Gespräch mit Rafael Horzon

2008:Nov // Andreas Koch

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10-2008
















Rafael Horzon ist seit zehn Jahren mit einem Regalgeschäft „Moebel Horzon“ in der Torstraße präsent. Der Ladenraum und das darin ausgestellte Regal „Modern“ variierte über die Jahre nur wenig. Ansonsten erreichten einen in diesem Zeitraum immer wieder Einladungen zu diversen Neugründungen und Jubiläumsveranstaltungen. Dieses Interview versucht, etwas Licht hinter die multiple Fassade des 37-Jährigen zu bringen.

Andreas Koch  /  Wenn du jemanden kennenlernst und gefragt wirst, was du machst, was antwortest du und verwendest du gegebenenfalls Variationen dieser Antwort?

Rafael Horzon  /  Dann sage ich, was der Wahrheit entspricht, weil ich immer die Wahrheit sage: „Ich bin Unternehmer.“ Und auf die neugierigen Nachfragen erzähle ich dann von meinen gutgehenden Unternehmen wie „System-Lüftung“, „Belfas“ oder „Moebel Horzon“. Im Moment plane ich ein Unternehmen namens „Pferd Zentrale“, mit dem ich in den Bereich der Hengst-Aufzucht einsteigen möchte.

Koch  /  Ist das nicht nur eine Wahrheit? Könnte man nicht auch sagen, du bist Produktgestalter oder Ideenentwickler? Immerhin entsteht bei dir aus einem Produkt oder aus einer Idee ein eigenes Unternehmen und deine Homepage verzeichnet mittlerweile zehn davon. Jedenfalls erscheint dein Umgang mit dem Beruf des Unternehmers als ein sehr spielerischer, um nicht zu sagen künstlerischer.

Horzon  /  Coca Cola ist doch auch aus einem einzigen Produkt entstanden, und ist mittlerweile das erfolgreichste und wertvollste Unternehmen der Weltgeschichte. Um ehrlich zu sein, ist es die Suche nach genau diesem einen Produkt, die mich antreibt: Jedes neue Produkt könnte das neue Coca Cola sein! Niemand kann absehen, wie erfolgreich ein Produkt sein wird, bevor es nicht auf den Markt gekommen ist, also gründe ich ständig neue Unternehmen. Leider waren es seit dem großen Erfolg meines Regals „Modern“ nur Fehlschläge. Aber die nächste Idee könnte mich schon wieder unermesslich reich machen! Ein spielerischer Umgang ist dabei nicht nur erwünscht, sondern sogar notwendig: Alle großen Unternehmer waren auch Spieler. Mit Kunst hat das nichts zu tun, ich habe sogar mit der Wissenschaft und der Wirtschaft zwei Betätigungsfelder gewählt, die von der Kunst am weitesten entfernt liegen. Erstens weil wirklich  alle Menschen, die ich kennenlernte, als ich als junger Mann nach Berlin kam, auch Künstler waren. Also wollte ich logischerweise nicht Künstler werden. Und weil ich zweitens nach der siebenmaligen Lektüre von Pierre Cabannes „Interviews with Marcel Duchamp“ keinen Sinn darin sah, weitere Beweise dafür anzuhäufen, dass alles, was jemand zu Kunst erklärt, auch Kunst ist. Darauf lässt sich ja die Produktivität des heutigen Künstlers zurückführen: Suppendosen, Staubsauger, Haie – alles ist immer nur eine Variation der großen „Fontaine“, also des Urinals, das Duchamp 1917 zu Kunst erklärt hat. Ich wollte mich an der Wiederholung dieser Idee nicht auch noch beteiligen.

Koch  /  Tatsächlich wirst du aber hauptsächlich im Kunst- und Kulturbetrieb wahr- und ernstgenommen. Deine Wissen­schaftsakademie ist nach zehn Jahren eingestellt und glänzte eher durch illustre Namen mit lustigen Vorträgen, wie z.B. „Der Hippie als Antichrist – 2000 Jahre Kulturkampf zwischen Wald und Kirche“ von Carl von Siemens, als durch Wissenschaftlichkeit. Du glaubst doch nicht ernsthaft an den Erfolg deiner Unternehmen, wie z.B. „Belfas“, das quadra­tische Fassadenelemente vor jegliche Art von Gebäuden vor­schlägt oder „Separitas“, das helfen soll, den geliebten Menschen aus einer festen Beziehung loszueisen? Viele deiner Unternehmen scheinen nur dafür gegründet zu sein, irgendwann eine prunkvolle Galajubiläumsparty zu veranstalten oder auch nur scheinbar zu veranstalten, wie kürzlich deine Fünf-Jahres-Pelham-Jubiläumsparty im Kronprinzenpalais, bei der du einfach eine Modekunstveranstaltung zu deinem Event umgewidmet hast. Um zu deiner geplanten Unternehmung zurückzukommen, kennst du dich mit Pferden aus?

