Männerfreundschaft

/ Sigmar Polke und Klaus Staeck in der Akademie der Künste

2011:May // Thomas Wulffen

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03-2011
















So ganz will der Betrachter dem Frieden nicht trauen. Und es mutet doch eher merkwürdig an, wenn Klaus Staeck in unzähligen Faxmitteilungen den Kollegen Sigmar Polke um ein Treffen bittet. Wer ist hier Knecht und wer ist König?

Zumindest hat Klaus Staeck zahlreiche Multiples mit Sigmar Polke produziert. Er war für Polke Verleger, Galerist und eben auch Künstlerkollege, zu einer Zeit, die den Nachgeborenen heute sehr weit weg erscheint. Polke ist der Meister aller Klassen. Als würde Wum nicht „Thoelke“ rufen, sondern „Polke“. Der aber war damals zu wenig angepasst, obwohl er schon 1972 in der Galerie Toni Gerber in Bern eine Ausstellung unter dem Titel „Der Dürer Hase und anderes“ zeigte. Das liegt im doppelten Sinne des Wortes nun in tiefer Vergangenheit, obwohl einer seiner letzten Ausstellungen unter dem Titel „Albrecht Dürer, Sigmar Polke“ 2010 in der Münchner Pinakothek der Moderne zu sehen war. Die Ausstellung in der Akademie ist die erste nach dem Tode Polkes.

Aktualität kann heute höchstens noch das erste Multiple beanspruchen, das Polke im Jahre 1969 für und mit Staeck realisierte, nämlich der „Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann“. Die Besucher wurden von der Aufsicht auch animiert, diesen Apparat in Bewegung zu bringen und wenn er sich bewegte, dann erschien er auch tatsächlich als ein Kommentar zur Zeit und sei es diese. Der Gleichmut, der diese Arbeit auszeichnet, ist in spezifischer Weise auch Element jeden Werkes von Polke. Wenn er mal aus der Rolle fiel, dann mit Unterstützung.

Beispielhaft für den Umgang mit politischen Gegebenheiten ist die Kunstzeitung mit dem wilden Titel „Day by Day … They take some brain away“, erstellt zusammen mit Achim Duchow, Astrid Heibach und Katharina Steffen aus Anlass der Teilnahme Sigmar Polkes an der Biennale 1975 in São Paulo. Hier wird eine Wut sichtbar, die man dem Künstler nicht zugetraut hätte. Schon der nächste Raum mit dem umfangreichen Bildzyklus „Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinnen“ aus den Jahren 1974 bis 1976 zeigte den klassischen Polke, so wie wir ihn kennen. Und dennoch spiegelt sich in diesen großformatigen Gouachen schon die kritische Betrachtung des gesellschaftlichen Umbruchs von 1968. Zu sehen sind Menschenmassen, Splittergruppen und der Terror dieser Jahre. Für die Ausstellung wurde die Arbeit „Schlangenhaut“ in den Zyklus wieder integriert und ist damit in aller Vollständigkeit zu sehen.

In einem Künstlerbuch von Polke aus dem Jahre 1972 mit Photos von übermalten Wahlplakaten taucht da dann plötzlich das berühmte Plakat von Klaus Staeck auf, mit der fast sprichwörtlich gewordenen Textzeile „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“.

Die Ausstellung trug den Untertitel „Eine Hommage“ und rettete sich damit vor einer Blamage. Denn der Untertitel „Bilanz einer Künstlerfreundschaft“ ist eher eine Notlösung und so sah dann auch die Ausstellung aus. Vor diesem Hintergrund werden dann die schon genannten Faxe ein Beleg für diese Freundschaft. Aber eigentlich suchte der Besucher in der Ausstellung den Staeck in Polke und den Polke in Staeck. Dafür aber stellte sich der Akademiepräsident Staeck dann doch zu sehr in den Hintergrund. Das gereicht ihm zur Ehre, aber mindert den Wert der Ausstellung. Denn tatsächlich wäre der Vergleich zwischen den Werken von Staeck mit den Arbeiten von Polke ein interessantes Unternehmen gewesen, weil eine derartige Gegenüberstellung auch etwas über den künstlerischen Umgang mit politischen Phänomenen ausgesagt hätte. Die Frage „Wer wird Millionär?“ stellt sich heute allwöchentlich nur in einer Quizsendung als Sedativum für alle, die es noch nicht sind und wohl auch nie werden. Die Villen im Tessin sind in festen Händen. Nur wissen wir nicht in wessen und mit wieviel schwarzen Kassen. Und diese Regierung tut ein übriges, die Armen ärmer zu machen und die Reichen reicher. Darin sind die Deutschen im europäischen Vergleich Spitze. Und keiner will es wahr haben.

Tatsächlich fehlen die Werke von Klaus Staeck in der Ausstellung, weil erst über diesen Zugang sich der eigentliche Zugriff von Sigmar Polke auf politische Gegebenheiten hätte klären können. Polke war immer Künstler-Künstler, während Klaus Staeck immer auch Politiker als Künstler war und umgekehrt. Wer heute Recht hat, lässt sich nach dem Tod von Sigmar Polkes nicht mehr entscheiden. Was „politische Kunst“ ist, steht immer noch und immer mehr zur Diskussion. Diese Bilanz ist nur vorläufig. Politische Kunst ist da ein unscharfer Begriff, kann er doch ebenso die Kunst der Politik betreffen, wie die Politik der Kunst. Die spielt mit offenen Karten, während es sich bei der Kunst der Politik doch mehr um Machterhalt handelt, zum eigenen Nutzen, und eben nicht für das sogenannten „Volk“. Das bekommt „panem et circenses“. Kunst mag da durchaus ein Teil des Vergnügens sein, wenn sie sich nicht eines Besseren belehren lassen will. Fragt sich nur von wem.

Sigmar Polke „Eine Hommage – Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/Staeck“, Akademie der Künste, Pariser Platz, Berlin, 14.1.–13.3. 2011

Klaus Staeck mit Sigmar Polkes „Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann“ von 1969 (© Foto: Artefact)
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