Ho Tzu Nyen

Sparwasser HQ

2007:Mar // Julia Gwendolyn Schneider

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04-2007
















Die letzten Bildsequenzen von Ho Tzu Nyens Videoarbeit „The Bohemian Rhapsody Project“ führen durch das repräsentative Treppenhaus des ehemaligen obersten Gerichts von Singapur – zurück zu der riesigen säulenflankierten Freitreppe am Hauseingang, die den Blick auf eine gegen­überliegende Rasenfläche eröffnet. Dieser „Abspann“ bringt für einen Moment das Gefühl der feuchtwarmen Luft zurück, die mich im November 2006 auf eben dieser Freitreppe empfangen hatte, als ich das Gebäude, in dem 29 Arbeiten der Singapur Biennale ausgestellt wurden, verlies. Tatsächlich sitze ich aber im verdunkelten Ausstellungsraum der Galerie Sparwasser hq auf der Torstrasse und lasse mich von meinem Daunenmantel richtig temperieren. Das funktioniert wesentlich besser als der Einsatz der Klimaanlagen in den Ausstellungsräumen in Singapur, der durch unvorhergesehene Kälte das Verweilen erschwerte. Davon abgesehen hat der Berliner Ausstellungskontext zusätzlich den Vorteil, dass „Bohemian Rhapsody“ hier nicht Teil eines Biennale Marathons ist, sondern einzeln vorgeführt wird, also genug Zeit für eine vollständige Betrachtung dieser zeitbasierten Arbeit bleibt.

In Berlin eröffnet Hos Werk „The Glowing Whistle Festival“ von Sparwasser hq. Die Arbeit des Künstlers aus Singapur wird dadurch in einem Kontext gezeigt, bei dem es darum geht, einen Blick auf verschiedene künstlerische Positionen innerhalb von Performance und anderen „Bühnenstücken“ zu lenken und danach zu fragen, in welchem Rahmen der Ausstellungsraum als Bühne benutzt werden kann. Hos digitale Videoarbeit ist ein solches „Bühnenstück“, wobei es sich um ein popmusikbasiertes Gerichtsdrama handelt, dessen gesprochener und gesungener Dialog sich vollständig aus den Liedzeilen von Queens Hit „Bohemian Rhapsody“ aus dem Jahre 1975 zusammensetzt. Ho baut die gesamte Kulisse für seinen Film auf dem Text dieses Liedes auf und zweckentfremdet dabei ein Stück der globalen Popkulturgeschichte. Er übernimmt zwar formal die Dreiteilung des epischen Songs, bricht aber die Synchronität von Bild und Ton und verfährt auch sonst mit dem berühmten Song wie es ihm beliebt. Zu „Anyway the wind blows“ wird ein Ventilator ins Bild gehalten und ein zentrales musikalisches Motiv verschafft sich als Handyklingelton der Mutter des Angeklagten Gehör. Zudem wird nicht die Gerichtsverhandlung eines Individuums, sondern einer Gruppe junger Männer chinesischer oder malaiischer Abstammung vorgeführt. Alle singen: „I’m just a poor boy from a poor family“ und „too late, my time has come“ und verwirren die Betrachter, weil sie ohne Vorwarnung ausgewechselt werden und so nicht das bekannte Identifikationsmuster eines einzelnen Ich-Erzählers zur Verfügung stellen. Hos Angaben nach handelt es sich bei den Aufnahmen der jungen Schauspieler um Sequenzen aus deren Castings für die Mitarbeit in diesem Projekt. „Bohemina Rhapsody“ spielt so auf ihre Vorgeschichte an und reflektiert zugleich durch den Einsatz von drei Kameras, die sich selber beim Akt des Filmens zusehen den eigenen Schaffensprozess.

Die Arbeit ist aber nicht nur selbstreflexiv, sondern auch ortspezifisch. Zum ersten Mal wurde sie an dem Ort, an dem sie entstanden ist, gezeigt: in einem Gerichtssaal des ehemaligen obersten Gerichts in Singapur, das eine schreckliche Rolle in Bezug auf den Tod vieler Menschen hatte und spielt nach, was sich an solch einem Ort normalerweise abspielt. Auf eine theatralisch zugespitzte Art macht der Regisseur dabei auf das Thema der Anklage und Urteilssprechung aufmerksam, dass in einem Land wie Singapur, in dem ein strenges System der Todesstrafe existiert, eine besondere Relevanz hat. Hos Arbeit thematisiert in Form eines Musicals die Gerichtsverfahren von jungen Männern, denen die Todesstrafe bevorsteht und ist dabei eng mit der sozialen und kulturellen Geschichte Singapurs verbunden. Dadurch, dass der Betrachter am Ende des Videos wieder vor die Tür begleitet wird, wird die Frage von Verbrechen und Verurteilung aber auch in die Welt hinausgetragen. Es ist dieser globale Gestus und die filmisch absolut gelungene Verarbeitung von Queens bekanntem Song, die „The Boheminan Rhapsody Project“ unabhängig vom Entstehungsort zu einem sehenswerten Erlebnis machen.

Ho Tzu Nyen „The Bohemian Rhapsody Project“
Sparwasser HQ
Torstraße 161
13.1.–17.2.2007

Ho Tzu Nyen, „The Bohemian Rhapsody Project“ (© Courtesy Sparwasser HQ)
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