Neue Öffentlichkeitsformate

Interview mit Alexander Schröder

2007:Jul // Doreen Mende

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07-2007









Alexander Schröder von der Galerie neu im Telefon-Gespräch mit Doreen Mende über die Unterschiede zwischen INIT-Kunsthalle, Galerie NEU, Kunst-Messe, Optik Schröder, Grill Royal, Mehringdamm 72 und einer Freifläche an Mulackstraße in der Nähe der Modeläden A.P.C. und bless.

Doreen Mende / Ein Schwerpunkt eurer Ausstellungstätigkeiten wie auch deiner Kunstsammlung sind zeitgenössische Positionen, die an Fragen der Öffentlichkeit und Strukturierung öffentlicher Räume interessiert sind. Ich möchte gerne mit dir über die Produktion von Öffentlichkeiten reden, wenn es um das Ausstellen von Kunst geht. Jedem Ort wohnt eine spezielle räumliche wie auch kontextuelle Matrix inne, die Lesbarkeiten und Interpretationen von ausgestellten Arbeiten beeinflussen. Würdest du dem zustimmen? Oder anders gefragt: Was kann eine Galerie nicht leisten?

Alexander Schröder / Grundsätzlich stimme ich deiner ersten Frage zu, wobei die Galerie als Raum sich dabei nicht so sehr in den Vordergrund spielen sollte. Die Galerie muss eine bestimmte Neutralität bieten. Es gibt aber andere Räume, die mich für bestimmte Projekte mehr interessieren. Daraus wird dann aktuell zum Beispiel Mehringdamm 72, die Ausstellung im Kunstverein Braunschweig (Optik Schröder, 2006) oder die init-Kunsthalle an der Chausseestraße (1998–2000). Bei init ging es mehr um den Raum als Dimension, nicht um einen ehemaligen Supermarkt. Nach fünf Ausstellungen war es aber auch okay, dass es wieder beendet wurde.

Mende / Warum hatte es sich nach fünf Ausstellungen mit init erledigt?

Schröder / Weil es zeitlich begrenzt war. Ich denke, wenn man etwas Provisorisches macht, reicht es dann auch nach einer Weile, da ab einen bestimmten Zeitpunkt technische Anforderungen wichtiger werden.

Mende / Parallel zu init seid ihr 1999 mit der Galerie neu in umgebaute Räume in der Philippstraße gezogen. Der Ausstellungsraum dort entspricht Ausstellungsstandards wie wir sie aus musealen Kontexten kennen.

Schröder / Nachdem wir Stationen in der Auguststraße, Charitéstraße oder auch den Supermarkt durchlebt hatten, gab es irgendwann den Moment, wo wir die Off-Orte mit schiefen Ecken und Türen nicht mehr sehen konnten. An der Philippstraße interessierte uns, dass die Galerie nicht auf dieser Mitte-Meile liegt, aber sich in einer guten location mitten in der Stadt und dennoch in einer Park-artigen Umgebung befindet. Es ist kleiner und privater. Wir wollten mit den geringsten Mitteln diese alte Stallanlage des Veterinärmedizinischen Instituts der Humboldt-Universität so umbauen, dass man nicht in irgendeiner Etage oder im Erdgeschoss sitzt, sondern ein freistehendes Gebäude hat.

Mende / Warum als Galerie und nicht als nicht-kommerzieller Ausstellungsort?

Schröder / Weil wir da schon seit 1995 eine Galerie gemacht hatten, bestimmten kommerziellen Ansprüchen entsprechen wollten, Künstler vertreten und Kunst verkaufen.

Mende / Kannst du verdeutlichen, wie sich Präsentationen an den verschiedenen Orten unterschieden?

Schröder / Bei init zum Beispiel verstanden wir den ehemaligen Supermarkt nicht als Supermarkt – das wäre auch langweilig gewesen – sondern bezogen die räumlichen Bedingungen mit ein. Isa Genzken zum Beispiel konnte das erste Mal ihre Spiegel-Arbeit in vollem Umfang zeigen. Dafür war init der optimale Raum. In der Galerie ließ Andreas Slominski einen Karnevalszug im Spät-Frühling – also nicht zur Karnevalszeit – durch die Philippstraße ziehen, der Karamelle in die Räume warf; was liegen blieb wurde zur Ausstellung. Oder Cerith Wyn Evans stellte zur Eröffnung als Broodthaers-Referenz ein Kamel in einem der schon vorhandenen Gatter im Garten auf, dokumentiert durch das Fenster der Galerie wurde daraus eine Arbeit.

Mende / Das heißt, die Arbeiten entstehen oft spezifisch für den Raum oder Ort?