Horzon  /  Also, das finde ich ja wirklich sehr interessant: Früher, sagen wir mal seit Courbet und Manet, war das doch immer so: Ein Künstler tut etwas und sagt, das ist Kunst, und dann kommen die Proteste: Nein das ist keine Kunst. Schönes Modell, zumindest gibt es auf beiden Seiten irgendeine Art von Bewegung im Kopf. Mittlerweile funktioniert dies Modell nicht mehr, kein normaler Mensch würde heute noch auf die Idee kommen, irgendetwas als „keine Kunst!“ anzuklagen. Heute   hat es sich umgedreht: Wenn   ich eine Akademie oder einen Möbelladen oder ein Bauunternehmen gründe, dann  wollen alle mich dazu zwingen, endlich zuzugeben, dass das Kunst ist, was ich mache. Das ist doch irre! Das zeigt doch nur, dass dieses Modell Kunst obsolet geworden ist. Ich werde mich daran nicht beteiligen. Weder an der Kunst, noch an dem Leben der anderen. Ich gehe den Dritten Weg.

Koch  /  Ich würde deine Arbeit auch nicht unbedingt als Kunst bezeichnen, zumal du das ablehnst. Aber ich nehme dich auch nicht als Unternehmer oder Akademiker wahr, sondern vielmehr als Jemanden, der sehr humorvoll mit diesen Berufsfeldern umgeht und dies mit einer neobourgeoisen Grundhaltung verfolgt, die gleichzeitig ironisiert wird. So weit weg von Duchamp sehe ich dich da gar nicht, nur dass er eben Künstler war. Statt Bobo (Bourgeois Bohemien) würde auf dich eher Enbo (Entrepreneur Bohemien) zutreffen. Deswegen passen Pferde da ganz gut in die Reihe. Wann willst du damit starten?

Horzon  /  Ich verhandele noch mit unserem Hausverwalter, unser Hof in der Torstraße 138 wäre groß genug für zehn bis zwanzig Hengst-Gatter. Falls das zu keiner Einigung führt, werde ich unsere Nachbarn Vicky Leandros und Wim Wenders in der Torstraße 140 ansprechen, deren Hof grenzt an unseren und hat weidefähigen Rasen, also ideale Voraus­setzungen für die Hengst-Aufzucht.

Koch  /  Echt? Du wohnst auch noch in der Torstraße. Nachdem du deinen Möbelladen in der Torstraße 68 und deine Designfirma Redesigndeutschland in der Torstraße 94 aufgemacht hast, bist du zudem 44 Hausnummern weiter privat eingezogen? Warum hängst du so an der Torstraße?

Horzon  /  Dazu kommt noch, dass die Wissenschaftsakademie Berlin ja ursprünglich, von 1997 bis 1999, in der Torstraße 66 ihren Sitz hatte. Das war der Beginn der neuen Ära. Vorher hatte es in der Torstraße nur spinnwebenverhangene Läden gegeben, in denen die einhundertjährigen Ladenbesitzer Glasscherben und Rinde verkauften. Trotzdem ist die Torstraße vom Schicksal der Schönhauser Straßen mit ihrem Flagship Store und Fashion Experience Drama verschont geblieben, anscheinend ist sie doch zu groß und zu laut. Aber ich werde ihr treu bleiben, weil ich meinen Reichtum und meinen Ruhm nur ihr zu verdanken habe. Und zu Redesign­deutschland noch ein Wort: Auch so eine Firma, die alle immer für Kunst halten, nur weil sie ein paar Prozent radikaler ist, als alle anderen jemals dagewesenen Firmen. Was allerdings auch dazu geführt hat, dass sie noch niemals einen Auftrag von außerhalb bekommen hat.

