wo ich war

2012:Sep // Esther Ernst

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08-2012
















IKEDA ROYJI                        1. April 2012
db
Hamburger Bahnhof Berlin

+ das passiert mir immer wieder bei konzeptioneller Klangkunst, dass ich mir bei dieser Kunstform wahnsinnig viel Mühe geben müsste und all meine Widerstände überwinden sollte, um meine Rübe anzuschalten, hinzuhören, wahrzunehmen, um zu verstehen, was der denn so macht und will. Und weil sich das wie Schule anfühlt und ich mich darin so lustlos, lass ich’s lieber... Über Jahre dachte ich, mich interessieren diese Wahrnehmungsarbeiten, aber eigentlich muss ich mir endlich mal eingestehen, ich hab da einfach zu wenig Freude bei, mich ärgert der Einlassungszwang, hab einfach viel zu wenig Geduld dazu und mich langweilt der ganze Technik-Schnick-Schnack obendrauf.


BERLIN.STATUS (1)                    15. April 2012
Künstlerhaus Bethanien
+ mir geht’s ja eigentlich immer ähnlich in solchen Gruppenausstellungen, dass ich nämlich bereits an der Lesbarkeit der Auswahl scheitere. Warum wurden genau diese Künstler mit diesen Werken in einen Kontext gestellt, und was hat das zu bedeuten (oder ist diese Frage zu unflexibel-oll)? Und auch hier muss ich sagen: keene Ahnung. Laut Zettel geht’s um die Individualität der vielen zugezogenen und jungen Berliner Künstler. Und um die Zuspitzung ihrer Ich-Perspektive. Das versteh ich, aber ist Individualität und Ich-Perspektive nicht immer eine Voraussetzung oder zumindest die Basis für gute Kunst? Und würden dann in dieser Ausstellung nicht überwiegend einzigartige und derart eigenwillige Positionen überraschen. Müsste ich hier nicht den totalen Flash kriegen und denken, öh, was ist denn das alles hier und überhaupt??? Nein, geht ja gar nicht, denn viele der Künstler sind ja kleine Berlinstars und bereits im Diskurs mittendrin, da wird’s schwierig mit noch-nie-gesehen... Aber der Katalog ist toll, vor allem die eigenwilligen Textbeiträge von Drühl und Tannert.
   

DAMM CHRISTOPH                     24. April 2012
Weiss an Weiss
Kommunale Galerie Berlin

+ Sapperlott was macht der denn hier für eine Lehrstückvorführung? Ist ja gefürchiger als Schule. Verschieden weiss bemalte Leinwände hat Damm zu einem grossen Bild zusammennähen lassen, und diese Idee gleich mehrmals verbraten und zwar so, dass jeder Besucher auf Teufel komm raus zur Erkenntnis gelangen muss: aha, es gibt also verschiedene Weiss auf dieser Welt. Und so unerträglich didaktisch gebastelt geht das dann auch weiter.
Auf seiner Visitenkarte steht Mensch / Künstler / Diplom-Kunsttherapeut.... Da überlegte ich für einen kurzen Moment, ob man diese Ausstellung jetzt überhaupt noch ernsthaft unter Kunst verbuchen kann.
Furchterregend – dabei hab ich grad angefangen, die Kommunale Galerie mit ihren pupsigen Räumen zu mögen...
Und warum genau ärgert mich das so dermassen?


AUFBRUCH MALEREI UND REALER RAUM        6. Mai 2012
Akademie der Künste, Berlin

+ ich wollte mit Jörg in der Akademie eigentlich nur schnell den Raum für die Lose Combo vermessen und staunte nicht schlecht über Sam Francis’ riesiges Schmierrand-Bild. Es erinnerte mich umgehend an meine Druckerprobleme, an Zeichenunterlagsblätter und Batik-Krawatten. Ich war so voller Freude über diese gähnend weisse Fläche und über die suppigen Rand-Verläufe. Und eigentlich bin ich viel zu selten von Malerei begeistert. Ab in die Gemäldegalerie – da wollt ich doch sowieso meine vielen Kunstgeschichts-lücken auffüllen.


RICHTER GERHARD             irgendwann im Mai
18. Oktober 1977 (1988)
Alte Nationalgalerie (Schinkelsaal), Berlin

+ hab ich den Oktoberzyklus nicht schon mal in Dres­den gesehen? An den Plattenspieler kann ich mich er­innern. Und daran, dass ich damals nicht nachvollzie­hen konnte, warum der Zyklus so dermassen wichtig ist für die ganze Kunstwelt. Ist mir auch jetzt nicht wirklich eingängiger, ich fürchte, mir fehlt da so-viel Wissen drum herum, oder ist das alles Käse mit dem Wissen. Muss die Arbeit nicht auch ohne den gan-zen Theorieschwanz funktionieren (wie ist das zum Beispiel mit der Historienmalerei)? Beeindruckend sind doch die Gegenüberstellungen, zum Beispiel die verwischte Beerdigung zu der verwischten Zelle mit der erhängten Ensslin. Die sachlich reproduzierten Pressebilder als Ausgangslage, die dann aber so un-scharf, farblos und darin bedrückend werden, sowie die brutale Nüchternheit der Bildtitel, die transpor­tieren doch eigentlich exakt dieses lähmende und hilflose Gefühl, welches mich als Nachrichten-
Zuschauerin gegenüber den überbordenden Weltereig-nissen in der Glotze beschleicht. Schon gewaltig...


