Battle Fatigues

Gespräch mit Marc Brandenburg

2014:Mar // Stephanie Kloss

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03-2014
















Battle Fatigues
/ Gespräch zwischen Stephanie Kloss und Marc Brandenburg

Stephanie Kloss   /      Kunst bildet immer in ihren jeweiligen Epochen Mode als Teil der Wirklichkeit ab. Es sind die Kleider, nicht die Leute.Was ist heute für dich in Mode? In der Kunst, aber auch auf der Straße?
Marc Brandenburg   /      Ich weiß gar nicht, wie ich das beantworten soll. Mode im Sinne von Trends, Zeitgeist und Couture interessiert mich nur insofern, dass man darauf reagieren kann oder sich Kleinigkeiten rauspflückt, um sie in eigene Looks einzuarbeiten. Aber an sich ist Mode als Industriezweig eher eine Krücke für die Hilfsbedürftigen.
Ausschlaggebend im Umgang mit Kleidung ist vielmehr Stilgefühl. Ich habe keine Ahnung was in Mode ist … Wahrscheinlich so auszusehen wie alle anderen, da ist die Kunstszene keine Ausnahme. Es passiert jedenfalls sehr selten, dass ich das Bedürfnis verspüre, einen zweiten Blick zu werfen, und jemanden nicht sofort anhand seiner Kleidung lesen kann.
Es wird leider zu wenig Verwirrung gestiftet und das hat wenig mit der Rolle der Modeindustrie zu tun. Ich mache eigentlich keinen Unterschied zwischen Kunstwelt und Straße. Ich würde sogar sagen, dass die Kunst ohne die Straße gar nicht existieren könnte.
Kloss   /      Wenn man heute erfolgreiche Künstler sieht, sind sie meistens in die gleichen teuren Labels gekleidet. Früher war mehr Verweigerung oder Individualität angesagt, wie siehst du den allgemeinen Dresscode?
Brandenburg   /      Es gab zu jeder Zeit einige wenige, die sich von der Norm abgehoben haben, bei denen die Kleidung zur Arbeitsuniform wurde. Zwei Beispiele extrem gelungener Arbeitsuniformen waren die der Künstler Hanne Darboven und Joseph Beuys. Bei einem Großteil waren es mit Rotwein und Ölfarbe bekleckerte Pullis und andere Nichtigkeiten, sowohl als Uniform wie auch privat. Heute sind es Maßanzüge und Margiela, was auf Dauer auch nicht aufregender ist.
Kloss   /      Deine Arbeit hat unter anderem mit Codes, Ritualen, Fetisch zu tun. Dein Selbstportrait „Burberrys Hasskappe“ von 1992 z. B. ist ja eher Punk als Fashion-Victim. Spielt Mode weiterhin eine so große Rolle in deiner Arbeit oder hat sich das verändert?
Brandenburg   /      Ich reagiere mit meiner Arbeit natürlich auch auf Mode als Teil der Konsumwelt und schlussendlich geht es immer darum, zu irritieren. Die „Burberrys Hasskappe“ ist in einer Zeit entstanden, als das Label noch ein erzkonservatives Image hatte, und wurde dadurch natürlich zum subversiven Statement.
Heute würde so ein Eingriff wahrscheinlich begrüßt werden, zu meinem Entsetzen allerdings.
Eine weitere Arbeit waren die „Tarnpullover für Ausländer“, zu der ich durch die damalige Benetton-Kampagne inspiriert wurde. Das waren bunte Secondhand-Acrylpullover, an die habe ich Köpfe und Hände verschiedener Ethnien ranstricken lassen. Ich nehme jedenfalls Kleidung als Ausdrucksmittel sehr ernst und wichtig und deshalb wird diese auch immer in der einen oder anderen Form als Teil meiner Arbeit auftauchen.
Kloss   /      Kürzlich sah ich dich mit einer Dornenkrone auf der Straße. Dieses Stiften von Verwirrung durch ungewöhnliche Kombinationen, hat das bei dir etwas mit Provokation zu tun oder ist das eine Art Performance für dich?  
Brandenburg   /      Es kann immer irgend jemanden geben, der sich provoziert fühlt, aber dazu braucht es keine Dornenkrone, das kann jedenfalls nicht mein Problem sein. Wenn man es als eine Art Performance betrachten möchte, kann ich das auch nicht ändern. Ich finde einfach, dass es verdammt gut aussieht.
Kloss   /      Bei einem Fotoshooting meinten Galeristen, du solltest dich weniger modisch kleiden. Wie stehst du zu diesem Eingriff in deinen persönlichen Stil?
Brandenburg   /      In ein Ohr rein, aus dem anderen wieder raus.
Kloss   /      Du hast mir erzählt, dass du den Buffalo-Hut von McLaren/Westwood schon 1982 getragen hast. Exakt den gleichen, den Pharell Williams gerade bei seinem Grammy Aufritt zu „Get Lucky“ auf dem Kopf hatte. 32 Jahre später erregt dieses Accessoire immer noch Aufsehen, womit hat das zu tun?
Brandenburg   /      Naja, der Hut erregt mehr Aufsehen als je zuvor, was einerseits mit der genialen Verbindung von McLaren/Westwood und ihren Design-Visionen, anderseits mit der sekundenschnellen globalen Verbreitung zu tun hat.
Auf einen Schlag brauchen Horden dusseliger Modelämmer ganz dringend ein Produkt, das es seit etlichen Jahren gibt.
Kloss   /      Du hast auch mal mit dem Modedesigner Bernhard Willhelm zusammengearbeitet, wie sah diese Kollaboration konkret aus?
Brandenburg   /      Das sah so aus, dass ich meine Zeichnungsmotive, die die Vorlagen bildeten, zu einem All-over-Ornament angeordnet habe. Bernhard hat sich aus diesen Entwürfen dann zu der Kollektion passende ausgesucht und daraus Strickstoffe machen lassen.
Kloss   /      In einem Interview hast du gesagt, dass „Kleidung für dich ein Panzer ist, um Idioten abzuhalten“. Wer ist damit gemeint und wie funktioniert dieser Panzer?
Brandenburg   /      Die Antwort bezog sich hauptsächlich auf meine Teenagerzeit und die Welt hat sich seitdem natürlich sehr verändert. Heutzutage kann jeder Bürger mit „gesundem Menschenverstand“ sich eine bunte Strähne in den Fassonschnitt färben lassen, ohne dass es als Statement gewertet wird.
Äußerlich ist heute fast alles möglich: ein Eintopf mit zu vielen Zutaten, von dem mir kotzübel wird. Die Antwort ist natürlich immer noch gültig, nur muss man subtiler arbeiten.
Kloss   /      Letzte Frage: wie sieht dein Ideallook aus?
Brandenburg   /      Mein Ideallook wäre, aus meinem brennenden Haus zu laufen und mir gerade noch etwas überwerfen zu können, mit dem Bewusstsein, dass sowieso jedes gegriffene Teil top aussieht.
Porträt Marc Brandenburg (© Stephanie Kloss)
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