Schröder / Oft. Das ist ja auch mitunter ein Grund, warum einige Künstler es in ihrem künstlerischen Werk für uninteressant halten, für Messen Arbeiten zu machen.

Mende / Jedoch ist die räumliche Auseinandersetzung ein wesentlicher inhaltlicher Aspekt eures Programms?!

Schröder / Auf einer Messepräsentation muss man leider Einschränkungen machen. Zum Beispiel muss Manfred Pernice auf kleinere Arbeiten, auf Satelliten, ausweichen – was aber auch sehr interessant sein kann. Es ist ein Spiel, ein Hin und Her zwischen der Arbeit und dem jeweiligen Raum.

Mende / Ist der Mehringdamm 72, den du zusammen mit Yasmine Schroeder-Elgarafi (Inhaberin der Läden a.p.c., bless und anberg in der Mulackstraße) machst, auf eine längere Zeit angelegt?

Schröder / Es gibt verschiedene Ideen. Für diesen Sommer wird Nick Mauss dort wohnen und arbeiten. Es kann auch Vorträge oder Filmabende geben. Aber es wird sicher kein Ausstellungsort sein, wo aller sechs Wochen eine neue Schau präsentiert wird.

Mende / Die Möglichkeiten des Mehringdamm können also einen Prozess der Produktion unterstützen – wohingegen es in einer Galerie vor allem darum geht, die fertigen Werke in die Öffentlichkeit zu bringen?

Schröder / Das kann man so streng nicht sagen, denn es entwickelt sich mitunter auch gemeinsam. Es kann sich gegenseitig befruchten.

Mende / Gibt es darin nicht einen Interessenkonflikt, wenn du als Galerist, Sammler und Betreiber eines Ausstellungsortes agierst?

Schröder / Nein, überhaupt nicht. Ich sehe das als eine freundschaftliche Gegenseitigkeit. In den zwölf Jahren Galeriarbeit in Berlin sind verschiedene Berührungspunkte entstanden, die nicht zwangsläufig im Galerieprogramm enden müssen. Ich finde es ganz angenehm, dass im Mehringdamm Sachen ausprobiert werden können. Auch das Sammeln und die Galeriearbeit sind zwei völlig unterschiedliche Sachen. Die Sammlung geht ihren eigenen Weg.

Mende / Gut, aber du schöpfst aus einem bestimmten Kreis, der auf einem bestimmten Netzwerk beruht. Im Kunstverein Braunschweig bist du als Sammler aufgetreten. Ein Kunstverein grenzt sich durch seine nicht-kommerzielle Programmatik von einem Verkaufsraum ab, jedoch überschneiden sich diese beiden Realitäten bei Optik Schröder in deiner Person.

Schröder / Carola Grässlin [Kuratorin / Leiterin des kv bis 2006; Anm. d.m.] sammelt selbst auch. In vielen Sachen sind unsere Interessen ähnlich und die inhaltliche Zusammenarbeit verlief also sehr einfach. Viele Positionen waren aber vorher schon einmal bei ihr zu Gast im Kunstverein. Damit haben wir bewusst gespielt, zum Beispiel mit der Tom Burr-Arbeit, die wir an gleicher Stelle installiert haben. Für mich erschöpft sich das überhaupt nicht. Das ehemalige bürgerliche Privathaus als Ausstellungsort lässt eine entspanntere Atmosphäre zu als eine große, weiße Halle, in der die Arbeiten an einer Wand hintereinander aufgeperlt gezeigt werden.

Mende / Bereits im Titel Optik Schröder wird die Bindung der Sammlung an deine Person deutlich und öffentlich gemacht. Gab es Überlegungen für andere Titel?

Schröder / Wie kann man offensiv mit dieser Subjektivität umgehen? Ich kenne das von beiden Seiten. Niemand ist frei davon, was gerade auf dem Markt interessant ist. Aber es geht sicher nicht nur darum, die Hausnummern zu sammeln, die der Kunstmarkt gerade ausspuckt. Es ist besser, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Mende / Die Strategien eurer Öffentlichkeitsarbeit bei neu entsprechen nicht dem üblichen Standard. Um an Informationen über eure Ausstellungsprojekte oder Künstler zu kommen, muss man euch anrufen oder vorbeikommen. Tragen die Öffentlichkeiten bei euren Aktivitäten familiäre Züge?

