Vanity Fairytales

Wir kommen alle in die Hölle

2013:Dec // Elke Bohn

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12-2013
















Vanity Fairytales
/ Wir kommen alle in die Hölle

Den Sommer über gibt es, normalerweise, nicht besonders viele, und wenn, noch weniger gute Ausstellungen. In diesem Jahr war das anders. Voll in die Sommerpause hinein hat Christian Malycha eine Ausstellung kuratiert, die uns neben dem Üblichen auch das Übliche zeigt. In der Alten Münze, genau, gleich an der Spree gelegen, versammelte er eine Ausstellung, die sich formal, ästhetisch und im weiteren Sinne auch inhaltlich mit dem Thema Ökologie auseinandersetzte.
Eingeladen hat Malycha wenige ausgesuchte Positionen; riesenhaft und beinahe phantasmatisch das Gemälde von Corinne Wasmuht, einige Paradiesfotografien von Thomas Struth, Container-Umschläge, groß und durchdacht sowie zwei Sperrholzplatten „Empty-Letters“ von Seth Price und eine adaptierte Tapetenarbeit von General Idea, die in klassisch popkultureller Rhythmik EVOL wiederholt. Viele fragen sich, ob das eine interpretierende Interpretation ist, und eigentlich ECO schreien will.
Frau Wasmuht zeigt einen echten Schinken, ein Riesending von fast drei auf über vier Meter, das in verwaschener Szenerie Autos zeigt, ihre Rücklichter und gleisende Scheinwerfer, in einem Tunnel oder vor irgendeinem gesichtslosen Flughafen dieser Welt. Urwälder und unberührte Paradiese auf den perfekt konstruiert erscheinenden, jedoch tatsächlich unberührten Flecken Natur in den Fotografien von Thomas Struth. Seth Price ist mit seinen jüngeren Werken vertreten, den großen und symbolhaften Umschlägen aus technischem Material und handwerklich in höchster Perfektion hergestellt. Die Tapete, leicht pastos und nicht sonderlich farbleuchtend, füllt die Gänge.
Das Entscheidende jedoch; Malycha stellt nicht nur diese Kunstwerke aus. Neben den Gemälden, Installationen oder Objekten und Fotografien stehen ihre jeweiligen Transportverpackungen. Fein säuberlich türmen sich etliche Lagen ­Tyvek, Luftpolsterfolie, Transportkisten und hölzerne Bilder­ecken, die eine Berührung der empfindlichen Gemäldeoberflächen verhindern und so weiter. Auch empfängt die Besucherinnen und Besucher in jedem Raum der Ausstellung sowohl ein kluger Text, jedoch auch eine Auflistung des CO2-Aufkommens, den Produktion, Transport und Installation eben dieser Arbeiten verursacht haben. Und da bleibt einem mitunter schon die Spucke weg, dass so eine Fotografie äquivalent zu einem Transatlantikflug einer fünfköpfigen Familie ist. Ob da schon die Reise an den Ort der Aufnahme bedacht ist, traut sich niemand mehr zu fragen. Ökologisch verheerender ist lediglich die Produktion technisch derart aufwendiger Stoffe, wie sie in den Werken von Price vorkommen. Man mag sich trösten, dass man das Kunstwerk wohl nicht wegwerfen wird.
Die Kurve kriegt Christian Malycha, die, hätte er sie verfehlt, ihn rasch in eine falsche Ecke gestellt hätte, durch Transparenz. Er ist Autor und Kurator, und wird das auch bleiben. Auch nehme er keine qualitativen Wertungen der Werke vor, doch ist ihm schlicht wichtig, auch eine andere Seite zu zeigen, und nicht nur in Gespräch und Text.
Und diese Seite hat einen schweren, einen dunklen Kern. Fast 30 Tonnen CO2 hat diese Ausstellung nämlich auf dem Buckel, was drei durchschnittlichen Deutschen pro Jahr entspricht, obgleich er von keinem dieser drei auch wirklich gehalten werden dürfte.
Die Transparenz schlägt um auch auf die andere Seite, die Gäste der Ausstellung erfahren, was sie mit dem Besuch der Ausstellung anrichten, und diskutierten in der nahegelegen Kantine der Wasserbetriebe hitzig. Von Agitation war die Rede, von Besserwisserei und Oberlehrerhaftigkeit, ganz klar. Gerne fallen auch die Klassiker, die seit Jahren an Pelzmänteln ziehen, von eben den Nerzen, die ja nun schon tot sind; oder die all die Flugzeuge füllen, die ja ohnehin fliegen. Da kann man doch mit, ist doch besser, wenn das Ding voll ist.
Als die Eröffnung mit einem Dinner begangen wurde, zeigte sich der Coup des Projekts. Denn auch hier wurde in der Kantine der Nachbarn gefeiert. Kurze Wege. Serviert wurde regional und fleischlos, wobei der Hammer war: keiner hat’s gemerkt. Auch die reflektierte Kunstwelt fühlte sich nicht eingeschränkt. Ab morgen macht sie wohl weiter wie bisher.
Illustration (© Andreas Koch)
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