Über die Ausstellung Based in Berlin

/Bräsig in Berlin

2011:Aug // Peter K. Koch

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07-2011











Die möglicherweise interessanteste Arbeit des Monbijouparkgebäudes entdeckt man erst so richtig, wenn man in der Dämmerung schlaff und enttäuscht das Gelände Richtung Safer-Sex-G8-Tourismus verlässt, sich fragend, warum die Stadt jetzt auch noch eine der letzten Charme-Ecken durchsanieren will und Berlin einfach immer langweiliger und langweiliger wird. Schaut man sich dann verzweifelt um, sieht man die sich klaffend öffnende Stirnseite des Gebäudes. Zwei Wände komplett entfernt. Das Neon brennt von der Decke. Raum ohne Sinn. Wunde ohne Verband. Nicht mehr innen, noch nicht außen. Ein Zwischenzustand. Vorstufe des Abrisses oder noch Teil der Ausstellung? Eine schlichte und intelligente Arbeit von Mandla Reuter, der entschlossen in den Ort hineingreift. Dass der abgetragene Schutt säuberlich verpackt in Müllsäcken an einem anderen Ort (NBK) zu sehen ist, das interessiert mich dann gar nicht mehr. Reicht auch so.

Die Ausstellung hat es ja auch nicht leicht. War als „Leistungsschau“ der Berliner Kunst ausgerufen worden (der Begriff ist in der Eröffnungsrede von Wowereit ja noch mal aufgegriffen worden, was Biesenbach, glaube ich, etwas angefressen zur Kenntnis genommen hat) und kann deswegen im Grunde genommen nur scheitern. Der Begriff ist einfach so dämlich, das wird eine Veranstaltung nicht mehr los. Aber das ist ja schon hinreichend besprochen worden. Schwamm drüber. Ist ja dann alles ganz anders geworden im Laufe der Zeit. Die programmatische Konzentration oder soll ich besser sagen: der inhaltliche Fokus oder noch besser: das Auswahlkriterium, das war ja dann plötzlich ein anderes als ursprünglich angekündigt. Es ging nun mehr um die junge Generation, man sollte so um die 30 sein, schon mal was gemacht haben, aber noch nicht berühmt sein. So habe ich das jedenfalls gehört. Mich würde in diesem Zusammenhang doch wahnsinnig interessieren, ob auch nur ein einziger Künstler auf der Liste steht, der seine Mappe an das Kuratorenteam geschickt hat. Denn das sollte man doch anfangs tun, sich bewerben, initiativ werden. Sei Berlin, sei Mappe. Auch das leider eine nicht unbedingt glückliche Idee, die ich aus kuratorischer Sicht auch etwas zynisch finde. Künstlern wird Hoffnung gemacht, obwohl es für sie eigentlich hoffnungslos ist. Das ist schief. Und kann auch gar nicht funktionieren. Denn seien wir mal ehrlich: wer schickt denn da unter diesen Umständen was hin? Also, steht da jemand auf der Liste, der sich beworben hat?

Also stand das Kuratorenteam und das Kuratorenberaterteam, mich würde überhaupt mal brennend interessieren, warum ein Team aus fünf Kuratoren noch ein Kuratorenberaterteam aus drei Personen braucht, können die das nicht alleine und wenn nein, warum sucht man keine Kuratoren, die es alleine können? Na egal, also stand das A-Team und das B-Team wahrscheinlich mit einem Haufen stümperhafter Mittelklassekünstlermappen in der Hand da und so kam es zum Strategiewechsel. Die Kuratoren haben sich dann umgeschaut, haben sich dann untereinander beraten und sich anschließend vom Beraterteam beraten lassen und herausgekommen ist dann leider nur ein mittlerer Sprung, ein bisschen ein Murks vielleicht sogar. Wir sprechen hier immerhin über eine Veranstaltung, die mit dem Jahresetat eines mittelgroßen deutschen Museums hantiert.

Aber vielleicht das Positive vorab: toller Raum, super Beleuchtung. Stimmt leider nicht ganz. Aber den schwarzen langen Tisch im Garten vom Monbijouparkgebäude, den fand ich wirklich klasse, sogar im Dunkeln sah das Essen noch so gut darauf aus, dass man fast vergessen konnte, was es war. Der Tisch, das hatte was von Art Basel, superschick, überhaupt, das ganze Drumherum mit der smarten Akkreditierung im Danh Vo-Zelt, dem dunklen Limousinen-VIP-Shuttle, der eisgekühlten Champagner-Bar, das war ganz groß, das war Welt-Niveau. Doch dann, Mist, musste man ja irgendwann die Ausstellung betreten. Herzlich Willkommen in der Neuen Piefigkeit.

