Albert Speers Großbelastungskörper

Tempelhof

2008:Feb // Kai Vöckler

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02-2008
















Eine der bemerkenswertesten Baukunstwerke Berlins ist eigentlich keins, sondern nur ein technisches Bauwerk, ein Versuchsaufbau, der für eine kommende Architektur den Weg – oder besser den Grund – bereiten sollte. Als ein Stellvertreter des noch zu errichtenden Bauwerks steht es noch heute, als Ruine des Bauvorhabens. Dass Bauvorhaben steckenbleiben oder nicht zur Vollendung gelangen ist nicht ungewöhnlich in Berlin, dass sie aber erst gar nicht beginnen und zugleich aber auch nicht mehr zu beenden sind, ist doch auffallend. Bauvorgängen innerhalb von Städten geht zumeist der Abriss des Bestehenden voraus. Auch die Planung zu „Germania“, der künftigen Hauptstadt des nationalsozialistischen Weltreiches, produzierte Ruinen. Berlin als Welthauptstadt sollte nach Adolf Hitlers Vorstellung neugestaltet und nach Fertigstellung der Bauvorhaben anlässlich einer Weltausstellung im Jahre 1950 umgetauft werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde 1937 der „Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Berlin (gbi)“ eingerichtet, eine staatliche Planungsbehörde, deren Chef Albert Speer war. Diese für alle größeren Bauvorhaben zuständige Behörde realisierte einige Planungen, deren bekannteste der Großflughafen Tempelhof (Architekt: Erich Sagebiel) oder das Reichssportfeld (Architekt: Werner March) sind. Ihr eigentliches Ziel aber war die Schaffung von Repräsentationsbauten für die künftige Haupstadt des großgermanischen Reiches, deren vorgesehenen Dimensionen die realisierten Bauten vergleichsweise unbedeutend erscheinen lassen. So sollte die geplante monumentale Staats- und Parteiarchitektur ihren Höhepunkt in einem „Triumphbogen“ mit einer Höhe von 117 Metern und einer Breite von 170 Metern und einer „Großen Halle“ mit einem Durchmesser von 250 Metern und einer Höhe von 220 Metern finden.

Da Hitler der Auffassung war, dass an große Epochen der Geschichte nur monumentale Bauwerke in einer dauerhaften Ausführung erinnern, galt es „steinerne Geschichtszeugen zu schaffen“, die dem „tausendjährigen Anspruch“ genüge tun. Speer entwickelte dazu eine sogenannte „Ruinenwerttheorie“, für die die Vorstellung bestimmend war, dass nach dem Ende des tausendjährigen Reiches diese Bauten, wie die Ruinen der Antike, von der „Größe“ des Nationalsozialismus Zeugnis ablegen würden. Diese unangenehm sentimentale Sicht auf das eigene Schaffen fand Hitlers begeisterte Zustimmung, der dies als „Ruinengesetz“ festgeschrieben wünschte.

Die Vorarbeiten zur Neugestaltung Berlins begannen 1938 mit dem Abriss von Häusern und den Untersuchungen des Baugrundes. Ganze Straßenzüge wurden beseitigt um Platz für die geplanten Neubauten zu schaffen. Die Bautätigkeit der gbi bestand hauptsächlich im Ruinieren des Berliner Stadtbildes. Da die üblichen Methoden Speer zu lange dauerten, favorisierte er ab 1940 Sprengungen. Diese neuartige Abrissmethode fand nach seiner Ernennung zum Rüstungsminister einen sarkastischen Kommentar durch einen der Abteilungsleiter der gbi, der in einer Karikatur eine Kanone die geplante Nord-Süd-Achse durch Berlin schießen lässt. Dies trifft ungewollt den Kern der Planung. Der Anspruch auf Weltherrschaft, den die geplanten Bauten der Welthaupstadt „Germania“ repräsentieren sollten, hatte den Krieg als Voraussetzung und zog als logische Folge das Bombardement der gegnerischen Luftstreitkräfte nach sich. Die Kriegszerstörungen wurden von der gbi als „wertvolle Vorarbeit für Zwecke der Neugestaltung“ durchaus gewürdigt. Hier zeigt sich der Gehalt der „Ruinenwerttheorie“ Albert Speers, denn in dieser verdrehten Sicht war es gleichgültig, ob die Freiräume für das megalomane Bauvorhaben durch die Sprengungen des Generalbauinspektors oder durch kriegs­bedingte Zerstörungen geschaffen wurden.

Speer ließ 1941 einen sogenannten Großbelastungskörper auf dem Gelände des künftigen „Triumphbogens“ errichten. Dessen geplanten, gewaltigen Ausmaße erforderte eine Prüfung der Tragfähigkeit des Untergrundes. Daher wurde ein Druckkörper aus Beton mit einem Durchmesser von mehr als zehn Metern und einem Gewicht von über 12.000 Tonnen errichtet. Und dieser ist „das einzige verbliebene Zeugnis“ der großherrlichen Planung, so Speer in seinen Erinnerungen. Die Betonruine drückt buchstäblich den Wert des Speerschen Bauvorhabens in ihrer stumpfsinnigen Massivität aus. Da die mechanische Beseitigung zu zeit- und kostenintensiv wäre und eine Sprengung nicht möglich ist, wird dieses Zeugnis der „Größe“ des tausendjährigen Reiches noch lange als Druckstelle im kollektiven Gedächtnis erhalten bleiben: ein langsam vor sich hin bröckelnder Betonklotz, der auf dem märkischen Sand lastet und der immer noch Millimeter um Millimeter einsinken wird, wenn Berlin bereits verschwunden ist.
Großbelastungskörper (1941) (© Kai Vöckler)
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