Future7, RomyRichterTypographie

Katalog

2009:Jun // Florian Rehn

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06-2009
















Wie aus Kunst neue Kunst entsteht? Diese Frage ist zentral für die aktuellen Arbeitsprozesse des Künstlerduos FUTURE7. Hierfür legen sie ihren Fokus auf spezifische und sehr persönliche Facetten im Umgang mit Kunst, wie ihn im Grunde nur Sammler in ihrer privaten Raumkapsel haben können. Um diesem nachzuspüren, haben beide unterschiedliche Sammler besucht, und fotografisch als auch in langen Gesprächen ergründet, wie diese mit ihrer Kunst leben.

Dabei sind zwei Fragen von elementarer Bedeutung: Was bedeutet Kunst generell für diese Sammler, und wie verändern sie die Kunstwerke durch ihren jeweiligen Zugriff?

Diese Begegnungen führten zu sieben Ausstellungen im Atelier des Duos, das temporär als Projektraum fungierte. Die Sammler wurden gebeten, ausgewählte Arbeiten zur Verfügung zu stellen. FUTURE7 zeigten in einer Installation, im Zusammenspiel mit diesen Arbeiten, wie jeder Sammler mit seiner Kunst umgeht. Die erfahrene Begegnung als Anstoß, als Material, wiederum ein neues Bild zu schaffen, ein Portrait.

Darüber hinaus haben FUTURE7 die Rolle der Sammler selbst gelebt und im Zeitraum von zwei Jahren von sieben Künstlern mindestens jeweils ein Werk erworben. Diese Arbeiten wurden ebenso im Rahmen einer Ausstellung im Atelier gezeigt. Diese Selbsterfahrung als Sammler wurde weiter verarbeitet und mündete in der Arbeit und Ausstellung „Emil Johanna“, den Vornamen der Urgroßeltern. Dieses Projekt ist ein Selbstportrait, in dem beide ihr Bild der eigenen Sammlertätigkeit beschreiben.

Diese Methode kanalisierte nun in ein Buchprojekt. FUTURE7 haben Bilder und Texte zusammengestellt und dieses Material selbst als Buch umgesetzt. RomyRichterTypographie wurde eingeladen, mit demselben Material und in gleicher Form eine persönliche Sicht und Interpretation zu realisieren; eine Verständigung gab es nur hinsichtlich der Buchgröße und der Seitenzahl. FUTURE7 haben ihren Part als Collagen realisiert: 50 an der Zahl, die dann wiederum digitalisiert wurden, um die Reproduktion in Buchform möglich zu machen. Dabei sind diese Collagen sowohl Teil einer möglichen Ausstellung als auch jeweils Ausstellungsraum und Reflektionsfläche. Es geht um das Buch als Ausstellungsraum, verbunden mit der Idee, ein Buch als Teil eines Dialogs zu begreifen.

Nähert man sich dem Buch von FUTURE7 zunächst formal, ist auffällig, dass absolut kein Weißraum übrig ist. Das Buch mit seinem Grundmaterial Papier ist vollständig absorbiert als Träger der Collagen. Dabei zeigen die Collagen keine bio­graphische Werkschau, sondern betten verschiedene Texte ein: Jennifer Allen und Markús Thór Andrésson kommentieren die Arbeit von FUTURE7, komplettiert wird das Ganze mit Texten von Gustave Flaubert und Egon Fridell. Das Bild vom Bild ist hier die Metapher und inhaltliche Klammer, denn das Interesse von FUTURE7 liegt in der Reflexion von Reflexion jener der Gesprächspartner und auch der eigenen. Nach jahrelangem Prozess mit Ausstellungen, Sammlertätigkeit und eigener künstlerischer Praxis ist eben dieses Buch entstanden. In erster Linie ist das Ergebnis visuell, und die jeweiligen Texte sind wieder Teil einer künstlerischen Arbeit. Durch die Übersetzung in das Format Buch füllen sich diese Texte mit spezifischem Leben und bilden sehr rote Fäden. Sehr rot, weil auch hier wiederum Reflexion von Reflexion geschieht, und darüber hinaus die Texte in schön unregelmäßigem Rhythmus zu den übrigen Teilen der Collage gesetzt sind und so die Situation des Dialogs bildlich werden lassen.

RomyRichterTypographie hat sich ihrem Part konzeptuell genähert und mit diesem Umstand nach Herzenslust gespielt. So findet sich das Impressum, gemeinhin auf den ersten oder letzten Seiten zusammengepfercht, selbstbewusst auf dem Cover.

Der Text wird in verschiedenen Rhythmen gesetzt, wobei sich deutsches und englisches Äquivalent paarweise gegenüberstehen und im Verlauf des Buches ein Tänzchen miteinander wagen. Nicht immer gleich, sondern rhythmisch. Lediglich der Name FUTURE7, immer in Versalien und im Bold-Schnitt gesetzt, geben einen imaginären Choreographen, an dem sich das Auge entlang hangeln könnte, wollte es den Text nicht lesen sondern als Bild begreifen. Werden erklärende Informationen in Texten gern ans Ende befehligt, versteht ihr Teil die Bilder der Arbeiten und Ausstellungen von Florian Wojnar und Nikolai von Rosen als Zusatzinformation, die sich im hinteren Teil der Publikation tummelt. Auch das Format wird nun nicht mehr als absoluter Rahmen anerkannt, und so scheinen manche Abbildungen in den gedruckten Seitenbereich hinein gewachsen oder aus ihm heraus zu streben.

„Pas de deux“, Band 1 und 2, ein Katalog von
RomyRichterTypographie und eine Collage von FUTURE7
2009, erschienen bei argobooks, Berlin
FUTURE7 „Pas de Deux", Ausschnitt einer Collage aus dem gleichnamigen Buch (© argobooks 2009)
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