Der Muff der Kunsthochschule war überall und der morbide Charme, den man vielleicht vor 10 Jahren mit Ausstellungen in verlassenen und fast unveränderten Orten verbunden hat, der nervt doch irgendwie nur noch. Dann überwiegend abgestellte Kunst, oft ohne jeden Raumbezug, durch dieses reine Abgestelltsein sich selbst bekämpfend. Auch wenn das Haus demnächst abgerissen wird, der eine oder andere Künstler hätte sich vielleicht die Mühe machen müssen, an dem ihm zugeteilten Platz einen funktionierenden Ort für die eigene Arbeit herzustellen. Mal eine Wand bauen oder etwas Vergleichbares, das hätte hier und da sicher geholfen. Am Geld kann es ja nicht gelegen haben. Nicht jedes Kunstwerk funktioniert auf gammeligem PVC und auf gammeliger Atelierwand. Das hat leider insgesamt dazu geführt, dass die allerwenigsten Arbeiten eine echte Präsenz entfalten konnten und alles in allem wirkte das wie ein stinknormaler Jahresrundgang an einer deutschen Kunsthochschule. Das hatte durchaus auch was Entspanntes. War aber vielleicht für die große programmatische Ausrichtung doch etwas zu entspannt, fast schläfrig. Viel Brüchiges, Gebasteltes, Fragmentiertes, Beiläufiges, Verhuschtes, Wackliges. Bloß nicht festlegen. Immer im Ungefähren bleiben.

Die Planen-Arbeit von Tue Greenfort war hier vielleicht die Ausnahme, denn hier beherrschte mal nicht der Raum das Kunstwerk, sondern das Kunstwerk den Raum. In positivem Sinne und vollkommen anders als z.B. diese ufoartige Lattenkonstruktion im Raum gegenüber, die etwas Naives ausstrahlte und durch den aufgehämmerten Boden (Landungsspuren?) auch ein bisschen peinlich wirkte. Besonders deprimierend aber war in diesem Zusammenhang die Arbeit von Rocco Berger, die hieß „Ölmalerei“ und bestand aus einem umgedrehten Kanister, aus dem über dünne Leitungen, einem Tintenstrahldrucker ähnelnd, Öltropfen in einem bestimmten Abstand auf eine Plastikfolie sickerten, ein Ventilator sorgte noch für ein bisschen Bewegung, damit das Ergebnis malerisch wurde. Achtung! Malmaschine! Das ist Lach- und Sachkunst in ihrer reinsten Form. Wäre der Titel „Ölmalerei“ nicht gewesen, dann hätte ich die Arbeit ja noch als von Rebecca Horn inspirierte phänomenologische Forschung durchgehen lassen. So aber ist das ein echter Kalauer, ein gebauter Witz. Meines Wissens wird diese Arbeit eigentlich nur noch getoppt durch die fast schon legendäre Arbeit „Café Latte“ von Thomas Rentmeister, bei der auf einer an der Wand lehnenden unbehandelten Dachlatte eine leere umgestülpte Kaffeetüte hängt. Hm.

Aber dann habe ich plötzlich diese Schilder entdeckt, aus Plexiglas, dezente schwarze Schrift, da standen Sachen drauf wie: „Nicht essen, nicht klettern, Eltern haften für ihre Kinder, kein Spaß“. Zuerst dachte ich noch, prima, hier hat einer von den Künstlern einen subversiven Eingriff gemacht, ein Kunstwerk, das sich nicht sofort als Kunstwerk zu erkennen gibt, wo man zweimal nachdenken muss, bis man es versteht, ein Kunstwerk eben, das den Rezipienten für einen Moment zu verunsichern vermag. Das hat mich richtig gefreut, und ich dachte, hinter der nächsten Ecke, da steht dann ein Schild mit: „Nicht hinsehen, nicht gehen, nicht denken, kein Spaß“, aber da war kein Schild, sondern nur eine Aufsichtsperson, die mir ganz ohne Spaß mein Getränk wegnehmen wollte. Und da habe ich gemerkt, dass es mit den Schildern auch nichts wird. Da war ich dann dermaßen enttäuscht, dass ich mich von der wirklich documentatauglichen Mindestens-100.000-Euro-Fake-BMW-Plattform werfen wollte, was aber dann leider nicht ging, denn auf einem Plexiglasschild stand: „Sachen runterwerfen verboten!“.

Plattform (© Andreas Koch)
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