Gespräch über Ökologie und Kunst

2013:Dec // Raimar Stange, Andreas Koch

Startseite > 12-2013 > Gespräch über Ökologie und Kunst

12-2013














„Aber vielleicht sollten wir nicht nur über Autos reden …“?!
/ Gespräch über Ökologie und Kunst

Andreas  Koch  /       Lieber Raimar, wir haben uns schon öfter an dieser Stelle über Kunst und Politik unterhalten, so zuletzt in der 18. „von hundert“ über die Berlin Biennale. Diesmal geht es um einen sehr wichtigen Bereich des gemeinsamen Zusammenlebens, der Ökologie, im Speziellen um unseren Umgang mit unserer natürlichen Umwelt und die Frage, was die bildende Kunst damit zu tun hat. Um uns nicht allzu sehr zu wiederholen, fasse ich kurz unsere bisherigen Positionen zusammen. Ich war der Meinung, dass Kunst für manche Themen der falsche Ort sein könnte. Du, dass brisante Themen an jedem Ort behandelt werden müssen, dass dies zur ethischen Grundhaltung gehören muss. Zur Abwechslung werde ich Dir gleich zu Beginn zustimmen, auch wenn ich meine, dass die meisten Arbeiten zum Thema fast niedlich wirken, angesichts der zu erwartenden Auswirkungen unserer Umwelteingriffe. Welche Arbeit fällt dir als erstes ein, um den Umgang der bildenden Kunst mit diesem Thema zu beschreiben?
Raimar Stange  /       Was mich an deiner Zusammenfassung stört, ist der Begriff „Thema“, was mir gefällt, ist der der „Haltung“. In der Kunst geht es nämlich nicht um (das Bebildern von) Themen, sondern um (das „Formalisieren“ von) Haltung zur Welt, um – mit G.W.F. Hegel gesprochen – „die Stellung des Geistes zur Objektivität“: Darum auch beantworte ich deine Frage nach einem wichtigen Exponat im Kontext von „Kunst + Klimakatastrophe“ mit dem Hinweis auf die Aktion „Coyote, I Like America and America Likes Me“ aus dem Jahre 1974 von Joseph Beuys. In dieser Aktion lebte Beuys für fünf Tage zusammen mit einem Kojoten in einem Ausstellungsraum von René Block und führte so eine alternative Form des Umgangs mit Natur vor, eine Form, die eben kein „Umgang“ mehr war, sondern ein gleichberechtigtes Miteinander. Insofern war diese Aktion eine treffende Kritik an dem, was man „Anthropozentrismus“ nennt, also an der blödsinnigen und asozialen Idee, dass der Mensch der Mittelpunkt und die Krönung der Schöpfung sei. Genau diese Haltung, die es uns dann erlaubt, Umwelt und Natur lediglich als rücksichtslos ausbeutbare Ressource zu behandeln, ist die Ursache für die Klimakatastrophe. Und nur die Abkehr von dieser Haltung kann dafür sorgen, dass wir versuchen, tatsächlich etwas gegen das Fortschreiten und gegen die Folgen der Klimakatastrophe zu tun. Kunst sensibilisiert und warnt hier zugleich.
Koch  /       Klar, dass dich das stört. „Thema“ kam ja auch von mir und „Haltung“ von dir. Aber ich sehe deinen Punkt. Auch gerade wieder in der Ausstellung „The Whole Earth“ von Anselm Franke und Diedrich Diederichsen war die Kunst eher ein illustrierender Nebenaspekt und die Hauptleistung der Ausstellung lag im Zeigen einer großen Menge von Text- und Filmdokumenten, die leicht zugänglich in ein Displaysystem integriert waren. Da funktioniert eine Ausstellung natürlich besser als zum Beispiel ein Katalog. Ich würde die Ausstellung im HKW deshalb auch niemals als Kunstausstellung bezeichnen, eher als ganz gelungene kulturhistorische Aufarbeitung eines „Themas“. Aber sag, ich sehe den Unterschied noch nicht ganz. Wie unterscheidet sich denn eine gelungene Ausstellung zur Problematik der Klimakatastrophe mit vielen unterschiedlichen Arbeiten, die – ich sag’s jetzt nochmals – thematisch passen, zum Beispiel von der „The Whole Earth“-Ausstellung?
Stange  /       Indem die Ausstellung nicht nur über Haltung redet, sondern auch Haltung einfordert und diese zudem selbst einnimmt. Die Haltung von „The Whole Earth“ ist, wie leider all zu oft im „Haus der Kulturen der Welt“ folgende: Wir Kuratoren wissen mehr als du, also lerne von uns! Ich denke, als Ausstellungsmacher sollte man eher den potenziellen Besucher ernst nehmen und mit ihm agieren, was selbstverständlich nicht nur für Ausstellungen zu „Kunst + Klimakatastrophe“ gilt.
