William N. Copley

Max Hetzler

2020:August // Sofia Efremenko

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08-2020

Am ersten Tag im Februar machten mein Freund und ich uns auf den Weg zur Galerie Max Hetzler. Nach einer langen und ermüdenden Woche war die Fahrradfahrt von Lichtenberg nach Charlottenburg eigentlich gar nicht geplant. Von der Ausstellung habe ich durch ein Gespräch an meiner Hochschule erfahren. Ich habe meist ein Problem bei Ausstellungen in Berlin. Manchmal fand ich, wurde etwas Organisatorisches schlecht gemacht, manchmal mochte ich die Künstler nicht usw. Wenn mir also jemand sagt, dass er eine gute Ausstellung fand, gehe ich mit einem Körnchen Salz dorthin und hoffe, dass ich nicht wieder enttäuscht sein werde. Aber dieses Mal war es anders.
Als wir endlich zur Galerie kamen, war uns nicht klar, wo der Eingang ist. Das Gebäude war ganz typisch für diesen Kiez und die Tür sah wie eine normale Haustür aus. Das war komisch, denn ich habe mir vorgestellt, dass William N. Copley, ein sehr berühmter und großer Künstler, unbedingt eine sehr pompöse Ausstellung haben müsse, mit Tickets, die 10 oder 15 Euro kosten. Wir dachten, die Galerie wäre vielleicht schon zu, und mein Freund war schon leicht frustriert. Bis wir endlich verstanden, wie man reinkommt. Wir stiegen die Treppe zum 1. Stock hinauf. Die nächste Tür war schon offen. Drinnen, auf der linken Seite gab es ein Sekretariat, man begrüßte uns freundlich. Der Eintritt war frei. Wir wandten uns vom Sekretär ab und gingen in den ersten Raum.
Auf der rechten Seite hing ein texturiertes, collageartiges Gemälde in dunklen Tönen (Palladium, 1959–63), dem ich wenig Aufmerksamkeit schenkte. Auf der anderen Seite gab es Zeichnungen, in denen ich etwas Abstoßendes sah. Nicht in allen, aber in einigen. Sie wirkten naiv, wie zum Beispiel die mit dem Hintern einer Dame (Untitled, 1991). Es war noch nicht klar, ob das ein Künstler sein würde, den ich wirklich respektiere, aber das änderte sich schnell, als ich den nächsten Raum betrat.
Ich wurde mit einem riesigen, teilweise zerfallenen Hundert-Dollar-Schein, mit einem Spiegel statt des Präsidenten Gesicht und mit Saturday Night at The Movies (1985) mit bunten Gemälden konfrontiert. Bei letzterem bemerkte ich, dass die Farbe sehr dünn appliziert war, man konnte noch die Leinwandstruktur sehen. Das erinnerte mich an meine eigenen Arbeiten und verstärkte ein mysteriöses, plötzliches Gefühl von persönlicher Verbindung mit diesen Werken. Es war keine perfekte Öl-Malerei, die immer so anspruchsvoll aussieht. Es war etwas fast Primitives und daher zuweisbar. Dann schaute ich in den Spiegel hinein und sah meine Reflexion. Der Titel lautete Feels Like A Hundred Bucks (1986). Ich fühlte mich gar nicht so im Moment, aber ich kannte genau den Zustand, den CPLY, meiner Meinung nach, in dieser Arbeit adressiert.
Wir gingen tiefer in die Ausstellung hinein und sahen mehrere farbige Malereien mit etwa Keith Harings Rhythmus – in Figuren übersetzt. Die Motive waren ganz explizit, eine Grundvoraussetzung von Copley, und zeigten Männer und Frauen in unterschiedlichen provokativen Situationen, wie zum Beispiel beim Roo-A-Toot-Toot Three Times She Shot Through That Hardwood (1966), wo eine Frau mit einer Pistole vor einer Tür steht, hinter der man einen (ihren?) Mann mit einer andere Frau sieht. Das Thema Betrug ist ziemlich heikel, aber Copley schafft es, solche Dinge mit einem charmanten Humor zu erzählen, den man in allen präsentierten Werken erkennen kann. Tatsächlich sagte er selbst in einem Interview „I demand to be amused, I believe religiously in the necessity of humour in all the arts … it’s the one thing, traditionally, which painting is not supposed to have. The problem that interests me most in painting – it’s a tough problem – is to find that 50-50 balance be­tween form and humour which many great masterpieces of literature have achieved.“ Das ist sehr präzise, denn wir kennen Kunst fast immer schon als etwas sehr Seriöses. Deswegen fühlen sich Copleys Arbeiten für mich wie Atem mit frischer Luft an. Natürlich lebte er in einer Zeit, in der solche Tendenz in der Kunst schon wegen der Pop-Art-Bewegung ganz prominent waren, aber seine Werke haben viel mehr Romantizismus in sich. Copley kreiert mit Humor, aber ohne Satire, und das ist einer der größten Unterschiede zwischen ihm und den Pop-Art Künstlern. In dem bereits genannten Interview beschreibt er auch, dass Humor eine Form von Liebe sei. Vielleicht fühlen sich seine Arbeiten deshalb so nahe am Herzen an, auch wenn man die abgebildeten Menschen nicht persönlich kennt. Die Romantik seiner Werke zeigt sich auch in technischen Aspekten. Wenn man zum Beispiel auf Card Players (1981) oder A bunch of us boys were whooping it up in the Malamute Saloon (1966) schaut, wo mehrere skrupulöse Pinselstriche auf der Leinwand ein pulsierendes Muster entstehen lassen, das uns an Van Goghs Art des Farbauftrags erinnert und eine unbewusst nostalgische Stimmung für eine solche Art der Malerei erzeugt.
Als wir mit der Ausstellung schließlich fertig waren, verließ ich sie mit dem Gefühl, dass die zeitgenössische Galerienszene in Berlin vielleicht doch nicht völlig verloren ist. William N. Copley ist schon seit 24 Jahren tot, seine ambivalenten Werke halte ich jedoch für sehr relevant, denn sie kreieren einen herausfordernden Kontrast zu einer Kunstwelt, in der Kunst viel mit Politisierung zu tun hat, in der Naivität und Primitivität wenig Platz haben und in der man Liebe oft nur über den Bildschirm seines Smartphone wahrnimmt.

William N. Copley „The Ballad of William N. Copley“, Galerie Max Hetzler, Bleibtreustraße 45, 10623 Berlin, 17.1.– 7.3.2020