Geka Heinke

Diehl Projects

2008:Nov // Peter K. Koch

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10-2008
















Die schwer zu beantwortende Frage nach dem exakten Übergangspunkt von gegenständlicher in ungegenständliche Kunst beschäftigt die Betroffenen schon lange. Das gilt gleichermaßen für die mittelbar wie für die unmittelbar Betroffenen. Ein kunsthistorisch hell strahlender Fixstern auf dem Weg von der Gegenständlichkeit in die Ungegenständlichkeit ist der hoch geachtete niederländische Maler Piet Mondrian. Er ist seinen steinigen Weg in den frühen Jahren des vergangenen Jahrhunderts gegangen. An der Entwicklung seiner Malerei kann man die intellektuelle Schwerstarbeit auf dem Weg von der ungebrochenen realistischen Abbildung eines Baumes hin zur vollkommen gegenstandslosen und leuchtend klaren Farbfeldmalerei in jedem Schritt nachvollziehen. Das war zweifellos eine große Leistung. Viele abstrakte Künstlerinnen und Künstler der jüngeren Kunstgeschichte, und hier spreche ich von 1960 bis heute, ist in dieser Nachfolge dazu übergegangen, ihre künstlerischen Ideen ohne jeden „störenden“ Einfluss einer als kontaminierend empfundenen gegenständlichen Parallelwelt zu entwickeln. Völlig abgespalten von der Realität und lediglich aus einem philosophischen Nachdenken über physikalische, physiologische oder psychologische Zustände, Abhängigkeiten und den daraus folgenden Notwendigkeiten wollte man zum manifestierbaren künstlerischen Ergebnis kommen. Diese vollkommene Negation der gegenständlichen Welt in Bezug auf den Motivfindungsprozess war eine weit verbreitete Doktrin in der abstrakten Kunst. Das hat sich geändert. Die Definition der künstlerischen Abstraktion ist heute größtenteils eine andere und hat wieder engen Kontakt mit dem eigentlichen Wortsinn aufgenommen, denn die Abstraktion (lat. abstractus – „abgezogen“, oder abs-trahere – „abziehen, entfernen, trennen“) bezeichnet meist den induktiven Denkprozess des Weglassens von Einzelheiten und des Überführens auf etwas Allgemeineres oder Einfacheres. Trennt man oder entfernt man aber etwas von etwas anderem, dann entstehen zwei oder mehr Mengen. Und diese Mengen haben Ränder.
Und so suggeriert schon der von Geka Heinke für ihre Ausstellung bei Diehl Projects gewählte Titel „Rand“ eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Übergangs oder des Überführens. Nun ist es aber so, dass ein Rand zwar eine Begrenzung darstellt, der Schärfe- und Durchlässigkeitsgrad dieser Begrenzung aber einer individuellen Definition bedarf. An diesem Punkt beginnt Geka Heinkes Arbeit an der notwendigen Feinjustierung in der weit gedehnten Grauzone zwischen Gegenstand und Nicht-Gegenstand. Die Lust an dieser Feinjustierung und ebenso die Lust an einer klaren künstlerischen Positionierung ist in allen Arbeiten Geka Heinkes spürbar. So entscheidet die ausgebildete Malerin, die ihre künstlerischen Fragen überwiegend, aber doch nicht ausschließlich malerisch bearbeitet, zum Beispiel, dass sie durch die Betitelung einzelner zweifelsfrei ungegenständlicher Arbeiten deren gegenständliche Herkunft aber klar benennt. So sehen wir u.a. großformatige malerische Übersetzungen und Weiterentwicklungen von Parkettböden wie z.B. „Composition with 14 lines (parquet Villa Dürckheim)“ und Tapetenmustern wie z.B. in der Arbeit „Wallpaper design (Octogon)“, auf Leinwand und als Raum füllende Wandmalerei ausgeführt. Im Ergebnis führt diese Strategie der Offenlegung der Motivquellen dazu, dass man bei der Betrachtung der Arbeiten jeweils die Möglichkeit hat, in beide Richtungen zu sehen und zu denken, in die gegenständliche und in die ungegenständliche. Diese, einigen Arbeiten durch die Betitelung mitgegebene zweite Ebene, der Rückgriff in die Realität, lässt sich aber, und das ist eine elementare Eigenschaft von Geka Heinkes Arbeiten, jederzeit vollkommen ausblenden. Was dann übrig bleibt, sind rhythmische, sich regelmäßig und gleichförmig wiederholende malerische Prozesse, die durch ihre visuelle Klarheit überzeugen. Koppelt man diese visuellen Ereignisse dann erneut mit den bereits mittels Titel offenbarten Motivquellen, dann führt dies zu einer angenehmen Wahrnehmungsoszillation. So entwickelt Geka Heinke ihre Abstraktion ‚face to face‘ mit der Realität und man hat in jedem Moment das Gefühl, dass der Weg zurück offen ist. Man steht im dichten Nebel der ungegenständlich-gegenständlichen Grauzone und blickt in beide Richtungen ins Licht. Und das macht Spaß.

Geka Heinke „Rand“
Diehl Projects
Zimmerstraße 88–91
12.9.–25.10.2008
Geka Heinke „Corner“, 2001 (© Geka Heinke)
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