Asmara

DAZ

2006:Dec // Naoko Kaltschmidt

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12-2006
















Das neue Rom des „Africa Orientale Italiana“ hätte es werden sollen: Asmara, die Hauptstadt des ostafrikanischen Staates Eritrea. Noch in den 1880er Jahren ein kleines Dorf, führte die italienische Kolonialisierung seither, besonders in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zu einem explosionsartigen Wachstum, das erhebliche städtebauliche und architektonische Maßnahmen mit sich zog. Nach der folgenden britischen, später äthiopischen Okkupation und der erst 1993 erlangten Unabhängigkeit wird man nun langsam auch international auf das aufmerksam, was hier geradezu zeitkapselartig erhalten ist: Es ist, wahrlich ohne zu übertreiben, eine Sensation. All die politischen Turbulenzen haben die ca. 400 Gebäude italienischer Moderne wie durch ein Wunder ohne gröbere Schäden überstanden.

Synkretismus, Futurismus, Novecento, Art déco, Rationalismus, Monumentalismus – all diese Stile finden sich in den atemberaubenden Bauwerken des modernistischen Asmara wieder; so fatal Mussolinis Faschismus auch war, so muss doch im Vergleich zum ns-Regime, jedenfalls in Bezug auf die kulturpolitischen Konsequenzen, ein wesentlicher Unterschied festgehalten werden, dass nämlich die italienische Variante durchaus progressive Entwicklungen zuließ (zumindest bis der Zusammenschluss mit Deutschland erfolgte). Dieser Umstand entsprang freilich weniger einer aufgeklärten Gesinnung, als vielmehr einer uneindeutigen, also auch minder rigorosen Vorgabe – immerhin für ein totalitäres System. So erklärt sich die überraschende Vielfalt der in dieser Zeit entstandenen Bauten.

Der Konzeption dieser bedeutenden Ausstellung im Berliner daz liegt ein wunderbarer Fotobildband zugrunde, doch es stehen klar die historischen und geografischen Kontexte im Vordergrund, statt etwa bloß ästhetischen Fragen nachzugehen. In der filmischen Dokumentation „City of Dreams“, die neben den Schautafeln und Baumodellen gezeigt werden, unternimmt der Architekturexperte und Co-Kurator der Schau Naigzy Gebremedhin einen Spaziergang – er nennt es passeggiata – durch das Stadtzentrum: Er schwärmt von der Eleganz der reduzierten Formensprache des Selam Hotels, erläutert die Integration lokaler Motive in die Ausstattung faszinierender Lichtspielhäuser oder erzählt von der legendenumwobenen Entstehung jener Fiat-Tankstelle, deren tollkühne, an ein Flugzeug erinnernde Dachkonstruktion sich über 30 Meter erstreckt. Trotz der Rassengesetze und Segregation der Kolonialzeit sei man heute stolz auf diesen einzigartigen Kulturschatz; vielleicht auch deshalb, weil in anderen Gebieten der Stadt, jenseits jeglicher Nostalgie, jene Zustände vorherrschen, die gemeinhin das westliche Bild von Afrika prägen: Eritrea ist eines der ärmsten Länder der Welt, Dürreperioden sind keine Seltenheit, zudem bestehen weiterhin Spannungen mit Äthiopien. Nachdem finanzielle Unterstützungen seitens Italien abgelehnt wurden, hofft man in Asmara nun auf positive Auswirkungen durch den (bisher allerdings noch kaum bemerkbaren) Tourismus sowie die Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes. Der Appell der Ausstellung sollte bei der Unesco keine weiteren Zweifel aufkommen lassen.

„Asmara – Afrikas heimliche Hauptstadt der Moderne“
DAZ (Deutsches Architektur Zentrum)
Köpenicker Straße 48/49
3.10.‒3.12.2006
Berlin,
www.daz.de
www.city-of-modernism.de
Fiat Tiagliero Service Station (© E. Denison)

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Asmara / DAZ
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