Frischluft und andere Erfolgsreferenzen

Über Erfolg – Monika Baer, Dominik Sittig, Julian Schnabel und anderes

2012:Aug // Bertold Mathes

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08-2012












Das Thema „Erfolg“ war vor ein paar Wochen plötzlich im Gespräch (mit Künstlerkollegen am Kneipentisch) aufgetaucht: Erfolg wollen, Erfolg haben, Erfolg gehabt haben  – warum, womit und wann. Ihn wollen und brauchen  – wieso und wozu. Erfolg als Anerkennung, als Macht und Einfluss  – berechtigt oder nicht – wer will das entscheiden. Oder eben auch ganz naheliegend: Erfolg als Grundlage zur ganz profanen Existenzsicherung. Wünsche, Hoffnungen, Enttäuschungen, Zweifel und Notwendigkeiten. Gedanken, die Künstler so umtreiben. Da hab ich dann aus einer plötzlichen Laune heraus noch etwas weiter ausgeholt und Beispiele bekannter Künstler (früher hätte man gesagt: bekannt aus Funk und Fernsehen) herangezogen. Die Idee vom Erfolg bekam damit eine andere Färbung oder eigentlich Geruch.

Und zwar war es doch so: aus dem Diskursnirvana der Neunzigerjahre heraus hatten sich ein paar und bald ganz viele Künstler aufgemacht, wieder etwas begehbareren Boden unter die Füße zu bekommen bzw. den vorhandenen Boden (scheinbar vielleicht nur) wieder zu betreten. Und da dies wohl einem allgemeinen und wie ich meine berechtigten Bedürfnis entsprach, war da auch ziemlich bald eine vielleicht interessierte, aber auf jeden Fall irgendwie erleichterte und bereitwillige Öffentlichkeit vorhanden. Wer die Zeit miterlebt oder mitgewirkt hat, kann da jetzt seine Platzhalter einsetzen, für andere oder jüngere Zeitgenossen müsste man jetzt ins Detail gehen. Worauf ich aber hinaus will, ist einfach dies: Bei mancher anfänglichen Skepsis war auch ich irgendwie erleichtert, dass im Sinne meiner eigenen Anliegen (ich selbst komme aus den Achtzigern) wieder so was wie eine Tür offenstand. Die konnte man nutzen. Einige haben sie dann so zielstrebig durcheilt, dass sie wohl nicht bemerkten, dass die Tür nicht unbedingt ins Freie, sondern mit der ganzen selbstverliebten Bohème-Attitüde geradewegs zurück in die etwas miefige Luft des großen Salon-Spektakels führte. Fiel dies alles vor vielleicht zehn Jahren noch in die Kategorie „vielversprechende Erfolgsaussichten“, ist da seit nun etlichen Jahren vermehrt eine andienerische Langeweile unterwegs. Das sichert den sogenannten Erfolg, denn wo in den Markt investiert wird, ist das Geld bei beständigen Werten sicherer aufgehoben, und die sind bei standardisierter und dabei perfekt produzierter Langeweile kurzfristig einfacher darzustellen. Diese Verbindung aus fremd- und selbstausgebeutetem Quasi-Talent und markttechnisch forcierter Selbstdarstellung entweder als „echte/r Künstler/in“ oder als neoliberale/r Kreativunternehmer/in, ist vielfach doch einfach widerwärtig (siehe oben: Geruch) und bei allen beispielhaften Erfolgsgeschichten künstlerisch oft wohl eher ein Misserfolg.

