Wynne Greenwood

Susanne Vielmetter

2007:Mar // Vera Tollmann

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04-2007
















Mit Live-Schaltungen will uns das Fernsehen immer von der Unmittelbarkeit der Ereignisse überzeugen, der ungefilterten Informationsübertragung. Nur ist es evident, dass dieses angebliche Live-Berichten vom Ereignis natürlich nie vertrauenswürdig sein kann, denn auch da wird interpretiert, selektiert, und infolgedessen das Ereignis gemacht.

Ende Februar eröffnete die Galerie Susanne Vielmetter aus Los Angeles ihren mit strategischem Understatement ‚Berlin Projects‘ benannten Galerieraum im alten Lager ihrer Nachbargalerie carlier/gebauer. Im polierten White Cube sollen über ein halbes Jahr hinweg Künstler und Künstlerinnen der Galerie vorgestellt werden – den Anfang macht die New Yorker Videokünstlerin Wynne Greenwood, auch bekannt als Konzeptband „Tracy and the Plastics“, in der sie alle Bandmitglieder darstellte. 

Etwas dekorativ auf dem weißen Schreib- und Empfangstisch der Galerie hingerückt, steht ein silbriger Flatscreen-Monitor, auf dem die clevere Videoarbeit „New Report Chelsea“ zu sehen ist, die Greenwood zusammen mit der Filmemacherin k 8 Hardy produziert hat (wie auch schon einen ersten Teil, der an us-amerikanischen Unorten spielt, und die neuste Episode „New Report London“). Für die Videoserie eignen sich Greenwood und Hardy das Format Live-Berichterstattung und dessen inhärente Eigenschaft der Ereignisproduktion als narrativen Rahmen an, um mit affirmativ überzogenen Mitteln Kritik am Kunstsystem und gesellschaftlichen Normen zu formulieren und Politik für unterrepräsentierte Themen zu machen: Sie treten unter den anspielungsreichen Namen Henry Stein-Acker-Hill (Gertrude Stein, Cathy Acker) und Henry Irigaray (Luce Irigaray) als Studiomoderatorin und on-site-Korrespondentin eines feministischen Nachrichtensenders namens wkrh auf. In der Chelsea-Version, die als öffentliche Performance angekündigt war, sucht Henry Irigaray in den Mülltonnen von Chelsea nach Bildern, die eine Künstlerin weggeworfen haben soll und findet Leinwände, die mit politischen Slogans bemalt sind. Anschliessend fragen sie: Wer entscheidet wie über den Wert eines Kunstwerkes? Ihre pragmatische Kriterienliste lautet: background, colour, figure, sex, race, gender, education. Und vermutlich verhält es sich genau so. Die improvisiert wirkende Aufmachung des Videos hat Konzept: Split-Screen-Bilder in poppigem Design mit Frauenzeichen, Baskenmützen, wie sie Patricia Hearst trug, Mikros mit übergroßem, selbst zugeschnittenen Schaumstoffüberzug sind alles Zeichen, die politischen Aktivismus, Feminismus und das Medium Fernsehen karikieren. Das Video begeistert aber nicht nur mit materiellen Referenzen, sondern nimmt sich auch das typische Gerede von Live-Reportern vor, indem sie direkt („this is really emotional for me“) oder in leeren Aussagen („someone saw someone“) sprechen und damit die immer vorhandene Beliebigkeit und Machtdemonstration in der Nennung von unbekannten Namen und Orten zu unterlaufen.

Wie in New Report, greift Wynne Greenwood auch in ihren Einzelarbeiten, die im hinteren Galerieraum ausgestellt werden, zwar typische Gegenstände feministischer Kunst auf, verwendet aber ihre eigene Person um den Schwebezustand zwischen Zuschreibungen und Wünschen als lesbische Künstlerin zu illustrieren. An der Wand hängt ein Video-still, auf dem sie zwei schwarze Sonnenbrillen trägt, eine vor den Augen und eine vor der Stirn – Ich ist ein Anderer, wie das berühmte Rimbaud-Zitat sagt – und mimt die coole Künstlerin.

In der Videoinstallation „Peas“ wird noch auf andere Weise deutlich, warum Greenwood zwei Sonnenbrillen trägt: Die Öffentlichkeit muss auf Distanz gehalten werden. „Peas“ besteht aus zwei Figuren, einer Pappfigur und einer Videoprojektion von Wynne Greenwood. Der Pappkörper mit rot angemalter Hose liegt im Raum und anstelle der Schamhaare ist ein Videobild collagiert. Darauf sind die Schamhaare einer Frau, um die herum viele bunte „Erbsengesichter“ – die Erbse als Karikatur des Bürgerlichen – gezeichnet sind. Den Kopf repräsentiert die Videoprojektion, die wiederum Greenwood zeigt, die sich mit Gesicht streitet, das sie auf ihren Bauch gezeichnet hat: „What’s your problem?“ „You jerk!“. Der Bauch spricht für kopfgemachte Ängste und Unbehagen. Für Greenwood ist die doppelte Persönlichkeit, verpackt in selbstgemachter Redundanz – ein Ausweg aus gesellschaftlichen Zuschreibungen. Damit kritisiert sie gleichzeitig den Körper als Basis weiblicher Identität.

Wynne Greenwood „Peas“
Susanne Vielmetter Berlin Projects
Holzmarktstraße 15/18
24.2.–7.4.2007
Wynne Greenwood, Courtesy of Susanne Vielmetter Los Angeles Projects (© Foto: Evy Schubert)
Wynne Greenwood, Courtesy of Susanne Vielmetter Los Angeles Projects (© Foto: Evy Schubert)
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