Vanity Fairytales

Biennale, Biennale, Biennale Sonnenschein

2017:März // Elke Bohn

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03-2017

Biennale, Biennale, Biennale Sonnenschein

Eine dekadische Retrospektive über das Leben und auch Arbeiten der Berliner Kunstszene macht mit der hiesigen Biennale sicher am meisten Spaß.
Nicht ganz vor zehn Jahren hat der Adam hier daran gearbeitet und durfte dabei in der Neuen Nationalgalerie „Bilder einer Ausstellung“ zeigen. Und natürlich ist er gebildet und kennt den Satz und den Komponisten und hat daher den Blick über den Tellerrand geworfen zur nahe gelegenen Klangburg vom Hans und die dort Arbeitenden geladen, jeweils ein Bild zu malen. Eine Skulptur war auch dabei, kitschig, ein Cello mit Farbsprenkeln und von großen Schrauben durchbohrt, auf die ein Hämmerchen schlägt, das aussieht wie aus einem Klavier, aber aus dem Metall gegossen wurde, aus dem Trompeten gemacht werden. Die echten Kunstkenner wittern hier echte Kunst. Es war natürlich ein Experiment, das aufging, denn wo soll die ganze Hermetik denn hinführen. Es war natürlich auch ein Experiment, das schiefging, denn was soll’s. Ein Pilot operiert ja auch keine Blinddärme. Und welche KünstlerInnen dirigieren symphonische Konzerte. Nun macht der Adam wieder eine große Ausstellung und viele reden viel und das ist normal, denn es ist schon immer so gewesen.
Wobei wir bereits den nächsten relevanten Themenblock aus dem Horizont meißeln könnten; hier nämlich die Frage, ob die Berlin-Szene etwas mehr und dabei selbstverständlicher Künstlerinnen hat Karriere machen lassen. Na? Ein Ja und auch ein Nein auch hier. Natürlich ist die jüngste Kunstgeschichte der potenziellen Kunsthauptstadt an erfolgreichen Künstlerinnen nicht arm, wobei hier vieles der Markt entschieden hat. Nur fair finden viele, denn von nichts kommt nichts und so weiter. Total schlimm und schlecht, wird dagegen gehalten, denn der Markt, wer macht denn den …?
Zur sechsten Ausgabe der Schau, hieran arbeitete die Kathrin, gab es viele gute Arbeiten zu sehen, Historisches und es ging in den Osten der Stadt. Und genau dort, auf das Schaufenster eines alten Pavillons, von vergangener Geschäftigkeit sowie behender Flanierhaftigkeit kündend, hat Monica Bonvicini ihre gerühmten großen Lettern geklebt. Mit eben jenem Klebstoff, mit dem Airbus die Leitwerke am Größenwahn A 380 befestigt. Da stecke viel Testosteron drin, ließ die Künstlerin in den Text schreiben. Sie ‚schreibt‘ an das Fenster ein provokant plakatives COME, LOOK CLOSER!
Und wenn man das macht, dann sieht man was. Denn die Lettern sind aus dem Spiegelglas, durch das man was sieht, wenn dahinter Licht ist. Und dahinter sind gemäldegroß Zeichnungen von der Voigt Jorinde zu sehen, auf denen sie Fotos mit Spielplatzschnappschüssen aus ihrem Freundeskreis verewigte. Eine, aus heutiger Sicht, immanent geniale Vorwegnahme auf die Flut der so genannten sozialen Medien. Ob sich beide Künstlerinnen gut kennen und/oder mögen, das spielt hierbei gar nicht die Rolle. Die Werke hinter den Buchstaben gehören Bonvicini, der Markt macht’s möglich. Und daher wundert es auch niemanden, dass die Ausstellung von Seth in der Galerie der Kollegin aus dem Rheinland und dem Kollegen aus vor allem New York für dieses Installat vorzeitig abgebaut werden musste. Machte aber nix, war beinah alles verkauft.
Die rundeste Nummer so far schuf der Juan mit der Ausgabe der Ausstellung im Jahre vier nach den Nullerjahren. Viele, wenn nicht etliche Museumsräume, Besucherrekorde und der entscheidende Schritt über die Schwelle in das politische Establishment. So ward Tarek Atoui Zutritt in die Büros des Bundesrates gewährt, wo die mechanischen Geräusche der Macht für acht Tage und tagtäglich acht Stunden aufnahm. Die gewonnenen Fragmente arrangierte er zu gewaltigen und verwobenen Kaskaden, die er nun im täglichen Wechsel über die Lautsprecheranlagen öffentlicher und halböffentlicher Orte der Stadt klingen ließ. Hier und da sorgte das für die gewohnten primären öffentlichen Reaktionen; Verwirrung, Ablehnung und Zustimmung. Am interessantesten jedoch schienen die Momente, in denen weder Autor noch kenntnisreiches oder aufbegehrendes Publikum mit vor Ort waren und das Werk einfach geschah. Von allen Egos befreit und dadurch autarkend gestählt, gewann es den Kampf; denn auch ohne Publikum schien es in der Lage, eine Wirkung zu entfalten.
Olaf Nicolai freilich schoss den Vogel ab, im Wortsinne. Er hat ein großartiges Video produziert, ein Yogastück, in dem Ursula Karven und Tim Renner mit den KünstlerInnen der Biennale im Tiergarten (der Volkspark Friedrichshain war zu dreckig) Yoga machen. Viele halten schon während des Drehs die Karven und den Renner für ein tolles Liebespaar, doch das sind Gerüchte. Nun wollte er, also der Olaf, zum Ende so eine fette Ansicht von erst halb und dann ganz oben, und weil es schlicht und ergreifend noch keine Drohnen für uns Zivilisten gab, hat er einem Jugendlichen mit ferngesteuertem Hubschrauber was zugesteckt. Vielleicht nicht genug, denn der kleine Drehflügler stieß mit einer der typischen Berliner Krähen zusammen. Der ist im Grunde nichts passiert, geschrien hat sie, sehr laut. Und, vielleicht nur vor Schreck, dem Renner vor die Füße geschissen.




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