Über „Haben und Brauchen“

/Kuscheln in Berlin

2011:Aug // Christoph Bannat

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07-2011
















Man sollte ihnen ein klitzekleines Denkmal setzen, Ellen Blumen­stein und Florian Wüst. Ihnen und ihrer Plattform „Haben und Brauchen“ (www.habenundbrauchen.kuenstler-petition.de), ist es zu verdanken, dass bei Based in Berlin der Umweg über die Worte gesucht wurde und wird. Und dieser Umweg ist heute notwendiger denn je. Ihre Veranstaltungen aber sind von so grausam kultivierter Lageweile, dass ich die Zeit als vertan bezeichnen würde, könnte ich jetzt nicht darüber schreiben. Eigentlich begeistern mich solche Veranstaltungen. Denn wo Menschen miteinander sprechen, gibt es immer einen hohen Durchschnittswert an Wahrheit. Bei diesen Veranstaltungen wurde einmal mehr das Bedürfnis, sich nicht dermaßen von einem solchen Ausstellungsversprechen wie es Based in Berlin abgab, beherrschen lassen zu wollen, deutlich. Die Weigerung dem Einberufungsbefehl an die Ausstellungsfront Folge zu leisten, ist ein ebenso wichtiges Symptom wie der fast leere Raum des einberufenen Ausstellungsraums „After The Butcher“ in den Kunstwerken. Natürlich geht es bei den Diskussionen auch um monetäre Verteilungskämpfe und nicht nur um den wichtigen Rohstoff Aufmerksamkeit.

Geärgert hat mich nur, dass der Lockstoff Kunst einmal mehr zum Einsatz kam, denn hier geht es doch wohl eher um die Verwaltung von Kulturfragen. Wobei die Frage, wo sich unsere Körper denn nun wirklich berühren, im Kulturbetrieb in dem alle miteinander in Konkurrenz stehen, die vielleicht wichtigste ist.

Die Forderungen gingen vom Grundeinkommen, über den Zusammenschluss aller freien Projekträume, bis hin zu einem Manifest was bitte zu schreiben wäre. Gesucht wurde ein Text (Körper) unter, oder in, oder als der man sich wiederfinden konnte. Geschrieben wurden bis jetzt Verwaltungstexte. Und gejammert wurde, dass man vor lauter Organisieren gar nicht mehr zur eigenen künstlerischen Arbeit kommt.

Es ist verständlich, dass Kulturmanager und Kunstvermittler und wie die neuen Studienfächer der letzten Jahrzehnte alle heißen, sich Betätigungsfelder suchen – mit Kunst aber hat das nichts zu tun. Man sollte auf den Lockstoff Kunst verzichten, um sich dem Botenstoff der Artistik zu bedienen. Artistik meint hier Disziplin und Balance. Disziplin, der Willen in dem was man tut besser, genauer, lockerer etc. werden zu wollen. Balance, die Haltung zwischen zwei, oder mehreren Gegebenheiten. Nichts von dem aber war bei den Veranstaltungen vorhanden, in gewohnter Form wurde hier von Kunst geschurbelt. Geschurbel, der Mittler im Patchwork der Minderheiten. Dabei vermisse ich Florian Wüsts Recherchebasierte Fähigkeiten, den richtigen Film diesbezüglich zu finden. Ich schlage einen weiteren Umweg über die Worte, den über Schillers „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ vor. Ja, olle Friedrich, oder Adornos Kultur und Verwaltung in CD-Form, aus der Reihe Originalvorträge: Wissen zum Reinhören. Da kommen die Probleme zwischen Ausstellungs- und Wohnfront, Artistik und Leben(sraum) bereits vor. Allerdings artistisch aufgemischt und bei Schiller mit dem Begriff der Schönheit und dem des Spiels aufgeladen. Und beide, Schiller und Adorno, wussten barbarischere Zeiten, die französische Revolution und die Terrorherrschaft der Nazis, als Lebensfragestellung hinter sich. Wer Artist sein will, sollte sich artistisch verhalten, wer Kultur verwalten will, soll das tun. Und wen es interessiert, wie sich das Verwalten von Kultur auf die Kulturproduktion niederschlägt, der soll dort forschen.

Wir, Axel Gerber und ich, haben zu den Vorgängen um Based in Berlin versucht, einen artistischen Text zu schreiben und zu dramatisieren, in dem wir ihn von zwei Schauspielern haben sprechen lassen (Titel: „Leistungsbasisshow“, 18. 6. in den Kunstwerken). Wenn das irgendwann mal etwas mit der moralischen Begrifflichkeit von Kunst zu tun haben sollte – ich glaub’s zwar nicht – um so schöner. Der Versuch einer artistischen Textgestaltung aber wurde gewagt.

Auch ich wurde mit Kunst gelockt und mit einem Ausstellungsversprechen abgespeist, was kein Grund ist, die Begriffe zu verwechseln. In diesem Sinne sind Wettbewerbe wie DSD-Superstar, oder DSD-Supermodel denen im Kunstbetrieb verwandt, auch wenn behauptet wird, dass es in letzterem um höhere Werte geht. Schafft die 7 % Mehrwertssteuerregelung und die KSK ab, dann berühren sich unsere Körper vielleicht eher mit denen anderer Arbeiter. Bis das passiert ist, lass uns die Freyheit des subventionierten Kulturbetriebs nutzen, wohl wissend, dass wir nicht sprechen müssen, wie wir bis jetzt gesprochen haben.

„Based in Berlin“, Atelierhaus Monbijou, KW Institute for Contemporary Art, Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, Neuer Berliner Kunstverein n.b.k., Berlinische Galerie 8.6.–24.7.2011

Based in Berlin (© Barbara Buchmaier)
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