Kunst-, Künstlerbücher, Kunstbuch-Messen 2020

Vanessa Adler im Gespräch mit Barbara Buchmaier

2020:August // Barbara Buchmaier

Startseite > 08-2020 > Kunst-, Künstlerbücher, Kunstbuch-Messen 2020

08-2020

Barbara Buchmaier im Gespräch mit Vanessa Adler, Verlegerin und
Veranstalterin der „Friends with Books“ zum aktuellen Stand

Barbara Buchmaier: Liebe Vanessa, vor Kurzem ist die Leipziger Buchmesse aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt worden, mit großen Einbußen für die Buchbranche. Ich hoffe, deine Aktivitäten im Bereich Buch werden dadurch nicht direkt beeinträchtigt. Seit 2007 bist du mit „Argobooks“ Verlegerin im Bereich Kunstbuch, parallel dazu hast Du 2009 die Berliner Kunstbuch-Messe „Miss Read“ mitgegründet und 2014 dann die „Friends with Books“, die du bis heute mit der amerikanischen, in Kopenhagen ansässigen Kuratorin Savannah Gorton als Non-Profit-Organisation leitest. Letztes Jahr wurdest du dann neben 59 anderen Bewerbern mit dem von Kulturstaatsministerin Monika Grütters erstmalig ausgelobten „Deutschen Verlagspreis“ ausgezeichnet. Erst mal: Gratulation! Wie kam es denn dazu und für was nutzt du den mit 15.000 Euro dotierten Preis?

Vanessa Adler: Natürlich ist es für die Sichtbarkeit der Autoren und Verlage nicht gut, wenn ein solches Ereignis ausfällt, dann muss die Aufmerksamkeit über andere Kanäle generiert werden. Ein Preis ist eine Möglichkeit: Argobooks wurde von verschiedenen Seiten empfohlen, sich doch auf den ersten „Deutschen Verlagspreis“ zu bewerben. Der Preis hilft gerade den unabhängigen Verlagen, besondere Buch-Projekte zu realisieren und auf Messen vorzustellen. Gerade die kleinen Verlage können diese Unterstützung sehr gut gebrauchen. Bei Argobooks sollen durch das Preisgeld Bücher herausgegeben werden, die besonders viel Augenmerk brauchen, viel Zeit in Anspruch nehmen oder aufwändig gestaltet sind. Das sind Bücher von und mit in Berlin ansässigen und internationalen Autoren und Künstlerinnen, wie Merlijn Schoonenbooms Buch über kulturelle Identität und das Berliner Schloss oder eine Reihe von Künstlerbüchern der Fluxus-Künstlerin Ann Noël und ihres verstorbenen Mannes Emmet Williams. Oder zum Beispiel „Wer die Nachtigall stört“ von Harper Lee, ein Faksimile der Rowohlt-Ausgabe von 1968, die die Künstlerin Elizabeth Hoak-Doering während ihres Aufenthalts im Künstlerhaus Bethanien in der Bibliothek des Stasi-Gefängnisses Hohenschönhausen gefunden hat.

BB: Mit der von dir initiierten und verlegten „Karte der Berliner Buchläden“ (2018, in 2. Auflage 2019), in der 175 in Berlin ansässige Buchhandlung mit kurzer Profilbeschreibung eingezeichnet sind, hast du ein klares Statement für den stationären Buchhandel – und gegen Online-Riesen wie Amazon geliefert. Was hat dich dazu veranlasst?

VA: Die Karte der Berliner Buchläden soll den Schatz der großartigen, sehr engagiert arbeitenden und oft spezialisierten Buchhandlungen Berlins zeigen und würdigen. Auf der Karte dazu kann man wunderbar sehen, wo sich die Ballungszentren der Buchhandlungen in Berlin befinden, Charlottenburg, Kreuzberg sowie Prenzlauer Berg und Mitte sind da zu nennen, was mit der Geschichte Berlins als geteilter Stadt und den Standorten der Freien Universität im Süd-Westen und der Humboldt-Universität im Osten zu tun hat.

