Vanity Fairytales

2010:Feb // Elke Bohn

Startseite > Archiv > 02-2010 > Vanity Fairytales

02-2010
















Wir sehen den französischen Botschafter, die Gelegenheit beim Schopfe packend um im Zuge des Austauschwochenendes der Galerien, Berlin-Paris, Glanzpunkte französischen Wirtschaftens in seiner Botschaft aufzustellen.

Überraschend viele verschiedene Rennwagen, aus Platz- und anderen Gründen beschränkte man sich aufs Placement von Rallywagen, es stehen Citroen, Renault und Peugeot einträchtig nebeneinander, dergestalt, dass die sportlichen und deutlichen Wettkämpfe nunmehr auf Bildern und Abbildern dargestellt werden, aufgereiht, poliert und angestrahlt wie in einer echten Ausstellung im länglichen Gang zum Foyer, ein Airbus schwebt als Model an der Decke und – naturellement – wird literweise Champagner gereicht. Als Botschafter muss man umfangreich denken und dabei diplomatisch bleiben.

Zum Ende des Flures, im Foyer, direkt hinter dem Eingang, dem Eigentlichen am, na, Pariser Platz wurde eine besonders französische Galerie, Air de Paris, geladen, eine Lounge einrichten zu lassen, um auf auch geistig höherem Niveau abzuhängen. Die Macherinnen und Macher eben dieser setzten einen Titel, geschickt, VIVA CONTEMPLACTIVISSIMA und schrieben die Lounge unter ihren Künstlern aus. Ein Wettbewerb im besten sportlichen Sinne, die Umgebung in der Botschaft stärker reflektierend, als seine inhaltliche Gründung, das Austauschprogramm der Galerien. Als Siegerin da heraus entstieg Lily van der Stokker. Klar regten sich wieder ganz viele auf, dass es keine Französin ist, die während dieser Gasttage, auch noch in der entsprechenden Botschaft, und so weiter. Aber, das haben wir jüngst ja erst mit diesem einen Pavillon in Venedig durchexerziert, und der war neben den vielen unnötigen Kommentaren zum vergleichbar ähnlichen Thema wirklich schlecht. Manch andere Stimme raunt, dass ja klar war, dass die gewinnt, wo die doch immer Sofas mit ausstellt. Und, raunen andere zurück – der Franz West macht doch auch dauernd Möbel, und überhaupt müsse man froh sein, dass AdP nicht auch noch Herrn Rehberger vertreten, sonst hätte sich heuriges Venedig in Berlin wohl in mehreren Dimensionen wiederholt.

Van der Stokker ist nun eine Künstlerin, die kurioserweise in der Galerie, die ihr nun diese Bühne baute und einen Teppich ausrollt, wie er viel roter gar nicht sein hatte können, schon seit Jahren, die zu zählen die Möglichkeiten einer Hand gar merklich übersteigt, keine Ausstellung mehr hatte realisieren müssen.

Und in der Tat gab es Sofas von ihr zu sehen, aber beileibe nicht irgendwelche. Es muss schlicht und ergreifend weiter ausgeholt werden: Die Sitzmöbel sind mit ungewöhnlich weichen Stoffen überzogen, von wahren Kennern als Homage an die weichen Autositze französischer Serienwagen erkannt und goutiert. Diese Stoffe sind in all jenen Farben gehalten, die im französischen Weinbau vorkommen, von grünlich schimmernden Bernstein-Nuancen eines recht sanften Chardonnay, hin zum wild, tief und blutrot brodelndem Dunkel eines donnernden Burgunder. Auch hier drang die Botschaft, die versteckte, schnell nur wahren Kennern ins Mark. Schneller ging es da schon mit ihrer Wandarbeit, in der sie den französischen Impressionisten Gaugin interpretierte, und das kunshistorisch höchst virtuos. Man muss sich vorstellen: Sie jagt verschiedene Gaugin Gemälde durch ihr Photoshop, und spaltet sie in die Farbkanäle Rot, Grün und Blau – die Farben der additiven Farbmischung, wie es besonders gut ja auch unser Auge kann und die die Impressionisten schon auf der Leinwand zu realisieren in der Lage waren. Nun projiziert sie die einzelnen Farbkanäle auf die Wände der Botschaft, und sprüht die Farbe, eigentlich in bester Chuck Close Manier darauf. Doch ist es nicht einfache Farbe, vielmehr gefärbter Putz, der auf die pitschnass geweichte Wand trifft, und ein Fresco entstehen lässt. Das erkennen einige etliche Bildungsbürger, viele Architekturstudenten und noch mehr Kunstlehrer, die sich – vormittags – mit ihren Klassen hierher verirren, was vielleicht der agilen Pressearbeit der Botschaft und ihrer vielen Helfer geschuldet, manche sagen: zu verdanken, ist. Alle haben ihren Spaß hier, die Wichtigen und sehr Wichtigen, die entweder mit Begleitung oder auch verkauften, und für die anderen gab’s Köstlichkeiten und Kleinigkeiten, allesamt aus Frankreich, bis auf den Kaffee, der einige, wenige zwar, Stimmen von Re-Kolonialisierungsphantasmen sehr kurz zwar nur, sehr laut dafür werden lässt. Auch freudig gelaunt ist Frau van der Stokker, was nicht verwundert, bei dem Spagat, mit dem sie nicht zwischen den Stühlen sitzt. Manchem Kritiker zeigt ihre Arbeit ja die lange Nase; die, die wegen der Kunst kamen, die haben sich gefreut.

Montage (© von hundert)
Microtime für Seitenaufbau: 1.22259402275