„Der Silberne Koffer“

Montgomery

2007:Nov // Lena Ziese

Startseite > Archiv > 11-2007 > „Der Silberne Koffer“

11-2007












Sind die Menschen in Berlin wirklich so naiv? fragte mich kürzlich ein betuchter Galerist aus Los Angeles in Anbetracht der vielen nicht-kommerziellen Ausstellungsräume in Berlin. Sein Unverständnis für kulturelles Engagement jenseits des kommerziellen Betriebs zeigte, dass er Kunst immer im Zusammenhang mit ihrer Verwertung denkt. Die Vorstellung, einen Ausstellungsraum als Teil der eigenen kulturellen Praxis und somit, zumindest erst einmal, als etwas Prozesshaftes zu verstehen, schien ihm gänzlich absurd. In Berlin gibt es hingegen eine erstaunliche Dichte an Räumen, die sich jenseits des Kunstmarktes bewegen und deren Programmatik so unterschiedlich ist wie ihre Betreiber.

Julia Pfeiffer und Roseline Rannoch, die Betreiberinnen von Montgomery, fokussieren mit ihrer aktuellen Ausstellung Der „Silberne Koffer“ aktuelle und ehemalige von Künstlern organisierte Räume. Sie haben die MacherInnen dieser Räume gebeten, ein Objekt oder Dokumentationsmaterial zur Verfügung zu stellen, welches den Raum, dessen Atmosphäre und die Arbeitsweise widerspiegelt. Die Auswahl der Ausstellenden ist breit gestreut, von ehemaligen Räumen wie Friesenwall und Kippenbergers Büro bis hin zu so unterschiedlichen aktuellen Räumen wie „after the butcher“ und „Oskar von Miller Straße 16 “. Die Vorstellungen, Zielsetzungen und Bedingungen der jeweiligen Räume lassen sich durch die Präsentationen nur erahnen. Es ist eher der Vergleich der unterschiedlichen Präsentationen, der das jeweilige Programm der Räume deutlich werden lässt. Starship z.B. zeigt ein Modell des Hauses, in dem das Starship-Büro untergbracht ist, ergänzt mit den folgenden Informationen: „Monument des Zivilen Ungehorsams, Skalitzerstr. 138, Kott­busser Tor, Starshipbüro, Wert der Immobilie stark fallend. Seit Oktober 2006 eingerüstet. 50 % vermietet,­ davon 90 % Hartz IV Bezieher.“ Eine Beschreibung des eigenen räumlichen Umfeldes, die sich, in Bezug auf die Verortung jenseits des Kunst-Mainstreams, durchaus programmatisch lesen lässt. Die Honey Suckle Company, die über die letzten Jahre Räume an verschiedenen Orten der Stadt betrieben hat, zeigt hingegen eine raumgreifende Installation, die die künstlerische Praxis des Kollektivs repräsentieren soll.

Das Programm von Montgomery selbst wird durch die Ausstellung als Ganzes am deutlichsten gespiegelt. Die Ausstellung ist der vierte Teil der Ausstellungs- und Projektreihe prekarisierungohwehohwehproduktionsstop, die von Pfeiffer und Rannoch initiert wurde, um die ökonomische Situation Kulturschaffender in Hinblick auf gesamtgesellschaftliche Realitäten, Visionen und Utopien zu beleuchten. Ausgangspunkt der Reihe war ein, in Anbetracht der Massen an KunstproduzentInnen in Berlin nur allzu nachvollziehbares, Bedürfnis nach Produktionsstop. Konsequenterweise dient daher Montgomery weniger als Ort neuer Kunstproduktion, sondern mehr als Medium, in dem subjektive Haltungen und Behauptungen artikuliert werden. Julia Pfeiffer und Roseline Rannoch stellen die von ihnen in der eigenen künstlerischen Arbeit formulierten Auseinandersetzungen und Konflikte zur Diskussion und überprüfen diese in einer Realität jenseits des Ateliers. Ihre eigene Position wird so durch eine öffentliche, interaktive Form ergänzt und an andere weitergegeben. Zum Beispiel wurde eine Fahrt nach Heiligendamm während des g8-Gipfels selbstverständlicher Teil der Reihe. Die Motivation für die Teilnahme an der Fahrt war für die rund 30 Teilnehmer unterschiedlich. Und genau auf diese Unterschiedlichkeit zielten die Montgomery-Betreiberinnen ab. Denn im gemeinsamen Erleben diverser Formen des Aktivismus wurde die eigene Haltung offensichtlich. Es bestand zumindest die Möglichkeit sich seines Standpunktes zu vergewissern oder diesen zu überprüfen. Diesen Ausflug als Teil der Ausstellungs- und Projektreihe zu betrachten und somit vom Kunstfonds Bonn fördern zu lassen war hierbei bewusste Setzung.

Die Ausstellung „Der Silberne Koffer“ entstand aus einem ähnlichen Bedürfnis. Gerade die Unterschiedlichkeit der möglichen Inbetriebnahme von Ausstellungsräumen macht deutlich, dass ein Raum letzlich genauso ein Medium ist wie Farbe, Video oder Skulptur. Medienspezifisch ist, dass alle von KünstlerInnen betriebenen Räume Orte der Kommunikation und der Öffentlichkeit sind. Hierin liegt ihr Potenzial, das die BetreiberInnen mit unterschiedlicher Motivation nutzen. Interessant werden von KünstlerInnen betriebene Räume dort, wo ein Raum nicht als bloße Ausstellungsfläche für die eigenen Produkte genutzt wird, sondern in ihm eine künstlerische Auseinandersetzung mit anderen Mitteln fortgeführt wird.

In diesem Sinne verstehen die Montgomery-Betreiberinnen die Ausstellung „Der Silberne Koffer“ als „Skulptur mit zeitgenössischen Ausstellungsräumen“.

„Der silberne Koffer“,
Montgomery,
Pankstraße 13,
23.9.–3.10.2007
Ausschnitt Einladungskarte (© )
Microtime für Seitenaufbau: 1.4186861515