Die Karte folgt dem Modell der „London Bookshop Map“ und ist entstanden, weil ich es erstaunlich finde, wie wenige Menschen wissen, dass Amazon nicht nur den Buchhandel, sondern den kompletten Einzelhandel zerstört. Das kurze Gespräch mit oder die Empfehlung der Buchhändlerin oder dem Einzelhändler generell sind doch viel mehr Wert als der Link „Kunden kauften auch …“ Es geht auch um den Austausch über Literatur in den Buchläden, ein Kulturgut, das mit der Online-Bestellung bei Amazon verloren geht. Ganz abgesehen davon, dass der Verkehr in den Großstädten durch die vielen Lieferwagen, die in zweiter Reihe stehen und die Straßen verstopfen, komplett zum Erliegen kommt und die Arbeitsbedingungen der Kurierdienstauslieferer oft äußerst prekär sind. Daher finde ich es gerade jetzt wichtig, mit der Karte der Buchhandlungen ein Zeichen für den unabhängigen Buchhandel zu setzen und zu zeigen, wie viel mehr diese bieten, als Amazon es kann. Vor allem in dieser Zeit der Pandemie wird dies deutlich, wo Jeff Bezos 100.000 neue Mitarbeiter einstellen kann, während viele Buchhandlungern in ganz Deutschland schließen.

BB: Und wie nutzt du – wenn überhaupt – Amazon?

VA: Tatsächlich boykottiere ich Amazon privat komplett. Ich bestelle weder Bücher noch sonstige Artikel wie Kleidung oder Geräte über den Online-Riesen. Das Einzige, was man ja tun kann, ist Amazon als Recherche-Tool zu nutzen. Aber auch das geht besser anderswo. Viele Autorinnen und Künstler hingegen wünschen sich, dass ihr Buch im Verlag auch über Amazon zu bestellen ist. Deshalb stellt der Verlag auch Bild und Text dazu auf die Amazon-Plattform. Allerdings muss ich immer wieder erklären, dass Amazon kein Marketing-Tool ist, sondern ein Geschäftsmodell, das einen Mann immer reicher macht, die Buchhändlerinnen und -händler aber schwächt und zu Schließungen ihrer Läden führt.

BB: Im Rahmen der Recherche für die „Karte der Berliner Buchläden“ hattest du, wie berichtet, auch Kontakt zum Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Bundesverband Berlin-Brandenburg). Welche Erfahrungen haben sich da ergeben?

VA: Die Zusammenarbeit ist wichtig, weil die Berliner Zentrale des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels die Interessen der Berliner Buchhändler und Verlage gleichermaßen vertritt, dabei großartige Arbeit leistet, im Adress­buch die neu eröffneten Buchhandlungen verzeichnet, von Schließungen hört, sowie gegebenenfalls auch die Öffnungs­zeiten aktualisiert. Wir tauschen uns da kurz vor Drucklegung aus.

BB: Als langjährige Organisatorin und Leiterin von Messen im Bereich von Kunstpublikationen, welche Entwicklungen sind dir in den letzten Jahren in diesem Feld aufgefallen? Wie hat sich das Bewerber-Feld verändert? Und was kann man über die Besucherzahlen und die Nachfrage sagen?

VA: Seit der Gründung von „Miss Read“ 2009 – als die einzige Konkurrenz die „New York Art Book Fair“ im P.S.1 war – sind sehr viele Kunstbuchmessen dazugekommen. Im Herbst findet jedes Wochenende mindestens eine Buchmesse in einem Museum oder einer Kunst-Akademie statt. Die „Tokyo Art Book Fair“, die „Toronto Art Book Fair“, die „Vienna Art Book Fair“, die „Offprint Paris“. Das führt dazu, dass viele Verlegerinnen und Künstler gar nicht mehr reisen müssen, sondern die Bücher auf der Messe in der Heimatstadt zeigen. Einerseits zeigt diese Entwicklung, dass es ein großes Interesse am besonderen Buch gibt: Wir hatten vergangenes Jahr 10.000 Besucher und 200 Aussteller zu verzeichnen. Andererseits werden die Veranstaltungen tendenziell weniger international. Man könnte zu dem Ausstellungsformat „Verlage und Gestalter aus Berlin“, 2008 organisiert von Andreas Koch und Peter K. Koch, zurückkehren oder Präsentationsreihen wie „Info on Books“ (seit 2015 in der Bar Babette, inzwischen im Café Kosmetiksalon Babette im Kindl – Zentrum für zeitgenössische Kunst).

