wo ich war

2020:August // Esther Ernst

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08-2020


GAUSMANN KATI 19. Jan. 2020
dancing dough and circumstances

Galerie im Saalbau, Neukölln, Berlin
+Das Gespräch zwischen Hanne Loreck und Kati Gausmann hat mir besonders gefallen, weil beide konzentriert, innig und klug einander Welten eröffneten und uns ZuhörerInnen dabei nicht aus dem Blick verloren. Loreck machte auf die doppelte Bedeutung der Erfahrung im Bezug auf Katis Wandzeichnungen aus einem Geflecht aus feinen Grafitlinien aufmerksam, wo das Erfahren eben auch ein abfahren einzelner Linien beinhaltet. Kati erzählt von geologischen Zusammenhängen, die sie bereits als gedankliche Vorstellung abgefahren findet, denen sie konzeptionell und meist zeichnerisch nachspürt. So fotografiert sie zum Beispiel ihren eigenen Schatten 24 Stunden lang in Norwegen bei Mitternachtssonne, um der einfachen Tatsache, dass die Erde sich dreht und die Bezeichnung Sonnenauf- und untergang obsolet ist, mittels nachgezeichneter Fotografie in einem ornamentalem Diagramm Ausdruck zu verleihen.



MARTON DAVID & ENSEMBLE 22. Jan. 2020
Howl nach Allen Ginsberg
Volksbühne Berlin

Also wütend ist hier gar nix. Und provokant, rätselhaft, berauschend oder exzessiv ebenso null. Und wer ernsthaft den Bach mit ultra belanglosem Fahrstuhlpop untermalt, gehört in die Hölle. Das ist alles selbstgenügsamer Mist und nicht mal ein Ansatz von Versuch. Ich glaub, ich bin wütend!



VILLA MASSIMO 25. Jan 2020
KW Institute for Contemporary Art, Berlin

+Als ich die Kunst Werke betrat, spielte das Ensemble Mosaik Spleen von Anna Korsun und alle Gäste waren mucksmäuschenstill. Sympathisch. Ich dachte, das wird mehr so ein Meet-and-Greet-Dings. Das Gleiche später bei Nico Bleutges Lesung. 8 KünstlerInnen sind aus der Villa des Prinzen Massimo zurück und zeigen Freunden und Alumni eine Kostprobe ihres Schaffens. Julian Rosefeldt hat Pferdekleider mit mahnenden Sätzen bestickt und die Rösser damit über die denkmalträchtigen Plätze galoppieren lassen. Mit Erik Göngrichs Skulptur hätt ich mich gern anständig auseinandergesetzt, die bin ich dumm übergangen. Genauso verpasste ich Sonja Alhäusers Schokorelief zum Dessert. Kerstin sagt beim Verabschieden, dass es auch seltsam sei, dass die neue Julia Draganović diesen recht feinen Abend tatsächlich wortlos bestreitet, während der Blüher in der Vergangenheit eher opulent auftrug.



ZAUBERFLÖTE DIE 2. Feb. 2020
Mozart, Kosky, Andrade, Barritt Komische Oper Berlin

Ja, so geht Oper. Sogar ganz fantastisch. Die 20er Jahre und der Stummfilm sind Ausgangslage, was natürlich lustig ist für eine Oper. Alle Libretti sind gestrichen, werden lediglich als Zwischentitel projiziert. Dazu spielt ein Pianist ein Potpourri aus Mozarts c- und d-moll Fantasien. Überhaupt besteht der ganze Abend, die Bühne, das Licht aus animierten Zeichnungen, die auf eine Art eisernen Vorhang projiziert werden, zu denen die Sänger minimal spielen, aber maximale Wirkung erzielen. Kosky hat einen Coup gelandet, als er Suzanne Andrade und Paul Barrit von der Performancegruppe 1927 aus England einlud und mit ihnen die meist gespielte und abgegessene Oper stemmte. Sie ist so auf das nötigste entkleidet und dann wiederum mit märchenhaften, leichtfüssigen, einnehmenden wie faszinierenden Bildern aufgeladen. Musik und Bild gehen gewaltig Hand in Hand.