Wirklich spannend kann es dagegen dann werden, wenn das künstlerische Tun in einem selbstbestimmten und reflexiven Verhältnis zum „Erfolg“ steht, bzw. es schafft, sich vom eigenen tatsächlichen, vermeintlichen oder ersehnten Erfolg zu emanzipieren und sich auf jeden Fall erstmal im eigenen Feld ausspielt, zu jeweils eigenen Bedingungen. Die Frage der Autonomie wäre da natürlich noch ein anderes kritisch zu beleuchtendes Thema, aber nicht hier, obwohl es natürlich massiv hineinspielt. Die Arbeit der Künstler besteht aber jedenfalls darin, vom jeweils eingenommenen oder im schlechtesten Fall angewiesenen Platz aus, die Arbeit zu tun, die von und für ihn selbst zu tun ist. Und das heißt: immer wieder aufs Neue vom Status quo aus, was das Gegenteil ist von marktorientierter Produktionsverlängerung. Wenn’s richtig läuft, ergibt sich doch von selbst eine produktive Kontinuität, egal wie das Ergebnis dann aussehen mag (es kann auch diskontinuierlich sein oder disparat, aber auch das wäre eine heutige Form, so sie sich richtig darstellt, von „Kontinuität“, einfach im Sinne von Dranbleiben). Jedenfalls hat das „Werk“ dann, immer bezogen auf den ganzen Radius der spezifischen Anliegen und deren Bedingungen in Relation zum eigenen Werkkörper und sonstiger zu beschreibender Kontexte, einen Stand an Sichtbarkeit, der a priori erst mal funktionieren kann, sozusagen erfolgsunabhängig. Kunst sollte erst mal mit sich selbst „erfolgreich“ sein. Erst diese Sexyness gibt ihr die Legitimation zu allem weiteren Erfolgsgehabe und macht dieses erträglich und vielleicht auch wieder echt spaßig.
An dieser Stelle fällt mir wieder ein anderes Lieblingsthema von mir ein, nämlich das der Qualität. Natürlich nicht im Sinne von: wer soll diese bestimmen, sondern als Diskurs (ja, hier Diskurs) über Fragen von: z. B. Eigenschaft, Selbstbestimmtheit, (persönlich empfundener) Notwendigkeit oder einfach im Sinne von: Was ist interessant? (eine mutige Einlassung von Gunnar Reski in seinem Vortrag zum Projekt von „The Happy Fainting of Painting“ Anfang des Jahres, denn eigentlich gilt ja der Kommentar „interessant“ als nicht so sehr ernsthaft, eher so la-la. Aber so sind die Zeiten im spätkapitalistischen Raubtierkunstmarkt: Interessantheit kann eine echte Herausforderung sein, und wenn sie sich tatsächlich einstellt,  ist dies auch ein Erfolg.)

Eine Begegnung dieser interessanteren Art hatte ich z. B. kürzlich mit den Bildern der Ausstellung „Return of the Rear“ von Monika Baer in der Galerie Barbara Weiss. Diese Bilder sind auf fast schon intime Weise sehr persönlich und gleichzeitig auch sehr allgemein, voller Verbindungslinien zu anderen Bildern von anderen Künstlern. Dabei aber – und dies ist aus meiner Sicht das Erfolgreiche an Monika Baers Malereiargument: Bei allem Persönlichen sind sie nie privatistisch, sondern auf fast schon aggressive Weise öffentlich ausgerichtet, was vielleicht auch dadurch gelingt und sie als Bilder zwingend macht, weil das, was man heute zu diversen Ausstellungen in Galerien und anderswo in Pressetextbeipackzetteln in bemüht wertsteigernder Absicht den Künstlern als Referenzen zuschanzt, und sie daran manchmal schier ersticken oder verhungern lässt (siehe Rebecca Warren bei Max Hetzler), bei Monika Baer von vorneherein nicht als Referenz „thematisiert“ wird, sondern vollständig in ihre eigenen Absichten eingeht und sich in ihren selbstsprechenden Malerei-/Bilderzählungen vom Betrachter je nach eigener (zufälliger) Kenntnis entdecken lässt, aber dies, ohne dass die Bilder dies bräuchten oder sie davon maßgeblich verändert, gesteigert oder vermindert würden. Ein Surplus in diese Richtung gibt sie in selbstbewusster Ehrlichkeit selbst in einem ihrer Bildtitel: „Sunrise (ohne Oehlen)“, 2012. Ihr Bild bleibt trotzdem in eigenem Bedeutungsmodus bei sich selbst, auch wenn es tatsächlich ein irgendwie vergleichbares Bild von Albert Oehlen, dem selbsternannten „Master of Light“ gibt, nämlich „Kotzimmer“ (1982). „Sunrise“ ist da im Heute doch ein fast schon subversiv zu nennender programmatischer Gegenentwurf. Alle Energie dieses Vergleichs läuft erfolgreich in Monika Baers Bild zurück.

