Hans Haacke

Akademie der Künste

2006:Dec // Thomas Wulffen

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12-2006
















Die Bundeskanzlerin hatte sich nicht die Ehre gegeben und wäre Gerhard Schröder noch im Amt gewesen, er hätte desgleichen getan. Immendorf ist nicht Haacke und Haacke ist nicht Immendorf. Die Retrospektive mit dem Titel „Hans Haacke. wirklich. Werke 1959–2006“ in Hamburg und Berlin ist ein Ereignis, aber ein recht zwiespältiges. Kaum ein anderer zeitgenössischer Künstler hat mit seinen Werken so viel Beachtung und Abneigung empfangen wie Hans Haacke. Seine Arbeit im Reichstag „Der Bevölkerung“ war Anlass einer Bundestagsdebatte und noch heute ist das Werk Anziehungspunkt unzähliger Besucher. Zu meinen persönlichen Erinnerungen an Hans Haacke gehört der Hinweis des Künstlers nach der Wahl Volker Kauders zum Generalsekretärs der cdu: Volker Kauder wäre wesentlich daran beteiligt gewesen, die Kampagne gegen das Kunstprojekt im Reichstag zum Laufen zu bringen. Es ist schon eine ironische Volte, wenn man jetzt auf der Internetseite Volker Kauders folgenden Satz liest: „Da ich an zeitgenössischer Kunst interessiert bin, war es mir eine besondere Freude bei der künstlerischen Ausgestaltung des Reichstages in Berlin mitgewirkt zu haben.“ Ob Volker Kauder den Weg in die Ausstellungen findet, steht nicht zur Frage. Aber wer an der Macht ist, wird milder. Wer an Alter gewinnt auch?

Ein Hinweis auf diese Antwort findet sich auch in der Ausstellung, denn zum ersten Mal sind ganz frühe Arbeiten zu finden, zum siebzigsten Geburtstag Haackes. Neben einer Documenta Arbeit aus dem Jahr 1959 werden erste plastische Werke präsentiert, die sich im Umkreis der Zero-Bewegung aufhalten, aber diesen Dunstkreis schnell wieder verlassen. Diese „unbekannten“ Werke befinden sich denn auch allesamt „Im Besitz des Künstlers“. Es gehört zu den unausrottbaren Topoi der Kunst, dass das Alterswerk wieder Anschluss sucht an das Frühwerk. Wenn man als Besucher in den Deichtorhallen von dem Raum mit den Frühwerken in die große Ausstellungshalle zurückkehrt, steht man vor zwei großen Spiegeln, die den Außenraum in die Halle holen wollen, mit dem Titel „Innen/Außen: Spiegelfechterei“. Wer an die verspiegelten Oberflächen der frühen Werke denkt, findet hier einen sprichwörtlichen Reflex vor.

Mit der Serie der Kondensationswürfel wird ein neuer Werkzyklus eröffnet, der dann auch direkt zu jenen „politischen“ Arbeiten führt, für die Hans Haacke zu einem Repräsentanten geworden ist. Denn was sich in den Kondensationswürfeln zeigt, sind Real-Zeit-Systeme. Hans Haacke schreibt dazu im Jahre 1969: „Arbeitsbasis ist, in Systembegriffen zu denken; in Begriffen der Herstellung von Systemen, des Eingreifens in bestehende Systeme und deren Enthüllung.“ Die Herstellung von Systemen wird ab 1971 abgelöst durch deren Enthüllung wie in der paradigmatischen Arbeit „Shapolsky u.a. Manhattan Immobilienbesitz, ein gesellschaftliches Realzeitsystem, Stand 1.5.1971“. Es war diese Arbeit, die zur Absage seiner Einzelausstellung im Guggenheim Museum in New York führte.

Ein Kritikerkollege in Hamburg wies darauf hin, dass ihm nicht bewusst war, wie viele Werke Hans Haackes sich mit der Apartheid in Südafrika auseinandergesetzt haben. In ihrer Bedeutungsschwere wirken gerade diese Arbeiten aber kaum mehr nach. Die gesellschaftliche Realität hier und dort ist eine andere und sie bedarf anderer Mittel der Darstellung und Enthüllung. So ist diese Retrospektive eine doppelte: sie zeigt das Werk eines der bedeutenden Künstlers Deutschlands, der seit 1965 in New York lebt und dort auch als Lehrer an der Cooper Union einflussreich war. Und sie zeigt gleichzeitig, was wann zu welcher Zeit wie möglich war und ist. Dabei drängt sich ein starkes ästhetisches Moment gerade in den letzten Arbeiten zum Irak Krieg in den Vordergrund.

Die Ausstellung ist notwendig und dass sie von der Bundeskulturstiftung gefördert wurde, gereicht jener zum Verdienst. Für eine Kontextualisierung, die die Bedeutung der Arbeit von Hans Haacke in einen zeitgeschichtlichen Zusammenhang hätte stellen können, hat aber das Budget nicht mehr gereicht. So muss der Besucher diesen Kontext selbst erkunden, zu Gunsten seiner selbst und zu Gunsten Hans Haackes.

Hans Haacke „Werke 1959‒2006“
Akademie der Künste, Pariser Platz 4, 18.11.06‒14.01.07
Hans Haacke „Kondensationswürfel (Condensation Cube)“, 1963-65, Sammlung MACBA, Museu d‘Art Contemporani de Barcelona (© VG Bild-Kunst, Bonn)

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