HOW BEAUTIFUL YOU ARE! 22. Feb. 2020
Kuratiert von Maik Schierloh und Daniela von Damaros Kosmetiksalon Babette zu Gast im KINDL Berlin

+uff, bumsvolle Vernissage mit Schlange stehen. Schwieriges Thema für eine Gruppenausstellung, fällt meines Erachtens schnell in Trash, Oberfläche oder Brüll-Plumpheit auseinander. Bräuchte eine grössere Intimität, die das Kindl rein räumlich nicht leistet. Ich finde, Norbert Bisky oder Martin Eder werden zum Beispiel falsch verstanden. Bei Via Lewandowskys Geometrie des Gehorsams aus gesteuertem Aluminium wiederum funktioniert die Themensetzung prima. Bei Kirstin Burckhardt’s Zungenvideo blieb ich hängen und dachte, so eine Zunge ist schon krass. Schön und eklig. Samtig von oben, noppig von unten. Geschmacksträger. Manche Muscheln haben auch so „Zungen“, die sie unglaublich beeindruckend ausfahren können. Und mir ist der ganze Bilderwahnsinn der Jugend auf Insta, die allesamt Portraits mit ultra sexualisierten Zungen machen, total unangenehm.



WAGNER & FEIGL 26. Feb. 2020
Wagner und Feigl arbeiten daran… Blech und Gewebe I-IV Sophienseale Berlin

+Da ist ein zerschnittenes Auto und jede Menge Autoteile auf der Bühne. Und da sind zwei erwachsene Männer, die mit grosser Ernsthaftigkeit und technischer Versiertheit eine Art Labor für Carrosseriekunst unterhalten und Tonabnehmer an Scheibenwischer stecken, Blinker umbauen, verschiedene Kfz-Skulpturen installieren, die mich teilweise an Tinguely oder Roman Signer erinnern. Ich selbst kann mich für Autos kaum begeistern. Hab nicht mal Führerschein, träumte aber vor Jahren ausgiebig und alptraumartig von diversen Fahrten. Irgendwann meinte meine Analytikerin, also Frau Ernst, Auto steht ja für ich, also für Sie selbst. Und ich so, aha, oh, wow. So richtig wow fand ich den Performanceabend nicht. Wir erwischten das Kapitel Ton & Rotation, jeden Abend gibts was anderes…



VOIGT JORINDE 17. März 2020
Onlineführung durch die Ausstellung the real extent Instagram live: St. Agnes Kirche / Atelier Voigt

+Wegen dem Coronavirus fällt alles flach, deshalb bringen sich mehrere kulturelle Institutionen live in den sozialen Netzwerken an den Start. Johann versucht sich aus seiner Kirche mit Jorinde in ihrem Studio zu verbinden. Die ersten 15 Minuten zeigen technische Probleme. Die haben das vorher anscheinend gar nicht ausprobiert… Dann geht’s doch und ich bin gespannt, wie Galerist und Künstlerin miteinander sprechen. Beide zeigen sich tendenziell ungeübt mit dem gleichzeitigen Erzählen, Zuhören und Filmen. Dadurch erhöht sich die Einlassung im Gespräch und betont weniger das Abspulen der gewohnten Phrasen. Ein paar Leute stellen interaktiv Fragen zu Jorindes Zeichentechnik und Material und dann geht alles ganz schnell und unkoordiniert zu Ende. 120 Leute schauen bis zum Schluss zu.