Kot-zimmer oder Kotz-immer leitet mich assoziativ auch zu Dominik Sittig weiter. Seine Bilder (kürzlich im Kunstverein Düsseldorf und von Hans-Jürgen Hafner ganz dringlich als Gemälde und nicht als Malerei definiert), sind im Kot- und Kotz-ähnlichen Ölfarbengebrauch auch sehr persönlich und dabei ein besonders krasses (großartig hier auch seine Texte) Gegenteil von privatistisch. Das heißt in positiver Weise: auch offen für den Erfolg (hier wäre auch seine dezidierte Plakatproduktion von Bedeutung). Für mich ein ermutigender Beitrag in der heutigen angeblichen Misere, der zeigt: man kann noch was machen! Und dies eigentlich jeder, wenn man nur mutig genug ist, so nah wie möglich an sich ran zu gehen. Die Welt kommt dann zwangsläufig ins Spiel und aus dem Realitätsüberschuss heraus kann sich sowas wie Schönheit einstellen, die dann auch nicht mehr in der Attitüde des Schuldbeladenen ironisiert werden muss. So erfolgreich könnte aus Scheiße Gold werden, wenn man es denn nur ernst meint.

Ganz anders – aber auch schön: Julian Schnabel bei CFA. In seinen frühen Achtzigerjahren war ich ja mal fast so ’ne Art Sympathisant von ihm und war jetzt ganz relaxt und ohne Erwartung, einfach nur neugierig, in die Räume getreten. Auf den eineinhalbsten Blick war meine unwillkürliche Reaktion dann doch: so ein anmaßender Quatsch! Und die zwei oder drei Arbeiten, die vielleicht doch ganz gut sein könnten, vermochten den Eindruck nicht zu retten. Da mir dies an dieser Stelle aber sowieso egal war, kam ich bald wieder zu mir und befand: eigentlich SUPER! Putzt durch! Diese Galerieräume werden in authentischer Anmaßung mal zu sich selbst gebracht. Und die Machwerke Schnabels bleiben von allem erfolgreich unberührt. Ein „später“ schöner Achtziger-Auftritt im heutigen Berlin. Und eines irgendwie beschwingten Spät-Sympatisierens kann ich mich nicht ganz erwehren ob dieses selbstermächtigten eleganten Großkotztums von Schnabel. Jedenfalls für mich nachhaltig erträglicher als die ästhetisierende Betroffenheitskunst (Titel: „Endgame“. Motto: nach 30 Jahren produziert sie wieder Malerei und das ist gut so, weil moralkompatibel) von Jenny Holzer bei Sprüth Magers. Vergleichbare Spätwehen eines anderen New Yorker Erfolgskünstlers der Achtzigerjahre dann noch mit Robert Longo bei Capitain Petzel. Viel Kohle im ehemaligen KUNST IM HEIM in der Karl-Marx-Allee.

Von diesen ganzen Ausstellungsbesuchen und Kunsterkundungsgängen bring ich dann manchmal Prospektmaterial, Flyer etc. nach Hause. Erfolgreich wird dieses ganze „Image“-Material dann bei mir an der Küchenwand, wenn ich es spontan und eigensinnig, quasi hobbymäßig, aber hingebungsvoll, in eine neue Pinnwand-linguistische-Ordnung bringe. Mit Besucherinnen und Besuchern (am besten mit einem Getränk davorstehend) ergeben sich daraus immer wieder verwundert bis amüsant verlaufende Küchengespräche. Mir macht das Spaß.
Eine ganz andere Form von Erfolg ist mein Depot an eigenen Bildern. So oft wie möglich sorg ich da aber mit offenen Fenstern für Durchzug, damit die Luft immer schön frisch bleibt und die Bilder keinen schlechten Geruch bekommen.

 
 
30_CIMG0024.JPG (© Foto: André Marose)
30_CIMG0026.JPG (© Foto: André Marose)
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