STAMER PETER                     13. Mai 2012
For your eyes only
Uferhallen Berlin

+ Im zweiten Teil des Tanzabends (war das nun eigentlich Tanz? Oder ordne ich das nur so ein, weil es in den Tanzstudios stattfand?) schlossen alle vier Performer die Augen, verteilten sich im Raum und spielten folgendes Spiel: einer von ihnen begann eine Situation, die er sich entweder ausdachte oder aber erlebte, zu schildern. Alle anderen folgten dieser Erzählung und machten dementsprechende Bewegungen dazu, verloren sich in der Vorstellung und sahen darin einfach fantastisch toll aus. In winzigen Unterschieden hoben sie sich von einander ab, waren engagiert, bemüht und rutschten nie in die Blödelei ab (weil die das selbst so ernst nahmen). Und darin hält sich eben auch die Spannung. Durch die Seri-osität auf der Bühne entfaltet sich eine besondere Zuschauerfreude. Ist eigentlich zu vergleichen mit der Gratwanderung eines traurigen Clowns.
Schön wars.
Forced Entertainment (Tomorrow’s Parties)


7. BERLIN BIENNALE        9. Mai / 11. Mai 2012
Kunstwerke Berlin, St. Elisabeth-Kirche Berlin

+ ist doch vollkommener Quatsch und ich mag auch nicht in den Lamentierkanon einsteigen (natürlich bloss, weil ich niemals so toll, bissig, stichhaltig und klug schreiben kann wie zum Beispiel Hanno Rauterberg), nur etwas noch:
Als man mir in der Elisabeth-Kirche mehrmals versicherte, dass der weiss bekittelte und in sich verlorene Mann, Pawel Althamer sei, verliess mich für ein paar Momente unverzüglich jegliche jemals vorhanden gewesene Begeisterung für seine Kunst, und zwar nur, weil ich Zeuge davon wurde, wie dieser ernsthalft zwei Stunden lang an einem Jesusgesicht mit Schnattengrimasse malt und schliesslich an die Wand tackert.
Und das war echt gruselig mitanzusehen.
So, und jetzt Schwamm drüber.


ONDÁK ROMAN                        19. Mai 2012
Do not walk outside this area
Deutsche Guggenheim

+ mir scheint, der neue artist oft the year hatte nicht wirklich viel Bock auf seine Kür. Keine Ahnung ob’s an mir lag, aber diese Ausstellung kam mir so dermassen ausladend, richtiggehend abweisend vor. Und all die kleinen feinen Kunstfreuden wie zum Beispiel ein verdecktes Schlüsselloch in der Ausstellungswand mit Blick auf den Boulevard nach draussen, ein Stem-pelset von Le Corbusier oder die kleine Postkarten-serie samt Omage an On Kawara sind komplett ver-schenkt ausgestellt, so dass ihre Wirkungskraft lei-der ins Prollig Brüllige kippt.
In der Mitte der Ausstellung verbindet ein Tragflügel eines Flugzeuges, ähnlich einem Steg, zwei Räume. Es ist dem Besucher selbst überlassen ihn zu betreten und es ist in der Tat ein schönes Gefühl, ein vor-sichtiges Gehen, ein nobles Objekt, schön ohne Ende.
 

DIE GROSSE WELT AUSSTELLUNG             9. Juni 2012
The World Is Not Fair
Flughafen Tempelhof

+ in ei­nige Pavillons versteh ich gar nix und hab schlicht keine Lust mehr zu irgendwelchen Material-, Mu­sik- und Holzansammlungen mir was-auch-immer dazu auszuden­ken. In den meisten Pavillons aber wird man aber angenehm an die Hand genommen und empfangen. Bei Krösinger zum Beispiel erlebt man eine Performance-Führung zur Ge­schichte des Flughafens. Bei Dellbrügge & de Moll erläutert eine Performerin das Anliegen der Künst­ler: aus dem Flughafengelände nämlich eine Art Künst­lerkoloniealtersheim zu errichten. In der TV-Box von Tracey Rose lässt sich von einer Live-Sitcome mit 5 schwarzen Performern nicht mehr wegzappen. Ein mittler­weile in die Jahre gekommene Big-Brother Kladera­datsch. Und so fährt man angemeldet oder unorgani­siert (Harun Faroki und Eliasson hab ich Trottel tatsächlich verpasst) von Ereignis zu Ereig­nis auf der spektakulären Flughafenödnis, die immer auch ein wenig einen traurig-tristen Eindruck hinterlässt. Auf Wiedersehen Herr Lilienthal. Und vielen Dank für das stille Rambazambatheater.


IKEDA ROYJI.JPG (© Foto: Esther Ernst)
BERLIN.STATUS (1), 15. April 2012 .JPG (© Foto: Esther Ernst)
DAMM CHRISTOPH, 24. April 2012.JPG (© Foto: Esther Ernst)
AUFBRUCH MALEREI UND REALER RAUM 6. Mai 2012.JPG (© Foto: Esther Ernst)
RICHTER GERHARD, -Mai 2012 .JPG (© Foto: Esther Ernst)
STAMER PETER,13. Mai 2012 .JPG (© Foto: Esther Ernst)
7. BERLIN BIENNALE,9. Mai,11. Mai 2012.JPG (© Foto: Esther Ernst)
ONDA¦üK ROMAN, 19. Mai 2012 .JPG (© Foto: Esther Ernst)
DIE GROSSE WELT AUSSTELLUNG.JPG (© Foto: Esther Ernst)
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