Gregor Schneider

Konrad Fischer

2009:Feb // Andreas Koch

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02-2009
















Nein, ich habe die Ausstellung nicht gesehen. Trotzdem schreibe ich darüber. Vielleicht weil ich letztes Sylvester mit meiner Freundin, meiner Schwiegermutter, deren Schwester und einer Kusine das erste Mal in meinem Leben Rommé gespielt habe und zwar in Mönchengladbach, nicht weit entfernt von Rheydt, einer protestantischen Nachbarstadt, die mit dem katholischen Gladbach eine nicht sonderlich harmonische Stadtehe führt. Obwohl beide Stadtteile recht ähnlich aussehen. Nirgendwo sonst habe ich so unterschiedliche Arten gesehen, Fenster zu verschließen. Zu den üblichen Plastikjalousien gibt es blickdichte Butzenfenster, alle Variationen von Gardinen mit Vorhängen, ein Haus hatte sogar Glasbausteine mit halb herunter gelassenem Rollladen. Ich schwör’s.

Mönchengladbach-Rheydt – da weiß mancher schon Bescheid. Dort stand Gregor Schneiders Haus Ur, also das berühmte Haus, das der Künstler von 1985–2001 ständig umbaute und durch immer neue Einbauten zur Skulptur umdefinierte, um es dann auszuweiden und in Venedig im deutschen Pavillon wieder aufzurichten. Zu recht gewann er damit den goldenen Löwen, es war der deutscheste aller Venedigpavillons, ein Labyrinth deutscher Befindlichkeiten. Allein das Treppenhaus, das einen zu allem weiteren führte, das Knarren der Stufen, der Geruch, das Licht – da war plötzlich das Rheinland in Venedig gelandet. Ich habe nichts gegen das Theatralische in der Bildenden Kunst. Und Gregor Schneiders Haus Ur bestätigte mich, dass diese theatralischen Werke oft die eindrücklichsten Arbeiten sind. Natürlich – denn sie überwältigen einen von allen Seiten und alle Sinne und sind dennoch anders als Theater oder Kino. Auch die besten Arbeiten von Olafur Eliasson gehören dazu. Man ist als Betrachter auf sich, seine Erinnerung, sein Erleben zurückgeworfen. Sieht sich sehen, fühlt sich Erleben. Das meine ich nicht so kitschig wie es klingt.

Nein, ich habe nichts gegen das Theatralische und so schaute ich mir in Mönchengladbach auf dem Abteiberg Schneiders Rieseninstallation END an. Obwohl mich meine Schwiegermutter und ihre Schwester warnten. Man muss in einen dunklen Gang und sieht nichts, gar nichts. Erst betritt man ein hausgroßes 14 × 14 Meter großes, schwarzes Entré, das nach innen konisch zuläuft und an Schneiders gescheitertes Blackcube/Kaabaprojekt erinnert, um dann in einen Tunnel abzubiegen. Alles schwarz, man hält die Hände nach vorn, damit man nicht auf die nächste Wand läuft.

Eine Art sensorische Deprivation, die einen auf die Räume weiter innen vorbereiten soll, ein echter Theatereffekt. Dann, plötzlich schwaches Licht, eine Lampe baumelt über einer lebensgroßen Puppe auf dem Boden, halb in einen Müllsack gesteckt, eine Erektion ist anmoduliert, fleckige Jeans. Da ist es wieder, denkt man, dieses merkwürdig Katholisch-Schwurbelige, diese Tod-Sünde-Sühne-Thematik, die Schneider immer wieder, sozusagen im Keller seines Werkes, zu solchen, sagen wir mal, Hobbyraumpornoaltar­skulpturen verleitet. Dabei ist die minimale Variante, also der Raufaser-, Heizkörper-, Plastikrollladendreiklang, so viel intensiver, gerade weil sie alle Abgründe schon beinhaltet, ohne sie explizit zu benennen.

 Ich habe die Ausstellung bei Konrad Fischer von Schneider wirklich nicht gesehen. Ich stand vor verschlossener Tür, eine Totaldeprivation, könnte man sagen. Dennoch gab es in der Ausstellung die minimalistische Variante, so hörte ich, einen Raum mit Strukturtapete und marmoriertem Linoleum, sogar einmal mit und einmal ohne Matratze. Und das gleiche verdoppelt so nochmal in einer Düsseldorfer Ausstellung, die ich natürlich auch nicht gesehen hatte, die aber eine Woche länger lief. Aber es gab scheinbar auch das Altarige, diesmal in Form einer schleimig-öligen, fast vaginalen Wandöffnung. Die Puppe soll diesmal ein Mädchen gewesen sein, auch unter Müllsäcken, so las ich.

Wenn das Theatrale in der Bildenden Kunst zum Bühnenschwank wird, dann habe ich doch etwas dagegen. Wenn Skulpturen plötzlich zu Akteuren werden, kippt das Ganze recht schnell in Richtung Geisterbahn. Das ist schade. Jemand der die Ausstellung sah, meinte, sie hätte sich schon damals in Venedig gefragt, wie es denn weitergehen könnte mit dem Werk von Schneider. Immer nur Räume bauen, geht ja auch nicht wirklich. Im Internet schaute ich mir den Film an, der während der Ausstellung lief. Verschiedene Einstellungen von Rollladenfenstern in Klinkerfassaden, dann folgt ein Zoom in eine menschenleere Dorfstraße. Er wirkt ein bisschen wie die studentische Vorarbeit zum Haus Ur. Wenn jemand aber sein Hauptwerk in jungen Jahren abliefert, kann das schon passieren, da braucht man Geduld.

Die fehlte jemand anderem, den ich fragte offenbar. Er meinte, für den Schneider hätte er ein eigenes Zimmer eingerichtet und abgeschlossen. Da säße dann der Schneider mit dem Florian Illies drin und die spielten Karten. Außer Mau-Mau fällt mir nur Rommé ein, das man zu zweit spielen kann.

Gregor Schneider „Doublings“
Konrad Fischer Galerie, Lindenstraße
10969 Berlin
28.11.–10.1.2009
Gregor Schneider „Zwillingstochter I“ (© 2008, Courtesy Konrad Fischer, Düsseldorf/Berlin)
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