Pawel Althamer

Neugerriemschneider

2007:Mar // Raimar Stange

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04-2007
















Schwarz-weiß und hoch komplex stellt sich die zweite Einzelausstellung „black market“ des polnischen Künstlers Pawel Althamer in der Galerie Neugerriemschneider dar. In der ersten Show hatte Althamer den Galerieraum im hippen Mitte quasi in einer Rückblende auf jüngste Vergangenheit in einen verfallenden, leerstehenden und offen bleibenden Raum verwandelt, der „Pennern“ zur Schlafstätte dienen konnte. Jetzt ist derselbe Raum von ihm in ein Künstler­atelier umgewandelt worden, in dem an Holzplastiken gearbeitet wird. Dazu hat Pawel Althamer u. a. eine Werkbank, Schreibtisch, Bildhauerwerkzeug und Holzlatten in die Galerie gestellt. An den Wänden sind direkt auf diese angefertigte, fast schon hingekritzelte Instruktionszeichnungen zu sehen. Außerdem liegt auf dem Boden der Galerie ein überlebensgroßes Selbstporträt des Künstlers, an dem er bereits vor der Ausstellung begonnen hat zu arbeiten. Alles, bis auf die roten Schublaben im Schreibtisch, ist ganz in schwarz gehalten – ein „black market“ eben – und kontrastiert so auffällig und Gegensätze provozierend mit dem extra verlegten weißen Boden und den weißen Wänden des neugerriemschneiderischen „white cubes“. In diesem nicht nur farblich gesehen ambivalenten Setting arbeiten für zwei Wochen afrikanische („black“) Emigranten, die Althamer in seiner Heimatstadt Warschau auf einem afrikanischen „market“ kennen gelernt hat, und stellen selber Skulpturen aus dem – klischeeverdächtig – schwarzen Holz her (danach verwandelt sich die Ausstellung von einer Produktions- in eine bloße Präsentationsstätte). Dieses Kunstmachen nun ist absolutes Neuland für die Emigranten, arbeiten die drei doch sonst in Warschau bzw. Krakau in anderen Berufen, etwa als Lehrer. Dennoch aber stellen diese „Schwarzarbeiter“ mit ihrer artifiziellen Mitarbeit an „black market“ den Status Althamers als „allein verantwortlicher“ Künstler in Frage, Autorenschaft also steht hier auf dem Spiel. Mit seiner vielschichtigen Installation gelingt es Pawel Alt­hamer gleich an mehreren ästhetischen Strategien der letzten Jahre anzudocken: An dem „Displacement“ der Marke Guillaume Bijl etwa, an den „Kulturtransfer“ eines frühen Tobias Rehberger, an die projektbezogene „Sozialarbeit“ von Christine und Irene Hohenbüchler z.B., oder an die provokanten Arbeiten von Santiago Sierra. Anders als letzterer stellt Althamer seine Protagonisten allerdings zwar vor, aber nicht bloß. Spannend ist, wie der Pole diese Strategien virtuos mixt und sie zu einer für ihn typischen künstlerischen Arbeit nutzt, die sich nicht zuletzt durch ihre aktuellen politischen Implikationen auszeichnet. Stehen doch überaus brisante Fragen wie die nach der Integration von Dritte-Welt-Emigranten in „unseren“ westlichen Wohlstandsstaaten hier ebenso zur Disposition, wie das immerwährende Problem des Bezuges von Kunst(präsentation) und Realität. Da kommt dann durchaus auch der Betrachter dieser Arbeit ins Spiel, wird seine Rolle doch plötzlich kritisch eben dadurch, dass er, fast wie im Zoo, bei seiner Werkrezeption unerwartet und ein wenig verlegen auf lebendige Wesen zu schauen hat. Last, but not least bindet sich der Künstler selbst konsequent mit in all diese Fragenkomplexe ein, dann nämlich, wenn er sein begonnenes Selbstporträt als postmoderner Künstler in der archaischen Form einer tendenziell realistischen Holzskulptur á la „Negerplastik“ (Carl Einstein) anfertigt bzw. anfertigen lässt.

Pawel Althamer „Black Market“
Neugerriemschneider
Linienstraße 155
15.02.–17.03.2007
Pawel Althamer, Ausstellungsansicht „Black Market“ (© Courtesy neugerriemschneider)
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