rad-, Inliner-, Ski- und Schlittschuhfahren, das Einmaleins (naja), war schon mal im Kino, im Theater, in der Oper, im Museum (total langweilig), auf etlichen Ausstellungseröffnungen (noch viel langweiliger!!!), ist Auto, Zug, und S-Bahn gefahren, im Flugzeug geflogen, vielleicht sogar alleine. Hören wir doch mal, was die Zehnjährigen uns erzählen wollen:



„Das Besondere an meiner Familie ist, dass alle anders miteinander reden: ich und mein Bruder reden auf Deutsch, mein Vater redet mit uns auf Polnisch, unsere Mutter redet mit uns auf Hebräisch und zusammen reden meine Eltern auf Englisch.
Zwar ist es manchmal chaotisch, aber wir verstehen uns gut.
Ich werde in manchen Sachen gerne erwachsen, weil man z.B. mehr weiß, aber eigentlich wäre ich gerne noch ein Kleinkind. Da muss man nicht so viel machen.“Lili


„Ich werde nicht so gerne groß, denn dann übernimmt man so viel Verantwortung, und alles verändert sich. Wenn man ins Gymnasium kommt, verliert man seine alten Freunde. Die Kleidung, die man so gerne getragen hat, passt einem nicht mehr. Das ist doof.
Ich bin zwar gerne in Berlin, aber ich sehne mich oft nach einem Ort, wo ich einfach ich sein kann, wo nur meine Freunde und Menschen, die ich mag, sind, und wo ich einfach alles machen kann, was ich will. Ich weiß nicht genau wie es dort aussieht, denn den Ort stell ich mir ja nur vor, und dann ist er immer anders. Im Winter liegt immer mindestens 1 m Schnee und man kann Ski fahren. Im Sommer gibt es ein großes Feld, wo man sich hineinlegen kann und einen Swimming-Pool. Keinen Krieg gibt es dort!“Gesa


„Ich finde unser Leben ist wie eine Frucht bzw. ein Apfel. Dieser Apfel hat braune Stellen, und diese braunen Stellen sind im Leben der Krieg und die Armut. Das finde ich sehr traurig. Aber das Reife, Schöne, Leckere und Knackige ist für mich der Frieden und das Schöne im Leben.
Für mich und das Innere in meinem Körper ist es wichtig, dass ich nicht immer in Berlin bin, also in Großstädten. Für mich ist es wichtig, dass ich in der Natur bin und frische Luft habe. Ich glaube, das liegt daran, dass ich im Wald entstanden bin. Ich bin eine richtiges Waldkind.
Am rechten Ohr habe ich einen großen Blutschwamm. Wenn ihr euch fragt, was das ist: das ist so eine Stelle am Körper, wo mehr Blut hingekommen ist. Man nennt es auch witzigerweise Engelskuss. Es tut mir leid … aber ich finde keinen Fantasienamen. Ich finde mein richtiger Name hört sich doch auch wie einer an:Ophelia“


„Ich finde es besonders, dass mein Vater 11 Geschwister hat und ich zusammen 26 Cousins und Cousinen.
Ich werde nicht gerne groß, weil man trägt dann so viel Verantwortung und man muss sich um alles kümmern, außerdem kann man seine alten Lieblingsklamotten nicht mehr tragen – man verändert sich total. Man ist auch viel genervter. Das ist blöd. Berlin ist eigentlich schön, aber ich wäre auch gerne an einem anderen Ort. Ich stelle mir den so vor: Palmen, Schnee, Regen und Sonne, immer glücklich, machen, was man will, nicht schimpfen. Das wäre toll! Aber immer würde ich das auch nicht durchhalten, es wäre langweilig. Einfach mit Menschen zusammen sein, die ich mag, wäre am allerschönsten und trotzdem Frieden, kein Krieg!“Cello


„Das Besondere bei meiner Familie ist, dass wir auch noch Französisch sprechen. Außerdem reißen wir alle Lebensmittelverpackungen so auf, dass alles rausfällt..., und wenn mein Bruder oder ich eine schlechte Note schreiben, kriegen wir keinen Ärger.
Was ich an meiner Familie mag, ist, dass wir oft Aktivitäten machen und uns nie langweilen. Wir sind in den Ferien eigentlich nie in Berlin. Für mich fühlt sich das Leben wunderschön an, denn ich hab alles, was ich brauche, mehr möchte ich gar nicht!
Ich weiß nicht, wie es ist, groß zu sein. Maman sagt immer, groß sein und Kind sein ist toll, alles hat seinen Sinn. Wenn man groß ist, reitet man wahrscheinlich nicht mehr auf einem Schaukelpferd rum, aber man hat andere tolle Sachen, wie wenn man Glück hat, Kinder kriegen zu können – wenn man möchte. Wenn ich groß bin, möchte ich Autorin werden, denn schon seit ich schreiben kann, schreib ich Geschichten. Lesen und Geschichten schreiben ist für mich das Tollste auf der Welt. Wenn es keine Bücher gäbe, könnte ich mich nur langweilen. Ich möchte andere Menschen, die das Lesen auch mögen, später mal mit meinen Büchern glücklich machen.
Ich bin vielleicht in Berlin geboren und gehe dort zur Schule und lebe dort, aber trotzdem möchte ich später woanders leben.“Rosa Baum


„Also ich finde das Wort Vaterstadt komisch, weil man hätte es ja auch Mutter-, Eltern- oder Geschwisterstadt nennen können. Ich bin gerne in Berlin, aber ich würde auch gerne manchmal an einem anderen Ort sein, wie zum Beispiel in Finnland oder in Schottland. Ich will dorthin, weil es dort viel Natur und wenig Städte gibt, und weil es nicht so viel Müll und Umweltverschmutzung gibt. Ich werde nicht so gerne groß, weil man als Kind einfach mehr Spaß und Action hat.“
Martha


„Das Besondere bei uns ist, dass wir unordentlich sind. Ich finde, dass das (Wort Vaterstadt) ein bisschen doof ist, weil es in Berlin auch viele Frauen gibt. Ich bin sehr gerne in Berlin, aber manchmal möchte ich nach Frankreich, weil dort meine Oma und meine Katze wohnen. Ich werde gerne groß, weil man dann alles bestimmen kann.“Selma



Fragen, die die Kinder gestellt bekamen:
Jede Familie ist anders, ist etwas Besonderes.Was ist das Besondere bei euch? Wie würdest du einem Kind aus einer anderen Welt deine Kindheit – vom Babysein bis heute – erklären? Wie riecht und schmeckt unser Leben, wie hört es sich an? Wirst du gerne groß? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Vor 100 Jahren hätte man gesagt, Berlin sei deine Vaterstadt.Wie findest du das? Bist du am liebsten in Berlin oder sehnst du dich manchmal nach einem anderen Ort? Wie sieht es dort aus, was gibt es da? Sehr viele Leute werden deinen Text lesen. Möchtest du dir dafür einen Fantasienamen ausdenken?
Die Fragen stellte:
Chat
Originalbriefe