COMTE CLAUDIA 24. März 2020
Onlinegespräch Instagram live: St. Agnes Kirche / Privathaus Compte

Inzwischen bin ich ein bisschen heiß auf die Gespräche zwischen Johann König und seinen KünstlerInnen. Da sind inzwischen kaum technische Probleme, dafür persönliche, meist etwas hektische Gesprächsszenen mit unkoordinierten Bildern. Während die KünstlerInnen tendenziell fokussiert über ihre Arbeit sprechen, erhöht König mit abwegigen Fragen das Tempo. Mich kickt aber auch der voyeuristische Blick. Wie leben erfolgreiche KünstlerInnen, wie präsentieren sie sich privat oder im Atelier. Natürlich nutzt der Galerist diese Platform, um sich und seine KünstlerInnen zu promoten, nicht um privat zu plaudern. Auf Compte’s frage, wie es der Galerie zur Zeit gehe, sagt König, es gehe ok, er verkaufe zur Zeit nach Asien. „Aber Du kannst nix verkaufen, was Du nicht kommuniziert hast“. Und König ist eine Unterhaltungsmaschine. Ähnlich wie Harry Lybke. Compte dagegen ernst, das fand ich ganz schön.



BARBERINI MUSEUM POTSDAM 29. März 2020
Monet. Orte www.museum-barberini.com

+Das Barberini Museum bietet während dem Corona-Shutdown eine online Führung durch die Monet-Ausstellung an. Weil ich’s noch nicht in das rekonstruierte Palais geschafft habe, war ich neugierig, ob die mediale Übersetzung sich von den üblichen Fernsehdokumentationen abhebt. Zuerst scrollt man biografisch chronologisch über seine plein air Landschaftsgemälde in Frankreich und Venedig. Dabei finde ich immer wieder überzeugend, dass er als alter Mann nicht mehr zu den Landschaften reiste, sondern einen aufwändig gestalteten Garten anlegen liess, um zu malen. Dann der halbstündige Ausstellungsrundgang mit Kurator Zamani und Museumspädagogin Schmidt, die im Gespräch tolles Wissen auspacken und damit Monets Werke befeuern. Ich höre beiden gerne zu, bin bisweilen verblüfft über spannende Details und ähnlich wie bei realen Führungen, müsste man danach noch mal alleine gucken… Ist fein, aber nicht anders Kulturfernsehen.



BOCK JOHN 22. April 2020
Lecture spruethmagers, Instagram Live

+Bock sitzt in seinem aktuellen Filmset und erzählt - laut Ankündigung - die Bauerngeschichten No 3. Dummerweise kam ich etwas zu spät, habe darum den Anfang verpasst, und Bock bereits mitten in seiner Geschichte. Es geht um eine Schankwirtschaft und irgendwem wird natürlich irgendwas abgeschnitten und gleichzeitig wird fleissig weiter Köm bestellt und dann brät sich Bock mit dem Bunsenbrenner ein Ei, kippt irgendeine Flüssigkeit in ein Gebiss, fertig. Oh.
Schon.
Schade.
Will ich nochmal sehen, weil ich mag, wie der erzählt. Aber live is life, das ist ja das Schöne an diesem Instagram feature.



STEIN PETER 8. April 2020
Die Orestie des Aischylos, Teil 1 Coronaprogramm, www.schaubuehne.de

+Bin mit Jörg zum Theatergucken verabredet und habe mich auf eine langweilige Videoaufnahme eines 3 stündigen Theaterstücks aus den 80ern eingestellt. Aber ne, ist nicht öde. Ein fantastischer Demokratie-Chor, der mich an Beuys erinnert mit all seinen Echos und Einzelstimmen. Eine minimalistische Bühne aus raumgreifender Podesttreppe, angeschrägtem Holztisch mit Stühlen und weiteren einfachen Mitteln. Alles sehr grafisch. Tolle Schauspieler, tolle Regie, fantastische Texte, so zeitgenössisch wie selten was. Manchmal muss mir der Jörg die Handlung erklären, weil ich mir die griechische Mythologie immer wieder nicht merken kann, respektive nicht weiss, wer wer ist… Kassandra unter dem Leintuch weiss schon, was geschehen wird, Edith Clever flippt aus, und die Tonspur der Videokassette hallt vor und nach. Barbarensprache. Wir sind begeistert und schaffen’s fast bis zum Schluss.



MURO. 22. April 2020
Gerhard Murorichter Gleisdreieckpark, Graffiti Hall Of Fame, Berlin

+aaah, das ist ein bisschen lustig, dass da einer Gerhards Betty sprüht.