Schröder / Nein, das stimmt so nicht, es gibt verschiedene Formate, auch konventionelle. Wir schalten Anzeigen und verschicken Einladungen – unsere Ausstellungen werden ganz normal angekündigt, zum Beispiel im Index-Flyer. Messen sind als Kommunikationsort auch wichtig. Bald aktivieren wir eine Webseite, obwohl wir dafür bekannt sind, keine zu haben. Aber genau dann kann man das wieder umdrehen. Trotzdem ist uns der persönliche Kontakt wichtig, damit das nicht so anonym bleibt.

Mende / Warum wollt ihr das jetzt ändern?

Schröder / Weil wir jetzt nicht mehr so negativ diesem Netz-Medium gegenüber eingestellt sind, das übrigens auch gepflegt und gehegt werden muss.

Mende / Wie ist das mit Grill Royal, das innerhalb kurzer Zeit zum Treffpunkt der Delikatessen-Kunst-Freunde geworden ist. Ist Grill Royal, das von deinem Galerie-Partner Thilo Wermke mit-betrieben wird, eine Erweiterung eurer Öffentlichkeitsformate?

Schröder / Das Restaurant ist das Restaurant und soll am Ende durch sein gutes Essen brillieren. Restaurants sind einfach auch Orte, wo man sich trifft und kommuniziert. Das gleiche gilt für die Läden in der Mulackstraße, mit denen wir verschiedene Projekte gemeinsam veranstalten. Die Freifläche zum Beispiel unmittelbar neben dem bless shop ist eher mit dem Mehringdamm zu vergleichen: mal Skulpturengarten [„Howl“ von Tom Burr], mal Marktplatz [„market on lamu“].

Mende / Grill Royal ist eine informelle Kommunikationsebene, oder?

Schröder / Kommunikation ist natürlich wichtig. In der ersten Galerie neu ging es auch darum, dass sich Leute verschiedener Kreise getroffen haben und nicht nur eine Szene. So kann das im Grill an manchen Abenden auch sein. Das Publikum besteht ja an einem normalen Tag nicht nur aus Kunstleuten.

Mende / Man trifft dort auf eine bestimmte Kunst-Öffentlichkeit.

Schröder / Es erfüllt ein Bedürfnis der Leute, die es müde sind, in die Paris-Bar oder in das Borchardt zu gehen.

Mende / An den verschiedenen Stationen, über die wir jetzt gesprochen haben, entstehen verschiedene Öffentlichkeiten. Wirkt das auf die Galerie zurück?

Schröder / Wesentlich sind die Ausstellungen, die für die Betrachter und für andere Künstler wichtig sind. Sammler trifft man in der Galerie und auf Messen. Ich bin jedoch manchmal erstaunt, wie sehr das Publikum der Eröffnungen in der Galerie variiert. Ich sehe das positiv, dass nicht immer die gleichen Leute unterwegs sind.

Mende / Wenn man sich eure Ausstellungschronologie ansieht, fällt auf, dass ihr gar nicht so selten mit Künstlerinnen – besonders bei Gruppenschauen – zusammengearbeitet habt. Das überrascht. Im fixen Programm dominieren jedoch eindeutig die Männer. Woher kommt diese verbindliche Affinität zum Männlichen?

Schröder / Da gibt es noch ganz andere Jungsgruppen.

Mende / Das ist richtig, aber wie kommt es bei euch dazu?

Schröder / Man kann ja nicht wegen der Quote mehr Frauen ins Programm nehmen. Es waren mal weniger und jetzt vertreten wir Kitty Kraus, Josephine Pryde, Hilary Lloyd, Cosima von Bonin, Katharina Wulff. Es ist sicher nicht so, dass wir nur Männer repräsentieren.

Mende / Die Quote zu erfüllen – darum geht es ja nicht. Es spiegelt eine Situation wider, die nicht unbekannt ist.

Schröder / Man muss das zur Kenntnis nehmen. Am Ende muss man das zeigen, was einen interessiert. So blöd das jetzt klingt.

Mende / Wäre es für euch vorstellbar, dass ihr mit bless [“bless is a project that presents ideal and artistic value by products to the public”, Ines Kaag / Desiree Heiss] eine Ausstellung bei neu macht?

Schröder / Warum denn nicht. bless sind so eine Mischform zwischen Mode und Kunst. Die Frage ist, ob man in diesem Kunstkontext gelesen werden will oder in der Position bleibt, in der man ist. Das Kunstpublikum versteht mitunter diese Verschiebungen – oder auch nicht. Aber diese Unschärfen sind das Interessante.

www.galerieneu.com
www.kunstverein-bs.de
www.mehringdamm72.de
www.bless-service.de
www.anberg.ag  
www.apc.fr
www.grillroyal.com
Grill Royal (© Foto: Kito Nedo)
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