Koch  /  Das heißt, du verdienst hauptsächlich mit deinen Regalen Geld? Ich kann mir vorstellen, dass die Einführung der Regalwand dem Umsatz einigen Auftrieb bescherte. Immerhin setzte dich die Firma Muji mit dem Pappremake deines Regalklassikers „Modern“ unter Druck. Wie viele Mitarbeiter hast du eigentlich bei Moebel Horzon? Ich habe gehört, du hast unter anderem so aufstrebende Künstler wie Thomas Zipp beschäftigt. Horzon  /  Ja, Thomas war ein viel versprechender Regal-Lehrling. Einer der besten Mitarbeiter, die ich je hatte. Doch dann wurden seine Regale immer ungenauer, von rechten Winkeln keine Spur. Auch einfache Fragen wie zum Beispiel: Warum hat dies Regal zwei Fächer mehr als auf meiner Skizze? wurden ausweichend oder gar nicht mehr beantwortet. Ich legte ihm nah, doch Künstler zu werden, und wenige Wochen später stellte er zum ersten Mal bei Guido Baudach aus. Wir sind aber immer noch gute Freunde. Als Ersatz für Thomas Zipp kam dann Dirk Bell. Leider auch viel zu verträumt für die harte Arbeit in einer Möbelfabrik. Dann kam Marten Frerichs. Seitdem wird von meinen Freunden, die als Galeristen arbeiten, sehr genau beobachtet, wer gerade in der Regalproduktion beschäftigt ist. Aber ich gebe keine Tipps mehr, ich kann ja nicht ständig neue Mitarbeiter suchen, die dann zwei Monate später Künstler werden!

Koch  /  Und eine eigene Galerie wäre bei deiner Konzernerweiterung bestimmt das letzte, was dir in den Kopf kommen würde. Zumal du die Galeriearbeit sicher aus Erzählungen deiner Galeristenfreunde zum Beispiel von Neu gut genug kennst, um die das machen zu lassen. Zusammen entwickeltest du aber u. a. mit Thilo Wermke von Neu das „Grill Royal“. Was genau hast du da gemacht?

Horzon  /  Nicht ganz: Ich hatte mit Boris Radczun, dem jetzigen Geschäftsführer des Grill Royal, eine Schnellimbiss-Kette geplant, namens „Huhn-Land“. In allen Filialen sollte nur ein einziges Lied gespielt werden, nämlich „Huhn River“, eine Neueinspielung von „Moon River“, phonetisch leicht frisiert; wir wollten übrigens alle Instrumente selbst einspielen und auch selbst singen. Wir hatten sogar schon ein Logo entworfen, eine Weltkugel, die vom Huhn-Land-Logo umkreist wird, ähnlich wie der Saturn. Dann kamen aber Stephan Landwehr und Thilo Wermke auf die Idee mit dem Grill Royal, wobei der Name übrigens zu mindestens 50% von meinem Modelabel „Gelee Royal“ kopiert wurde, aber nun gut. Schlimmer war, dass sie jemanden brauchten, der etwas von Gastronomie verstand, und das Huhn-Land-Projekt, also dieser Grad an Professionalität, mit dem das Projekt geplant war, hatte ihnen so imponiert, dass sie Boris Radczun dazunahmen. Damit war Huhn-Land gestorben. Mit Thilo Wermke und Alexander Schröder hatte ich hingegen den Nachtclub Pelham etabliert, ein Projekt, bei dem immens viel Geld verbrannt wurde, weil mir so gut wie kein Fall bekannt wurde, in dem irgendjemand Eintritt oder sein Getränk bezahlt hätte. „Partner und Partner“, meine Veranstaltungsagentur mit Thilo Wermke, läuft dagegen ganz ordentlich. Und große Hoffnung setze ich auch in das Flughafen-Projekt „Rönnebeck International“: Martin Klosterfelde hat in Brandenburg Grundbesitz erworben, auf dem wir einen Flughafen planen, den man zum Beispiel Ryan-Air anbieten könnte. Alexander Schröder, Thilo Wermke und Martin Klosterfelde sind ja nicht nur Galeristen, sondern vor allem auch immens intelligente und innovative Geschäftsleute, deren Blick weit über den Kunst-Tellerrand hinausgeht.

Koch  /  Genau. Da wünsch ich dir noch viel Erfolg mit den Pferden und Flugzeugen und bedanke mich für das Interview.

Rafael Horzons Firmen sind unter www.modocom.de zu finden  
Rafael Horzon in der Werkstatt von „System-Lüftung“ (© Rafael Horzon)
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