Paul Pfeiffer

carlier/gebauer

2008:Nov // Raimar Stange

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10-2008
















Gleich drei Videoarbeiten zeigt der US-amerikanische Video­künstler Paul Pfeiffer in seiner dritten Einzelausstellung in der Galerie carlier/gebauer: „Live from Neverland“ (2006) in der Michael Jacksons legendäre Rede zu dem Vorwurf, er habe Sex mit Minderjährigen, ästhetisch aufgearbeitet wird, dann „Cross Hall“(2008), die ein Rednerpult aus der Sicht einer Überwachungskamera so erratisch wie erhaben ins Bild setzt, schließlich die 3-Kanal-Video-Arbeit „Caryatid (Red Yellow Blue)“(2008). Gemeinsam ist den drei Arbeiten das ästhetische Moment der „Freistellung“ von Motiven aus der massenmedialen Bilderwelt, die dann isoliert von jedwedem visuellen Kontext im Werk stehen und dann auf ihr künstlerisches Potenzial vertrauen. Ob diese ästhetische Rechnung wirklich aufgeht, soll eine nähere Betrachtung von „Caryatid (Red Yellow Blue)“ nun zeigen.  

Die Arbeit zeigt auf drei Monitoren, diese so groß etwa wie der häusliche TV-Apparat, auf dem Samstags die Sportschau geschaut werden kann, Szenen aus Fußballspielen, genauer: just den spektakulären Moment, wenn ein Spieler vom Gegner gefoult wird. Freigestellt wird dieses ergreifende Ereignis insofern, als Gegner und Ball im Bild jetzt nicht mehr zu sehen sind. Die so entstandene Kollektion von sich auf dem grünen Rasen windenden Spielern ist zudem farblich geordnet, Spieler mit roten Trikots sind auf dem linken Monitor zu sehen, solche mit gelben Trikots auf dem mittleren Bildschirm, schließlich die Blauen. Das Ergebnis dieser simplen Konstruktion ist ein hübsch anzuschauendes ‚Fernsehballett‘, das die gefoulten, (während der letzten Weltmeisterschaft) gefilmten und vom Künstler anschließend freigestellten Spieler in ungewollt artistischer Körpersprache präsentiert. Aber was leistet all dieses? Der Titel nimmt da kein Blatt vor den Mund: Weniger wird hier eine künstlerische Kritik an der Kultur der Massenmedien von Paul Pfeiffer vorgestellt, als vielmehr eine Aufwertung dieser mit Hilfe einer Parallelschaltung ihrer Bilder mit Bildern der hehren Kunst, zum Beispiel mit Barnett Newmans Farbfeldmalerei „Who is Afraid of Red, Yellow, Blue“(1966/67), nämlich.

Ein anderer Vergleich aber sei hier erlaubt, und zwar der mit der Videoinstallation „Father Mother“(2005) von Candice Breitz. Auch hier werden massenmediale Formulierungen freigestellt, und zwar die von diversen Hollywooddarstellern, die entweder, wieder spricht der Titel Bände, Väter oder Mütter spielen. Isoliert vor schwarzen Hintergrund sprechen die Schauspieler ihren Text, ihre private, aber auch gesellschaftliche Lage als Vater bzw. Mutter im Film dramatisierend. Nicht der gnadenlosen Ästhetisierung, dem „Sterben in Schönheit“, wie bei Paul Pfeiffer, also dient bei „Father Mother“ die Freistellung des gefilmten Geschehens, sondern gleichsam der Objektivierung von einem sozialen Problem, das im Spannungsfeld von medialer Konstruktion, Klischee und Erfahrung von ‚Realität‘ verhandelt wird. Die mediale Realität wird so nicht als ‚Kunst‘ verherrlicht, ihr wird von Candice Breitz eben nicht ‚erhabene‘, außerhalb des schnöden Seins existierende Qualität verliehen, sondern sie wird mitten hinein im ‚richtigen Leben‘ verortet. Genau dies macht sie notwendig über das rein Ästhetische hinaus.

Paul Pfeiffer
carlier/gebauer
Markgrafenstraße 67
6.9.–18.10.2008    
Paul Pfeiffer „Caryatid (Red Yellow Blue)“, 2008 (© Courtesy Carlier Gebauer)
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