Roman Signer

Hamburger Bahnhof

2008:Feb // Peter K. Koch

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02-2008











Wenn ich an die sensible wie präzise Arbeit des mittlerweile 69-jährigen Schweizers Roman Signer denke, dann immer zuerst an die bemerkenswerte temporäre Installation „Engpass“, die er im Jahr 2000 für das sich zu dieser Zeit in einer Umstrukturierungsphase befindliche und teils noch unbebaute Gebiet des Hamburger Hafens geschaffen hat.

Diese Arbeit bestand aus zwei Betonwänden und einem Auto. Die Betonwände, vielleicht drei Meter hoch und ungefähr zehn Meter lang, waren trichterartig aufeinander zulaufend in unmittelbarer Nähe der Wasserkante fest im Boden verankert. Die schmale Öffnung zeigte zur Wasserkante und war an der engsten Stelle vielleicht noch einen Meter fünfzig breit. In diese architektonische Versuchsanordnung hatte dann ein professioneller Stuntman das Auto (hellblau, Marke unbekannt) mit so hoher Geschwindigkeit hineingelenkt und, soweit mir bekannt ist, vorher verlassen, dass das Fahrzeug nun vollkommen zerquetscht, (ich würde sagen: mit Totalschaden) zwischen den beiden Betonwänden klebte, vorne sogar ein Stück heraus ragte; die Türen waren nicht mehr zu öffnen. Ein großer Augenblick für diesen nackten Ort.

In dieser Arbeit kulminiert, was das künstlerische Schaffen des Schweizers ausmacht. Hier bündelt er mit der ihm eigenen eidgenössischen Präzision eine fehlgeleitete und aus ihrer Bedingtheit befreite physikalische Kraft so, dass in der Verbindung mit zusätzlich assoziierbaren Faktoren (Straße, Auto, Hafen, Rand, Wasser, Wand) ein spezifischer Humor entsteht. Signers Humor ist kryptisch, verschroben, verspielt. Aber in der Hauptsache ist er anarchisch. Der Schlüssel zum Erfolg ist die vereinzelte absurde Handlung. So ist Signers im Laufe der Jahrzehnte entstandenes Œuvre angefüllt mit Spreng-, Wasser-, Fall-, Wurf-, Brand- und Schussexperimenten. Bei seinen Aktionen – denn Performances möchte man es nicht nennen – entstehen dokumentarisch anmutende Fotos oder Videos. Sofern ein Protagonist zu sehen ist, so heißt dieser ausnahmslos: Roman Signer.

Im Hamburger Bahnhof nun eine gefühlte Retrospektive, bestückt mit Werken aus der Flick-Sammlung und diversen Leihgaben. Zu sehen ist alles, was Signer kann und natürlich all das, was er nicht kann. Man erkennt schnell, dass es Roman Signer insgesamt nicht anders ergeht als fast allen Künstlern, die sich auf ein inhaltlich sehr begrenztes Feld begeben. Ab einem gewissen Zeitpunkt droht Wiederholung und Self-sampling des eigenen Werkes. Das ist zwar bedauerlich, aber kein Beinbruch. Das haben schon ganz andere Figuren der Kunstgeschichte ganz genauso gemacht und die finden wir trotzdem klasse.

Ärgerlich allein war die Art und Weise der Präsentation. Beim Betreten des zentralen Ausstellungsraums hatte man ziemlich schnell dieses Gefühl, das man in der Sammlung Flick leider sehr oft hat, nämlich dass die Verantwortlichen des Hauses das Ausstellungsmachen insgesamt als Wettrüsten verstehen. So geht es offensichtlich eher um Masse und Größe, als um Sensibilität und Einfühlungsvermögen für die einzelne Arbeit. Im Hauptraum waren so viele Exponate in einer so wahllosen Art und Weise platziert, dass man erschrecken konnte. Eine Halle voller chancenloser Arbeiten. An der Wand im Gang die Dokumentationsfotos von nahezu hundert Aktionen. Im Untergeschoss gefühlte tausend Videos. Was soll das? Warum lässt sich hier ein derart einflussreicher Künstler so missbrauchen? Wo ist das notwendige Verständnis und die feine Behutsamkeit, die es braucht, damit eine Signer-Arbeit ihre singuläre Stärke entfalten kann? Die wichtigste Frage aber lautet: Warum hat der Künstler, der ja am Aufbau beteiligt gewesen ist, das nur zugelassen? Aus Eitelkeit? Eine grobe Ausstellung. In der Sammlung Flick keine Seltenheit. Einziger Lichtblick des Eröffnungsabends: Auf dem Weg zum Klo sehe ich im Vorbeigehen eine wunderbar archaisch anmutende zweiteilige schwarzweiße Fotoarbeit von Paul McCarthy, die den Luxus genießt, alleine an einer großartig einsamen Wand zu hängen und so ihre ganze Größe entfaltet. Gehörte aber leider zu einer anderen Ausstellung.
 
Roman Signer
Hamburger Bahnhof
Invalidenstraße 50‒51
30.9.07‒27.1.08 
Roman Signer, „Engpass 02“ (Ausschnitt), 2000 (© Courtesy of the artists)
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