Imi Knoebel

Neue Nationalgalerie

2009:Nov // Jasmin Jouhar

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11-2009











Schlossplatz, Humboldthafen, Blumengroßmarkthalle – das diesjährige Art Forum war die Gelegenheit, das Thema Kunsthalle wieder einmal aufzuwärmen. Mit dem bekannten Ergebnis: Ein neuer Ausstellungsort wird in Berlin anscheinend dringend gebraucht. Dabei hatte Imi Knoebel mit seiner Ausstellung „Zu Hilfe, zu Hilfe…“ in diesem Sommer bewiesen, dass die Stadt seit einundvierzig Jahren bereits über die beste aller Hallen verfügt: die Miessche Nationalgalerie. Es brauchte lediglich eine Menge weißer Farbe, und das Glashaus verwandelte sich für zweieinhalb Monate in einen White Cube, wie ihn sich die Szene nicht schöner hätte ausmalen können.

Imi Knoebel fand mit seinem simplen Eingriff die Antwort auf die seit der Eröffnung 1969 nicht verstummende Klage, dass der Tempel zwar große Architektur, aber als Ausstellungshaus praktisch unbespielbar sei. Denn der Halle (nicht dem Souterrain) fehle alles, was Kunstorte haben sollten: Sie ist nicht abgeschlossen und introvertiert, sondern ein nach allen Seiten offener Raum, in den die Stadt hineinströmt. Es gibt auch keine Raumfolgen, in denen sich eine Ausstellung inszenieren ließe, von Wandflächen zum Hängen und Projizieren ganz zu schweigen – allesamt Eigenschaften, die sich etwa Rem Koolhaas, Jenny Holzer oder Ulrich Rückriem bei ihren Auftritten in der Nationalgalerie zu nutze machten.

Zumindest das Problem des Ineinanderfließens von Innen- und Außenraum hat Knoebel mit der „Potsdamer Straße 50“ betitelten Hinterglasmalerei gelöst: Er ließ weiße Farbe mit einem Quast von innen auf die Fenster auftragen und schuf so die schmerzlich vermisste Raumgrenze. Von außen war die Halle damit uneinsehbar. Der Blick blieb an der malerischen Struktur des Farbauftrags hängen. Wie blind wirkte das Glashaus, die Spiegelungen von Innen und Außen (vor allem am Abend reizvoll) blieben aus. Im Innern sah man dann eine leere Halle, die dank der blinden Scheiben in ihrer tatsächlichen Dimension erfahrbar schien. Von der Welt da draußen waren nur die schemenhaften Gestalten zu sehen, die direkt vor den Fenstern herumgeisterten.

Der Beuys-Schüler Knoebel hatte einen Assoziationsraum geöffnet: Natürlich fielen einem die japanischen Wandschirme aus Papier ein – ein sinnfälliger Bezug, schließlich pflegten Mies und andere Architekten der Moderne eine Affinität zur Baukultur Japans. Fenster aus Alabaster erzeugen ein ähnlich gleichmäßig gedämpftes Licht, das nur eine Ahnung des Außen erlaubt. Wer wollte, mochte wegen des irrealen Lichts auch an spirituelle Räume denken. Die Staatlichen Museen sprachen im Erläuterungstext von einem „Energiefeld“, das sich nach Innen kehre. Vergleichbar sind vielleicht Arbeiten von Künstlern wie Yves Klein oder Robert Barry, die auf ihre Weise leere weiße Kunsträume zum Thema gemacht haben.

Aber ganz leer war die Halle gar nicht: Gleich am Eingang begrüßte eine freistehende weiße Wand die Besucher, ursprünglich eine Arbeit für die documenta 8, die nun ihren Titel „Zu Hilfe, zu Hilfe, sonst bin ich verloren“ der Ausstellung lieh. Drei unterschiedlich große Öffnungen waren in die Wand hineingeschnitten, laut Erläuterungstext eine Aufforderung an die Ausstellungsbesucher, „sich für einen bestimmten Weg zu entscheiden“. Bei der Schlüsselarbeit „Raum 19“ (1968), entstanden während Knoebels Zeit an der Düsseldorfer Akademie, gelang die Übertragung in den neuen Kontext besser: Knoebel lehnte die Elemente der Arbeit: Keilrahmen, Leinwände und verschiedene geometrische Körper, an die Garderobeneinbauten der Nationalgalerie an. Sowohl die Proportionen als auch das Material Hartfaserplatte passten so perfekt zu den mit Eiche furnierten Wandscheiben, dass es wirkte, als sei die Arbeit eigens dafür entwickelt worden. Es entstand ein Moment der Unsicherheit, ob die gestapelten Kisten und Platten nicht von der vorherigen Ausstellung übrig geblieben waren.

Der unerwartete Verdienst der Ausstellung war, ihrem Titel gemäß, dem Hilferuf des Gebäudes selbst eine Stimme zu verleihen: Bekanntlich ist die Nationalgalerie in schlechtem Zustand. Mies-Liebhaber beklagen beispielsweise die neuen Fenster, die sich von den Originalen unterscheiden. Knoebel hat diesen Unterschied sichtbar gemacht, denn die geweißten Scheiben wiesen, obwohl überall dieselbe Farbe verwendet worden war, unterschiedliche Tönungen auf. Einmal ein gelblicher Ton, wenn es sich um die alten Fenster handelte, einmal ein kühles Blau bei den neuen. Auch die Fugen zwischen den neuen, nur halb so großen Scheiben traten deutlich hervor. Und weil die Aufmerksamkeit sich auf die Halle konzentrierte, fielen auch andere Schäden auf: gebrochene Steinplatten, rostige Stahlprofile oder die verblichenen Lederbezüge der Barcelona-Sessel. Jetzt muss der Hilferuf des Hauses nur noch erhört werden. Das Geld für eine neue Kunsthalle wäre hier auf jeden Fall besser angelegt.

Imi Knoebel „Zu Hilfe, zu Hilfe...“
Neue Nationalgalerie,
Potsdamer Straße 50
10785 Berlin
23.05.–09.08.2009

Imi Knoebel „Postdamer Straße 50“ Neue Nationalgalerie Berlin, 2009 (© VG Bild-Kunst, Bonn 2009/SMB Nationalgalerie, Foto: Ivo Faber)
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