BB: Ende letzten Jahres wurde bekannt, dass die Kunstmesse „art berlin“ nicht mehr stattfinden wird, auch wegen mangelnder finanzieller und ideeller Unterstützung durch die Berliner Senatsverwaltungen. Wie und wo siehst Du die Zukunft von Messe-Veranstaltung im Kunstbuch-Bereich? Auf welche Förderungen konntet Ihr bisher zurückgreifen? Und welche Rolle spielt dabei möglicherweise auch die „Non-Profit“-Ausrichtung?

VA: Wir haben in den vergangenen Jahren Unterstützung durch den Berliner Senat, den Hauptstadtkulturfonds, das Bezirksamt Mitte und natürlich durch Botschaften der Länder, aus denen beteiligte Künstlerinnen und Künstler kamen, oder Pro Helvetia oder von Mondriaan Stichting erhalten. Wahrscheinlich auch gerade deshalb, weil wir nicht kommerziell orientiert sind, sondern als gemeinnütziger Verein Künstlerinnen und Künstler, Autorinnen und Autoren, die letztendlich die Protagonisten der unabhängigen Kunstverlage sind, unterstützen und für ihre Arbeit bezahlen, anstatt Standmiete zu verlangen. Vielleicht ist das der Weg? Die Kulturproduzenten selber zu schätzen und zu bezahlen, anstatt deren Verwerter?

BB: Wann und wo wird die nächste „Friends with Books“ stattfinden?

VA: Diesmal wird „Friends with Books“ am Ende des Jahres stattfinden. Es hat sich gezeigt, dass im September zu viele Veranstaltungen zur gleichen Zeit stattfinden. Noch dazu kaufen die Leute vor Weihnachten sehr gern Bücher. Der Termin hängt natürlich davon ab, inwieweit sich Covid-19 verbreitet und wie die Einschränkungen für Großveranstaltungen mit bis zu 10.000 Teilnehmern sind.

BB: Eine letzte Frage: Welche Zukunft siehst du im Bereich Kunst für das Format „E-Book“? Hast du in diese Richtung bereits etwas geplant – oder schwörst du allein auf das Print-Format?

VA: Tatsächlich sind es die Autoren und Künstler, die viel lieber ein analoges Buch als ein digitales Dokument produzieren möchten. Es ist noch nie eine Künstlerin oder ein Künstler auf mich zugekommen, die oder der unbedingt ein „E-Book“ machen wollte. Im Kunstbereich kommt es doch oft auf die Haptik an, es geht um die Gestaltung, das Format, die Papierqualität und die Drucktechnik, die die künstlerische Arbeit optimal präsentieren. Es bedeutet ja auch sehr viel Arbeit, Papierbeschaffenheit, Bindung und Druckqualität zu bestimmen, die Bildbearbeitung kommt hinzu, Probedrucke müssen erstellt und geprüft werden. Viele Menschen sind involviert, die Gestalterin, der Drucker, der Bildbearbeiter, die Buchbinder, die Bildredaktion, Rechte müssen geklärt werden etc. pp. Letztlich ist das Buch, wenn es gut gemacht ist, dann auch ein Objekt, ein kleines Kunstwerk, das viele Menschen, die sich für Kunst interessieren, auch „begreifen“, nach Hause tragen und besitzen möchten.

Aber es gibt durchaus Projekte, bei denen eine digitale Umsetzung Sinn macht. Daran arbeitet Argobooks parallel natürlich auch.

Das Gespräch wurde im Frühjahr 2020 geführt.