Kunsthalle

Blumengroßmarkthalle

2008:Jul // Thomas Wulffen

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07-2008
















Konkurrenz belebt das Geschäft, sagt man. Was die Berliner Situation angeht, so wird erst aus der Umkehrung ein sinnvoller Satz: Geschäft belebt die Kunst. Erst seitdem das Geschäft mit der Kunst in Berlin blüht oder zumindest zu blühen scheint, entstehen in der Stadt neue Institutionen oder wachen die alten aus ihrem Dornröschenschlaf auf. Die eine neue Institution, die den Ball ins Rollen brachte, war die temporäre Kunsthalle im noch nutzbaren Palast der Republik. Das Ausstellungsereignis, das mehr durch den Zuschauerzuspruch als durch die Ausstellung selbst von sich reden machte, setzte einen Prozess in Gang, der in naher Zukunft eine Kunsthalle auf dem ehemaligen Schloss­areal in Berlin Mitte erblicken lassen lässt. Aber die Stadt braucht mehr als eine Kunsthalle, sagte sich Alice Ströver von den Grünen und überzeugte Christoph Tannert vom Künstlerhaus Bethanien und Helmut Riethmüller zu einem waghalsigen Unternehmen, dessen erste Spuren am ersten Juni-Wochenende entdeckt werden konnte. Ort war die Blumengroßmarkthalle im Bezirk Kreuzberg und dort war die „Kunstinvasion“ zu sehen. Der Titel der Ausstellung ist eher unglücklich gewählt, aber er lässt deutlich werden, dass die Betreiber von ihrem Unternehmen sehr wohl überzeugt sind. Schließlich sind die Eroberer, die in fremdes Terrain eindringen, auch von ihrer rechten Sache überzeugt. Der Vorsatz „Kunst“ macht die Invasion allerdings nicht besser und am Ende wirkt dieser dann auch als eine Warnung. Aber Sensibilität ist in diesem Bereich nicht angesagt. Der Titel „minimal invasiv“ zum Beispiel hätte dem Verfahren der Invasion und Persuasion noch eine geschickte Dringlichkeit unterlegt. Schließlich schreibt Wikipedia dazu: „Minimal-invasive Chirurgie (MIC) bezeichnet als Oberbegriff operative Eingriffe mit kleinstem Trauma (mit kleinster Verletzung von Haut und Weichteilen).“ Fragt sich nur was in diesem Falle die Krankheit ist, die durch die Kunstinvasion geheilt werden soll: Der Mangel an Ausstellungsorten oder der Mangel an guter Kunst. Von letzterem, der guten Kunst, gab es allerdings auch etwas zu sehen, aber die Künstlerliste bestand am Ende doch auch weitgehend aus den üblichen Verdächtigen. Sollten diese dann die wirkliche Kunsthalle füllen, so wird daraus ein Selbstbedienungsladen, der der Kunst in Berlin nicht hilft. Im Falle von Christoph Tannert muss man sich sowieso fragen, warum er sich nicht auf seine eigentliche Institution, das Künstlerhaus Bethanien, konzentriert und wieder jenen Stellenwert erobert, das es einstmals besaß.

Ein erster Schritt ist getan, alle haben sich gefunden, miteinander geredet (oder nicht) und demnächst trifft man sich wieder dort. Diesmal aber ist man zu früh gekommen. Zur Ausstellung ist eine Broschüre erschienen, die auch eine Seite „Fragen an eine Berliner Kunsthalle“ enthält und Antworten der Jurybeteiligten und „Unterstützer“ enthält. Die waren es dann wert.

Thomas Wulffen  „Kunstinvasion!“
Blumengroßmarkthalle
Friedrichstraße
18, 31.5.–1.6.2008
Blumengroßmarkthalle (© Initiative Berliner Kunsthalle)
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