Molzberger, Sudbrack

After the butcher

2010:Feb // Wayra Schübel

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02-2010








Die „von hundert“-Ausgabe 11/2009 berichtete über die Ausstellung „Out of Control“, in der Thomas Kilpper den Linoleumboden des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit zu einem riesigen Druckstock umgewandelt hatte. Er war es auch, der im Frühjahr 2009 den Leuchtturm für afrikanische Flüchtlinge in Lampedusa konzipierte. Zusammen mit Franziska Böhmer betreibt er seit vier Jahren in der Spittastraße 25 den Projektraum „After-the-Butcher“, in dem Gebiet um die Pfarrstraße, das auch gerne das „Prenzlauer Berg Lichtenbergs“ genannt wird.

Dort hat Jan Molzberger zusammen mit Eli Sudbrack über 60 Künstler zur Ausstellung „Hüttendong“ zusammengetrommelt. Zur Finissage wurde unter anderem „Happy animation with Bob Ross“ von Judy Ross gezeigt. Das ist einer von vier Kurzfilmen, der 2006 in Zusammenarbeit von insgesamt vier Leuten in vier Tagen entstanden ist, und stellt eine gelungene Persiflage auf das Imperium der Bob Ross Foundation (Bob Ross ist der Mallehrer aus dem Fernsehen) dar: Mit stets lächelnder Erhabenheit meint Judy Ross, dass nicht nur jeder so malen lernen kann wie er, mit der nötigen Behaarlichkeit, in Form einer Perücke, ist es sogar möglich wie er auszusehen. Der Kern der Aussage, der dabei ebenfalls ad absurdum geführt wird, ist der, dass in jedem Menschen ein Künstler steckt, eine Aussage, die Ross seinen Zuschauern stets vermittelt, ohne jemals in die Nähe eines ideologischen Diskurses zu geraten. Judy Ross hingegen vermittelt in diesem Kurzfilm zwar, dass die Annäherung an das Können eines Idols lediglich eine Frage des Standpunktes sei, und somit für Jedermann erreichbar, in ihrem Falle ergibt der Sachverhalt, zufällig den originären Markennachnamen zu tragen, die klare Grenzziehung zwischen Zuschauer und der Predigt, zwischen dem Künstler und der Suggestion selber auch dazugehören zu dürfen. Es existiert höchstens ein zweites, selbsternanntes Duplikat – der Wille zum Klon mutieren zu wollen, führt alle anderen direkt zu dem Trugschluss, mehr sein zu können als ein seelenloses Abbild.

Ähnliche Impulse gehen auch von der Kooperation zwischen den Künstler-Kuratoren Jan Molzberger und Eli Sudbrack aus. Beiden Künstlern ist die Vernarrtheit in überbordende Raumkonstruktionen, exzessive Materialverbauung und das Experimentieren mit Lichtelementen gemein. Sowie auch das Verschieben der Eröffnungen in einen Bereich, der stark an elektronische Clubkultur erinnert: Laute Musik sowie jede Menge konstruierte Spielfläche lassen den Besuchern die Wahl, als Darsteller eine Bühne zu betreten oder dem bunten Treiben aus sicherer Distanz beiwohnen zu können.

Es ist allerdings auch genau dieser Grenzbereich aus dem Bereich der Kunst heraus zum populärkulturellen Happening hin, der diese Veranstaltungen als solche dann auch umso kostbarer macht: Nicht nur wegen der herrschenden Ausgelassenheit und Unverkrampftheit, sondern vor allem, weil eine Fülle sinnlicher wie auch intellektueller Forderungen im unkontrollierbaren Bereich der Improvisation stattfinden. Neben dem Bereich der Clubkultur passiert hier ebenso deutlich eine Grenzüberschreitung in Richtung Tanz- bzw. performatives Theater, so dass die Dichte an Eindrücken den Rahmen sprengen. Der titelstiftende ‚Dong‘ war tatsächlich spürbar.

Diejenigen, die Molzbergers Arbeiten bereits erlebt haben, wissen, dass er mit einer ganz eigenen installativen Orchestrierung ein sehr humorvolles Gesamtergebnis erzeugt. So wurde beispielsweise Brot und Butter gereicht, da zeitgleich in Berlin auch die Fashion Week stattfand.

Die Zusammenarbeit all dieser Künstler hat den entscheidenden Vorteil, dass stets genügend Akteure vor Ort einen unendlichen Fundus von Ideen und Einfällen sofort umsetzen können. So die Idee des Experiments: Molzberger selbst sagt dazu „Meine Arbeit hört nicht bei meiner Arbeit auf. Mit Eli haben wir zusammen eine Vertrauensmaschine angeschmissen, mit der Gewissheit, dass etwas Funktionierendes dabei herauskommt, wenn man improvisiert“.

Etliche Male fanden sich im Labyrinth der zusammengezimmerten Flure und Kabinen mit schwarzem Stift die Aufforderung „Remember to forget“, und damit immer wieder der suggestive Reiz, dass innerhalb dieser Räume zwar ein Gruppenzwang für Zwangsindividualisten angeboten wurde, dass es aber doch die Befreiung vom eigenen Standpunkt war, die aus der Ausstellungsfeier ein rauschendes Fest machte.

So ist das Experiment gelungen, in dem Grenzen gezogen, Blickwinkel verschoben und die Wertigkeit des Individuums wie das der Gruppe auf die Waage gelegt wurden. Mein persönliches Ergebnis: Das für mich einleuchtendste Spannungspotential liegt immer noch im Übertreten einer imaginär gezogenen Grenze. In diesem Falle die der Emerging Art.

Jan Molzberger, Eli Sudbrack „Hüttendong“
After the butcher
Spittastraße 25
10317 Berlin
14.11.2009–3.01.2010

Ausstellungsansicht „Hüttendong“, After the butcher (© Foto: Wayra Schübel)
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