Koch  /       Ich habe bei „The Whole Earth“ aber schon etwas gelernt, oder besser kennengelernt, was ich davor nicht kannte. Zum Beispiel diese radikale Hippiebewegung. Ich wusste nicht, dass in dieser Zeit fast eine halbe Million Amerikaner in Buckminster-Fuller-Domes auf’s Land zogen, und dies voller sozialer, aber auch ökologischer Visionen. Gleichzeitig gab es bei dem „Whole Earth Catalog“-Herausgeber Stewart Brand auch noch eine Technikgläubigkeit. Dieser „Katalog“ wäre heute eine Mischung aus Zweitausendeins-Verlag, Manufaktum und Apple-Magazin. Sie scheiterten bekanntermaßen und zogen binnen kurzer Zeit wieder zurück in die Städte. Trotzdem beeindruckt mich diese Bewegung. Was wäre denn heute eine Vision – weil Haltung alleine hilft auch nicht viel weiter?
Stange  /       Klar, ist Aufklärung nicht verkehrt und kann zu einer Veränderung von Praxis führen, sie wird aber für mich zum Problem, wenn sie so akademisch-autoritär daher kommt wie meist im HKW. Zu überlegen ist auch, warum viele Menschen, obwohl sie heute vieles über die Klimakatastrophe wissen, trotzdem immer noch z. B. SUV fahren, da scheint die Aufklärung irgendwie an ihre Grenzen zu kommen. Zum anderen halte ich deine Gegenüberstellung von Vision und Haltung für problematisch. „Vision“ klingt mir zu idealistisch und utopisch und „Haltung“, so denke ich, ist tatsächlich der Kern für die Reaktion auf die Klimakatastrophe. Eine Haltung z. B., die besagte SUVs verbieten und die Hersteller und Benutzer dieser „penisverlängernden“ Umweltsünder bestrafen würde, eine solche Haltung wäre alles andere als visionär, sondern pragmatisch und dringend notwendig, denn diese „Menschen“ zerstören mutwillig und egoistisch unserer aller Lebensraum.
Generell, wie bereits gesagt, geht es aber darum – und auch die letzte documenta hat das treffend thematisiert – eine Haltung oder Lebensart in unsere Köpfe und Herzen zu bekommen, die keine anthropozentrische mehr ist, sondern im „Parlament der Dinge“ (Bruno Latour) alles Sein auf dieser Erde als gleichberechtigtes Mitglied behandelt. Und dazu kann Kunst eine Menge beitragen, denn so wie sie einst die anthropozentrische Weltsicht mit etabliert hat – man denke nur an Immanuel Kants bis heute weitestgehend akzeptierte Definition der „erhabenen“ Kunst, die über den Wirren der Natur steht, also dieser überlegen ist –, so kann sie jetzt an einem Bewusstsein für eine realistischere und gerechtere Weltsicht arbeiten.
Koch  /       Klingt natürlich auch erstmal superidealistisch, aber ich kann dir soweit folgen. Tatsächlich sehen wir heute die Beschränkungen der Möglichkeiten unserer beiden herrschenden Systeme, Kapitalismus und Demokratie. Beiden ist es nicht oder nur zu langsam möglich, eine notwendige Eingrenzung unserer zerstörerischen Grundhaltung zu schaffen. SUVs zum Beispiel befördern neue Wünsche und sichern die Kfz-Industrie ab, die Mehrheit der Menschen will sich auch nicht einschränken lassen und weiterhin SUVs kaufen dürfen. Keiner will in autoritären Staaten leben, die vielleicht die Möglichkeit haben, jedem Bürger nur einen Flug alle fünf Jahre zu genehmigen.
Kommen wir also zur Kunst, einerseits als urkapitalistisches Welthandelssystem, andererseits mit hohem aufklärerischem und freiem Potential. Tatsächlich ist es ja möglich, das ­System der Kunst zu nutzen, um subversive Aktionen zu legalisieren und über deren Kanäle weitere Aufmerksamkeit zu erreichen. Fallen dir da Aktionen ein, die außerhalb abgesicherter Ausstellungskontexte auf die Klimakatastrophe aufmerksam mach(t)en?
Stange  /       Warte es ab mit dem von dir als „superidealistisch“ eingeschätzten SUV-Verbot: ein Rauchverbot hat man auch lange Zeit für undenkbar gehalten …
Na klar fallen mir eine Menge ästhetische Aktionen ein, die außerhalb des „white cube“ im Kontext der Klimakatastrophe stattgefunden haben. Etwa die Aktion Anfang der Nuller-Jahre, als anonyme Öko-Aktivisten in Berlin (Luxus)Autos, die mehr als zehn Liter pro 100 Kilometer verbrauchen, die Luft aus ihren Reifen gelassen haben. Die (nächtlichen) Aktionen waren nicht einmal Sachbeschädigung und in Flugblättern, die unter dem Scheibenwischer der Wagen platziert wurden, haben die Aktivisten auf den ökologisch-engagierten Impetus ihres Handelns hingewiesen. Großartig! Und sogar Kunst im Kant’schen Sinne, wurden die Autos doch ganz in dessen Sinne gleichsam zu „zweckfreien“, eben nicht fahrtauglichen Objekten transformiert.
Da ich, wie du auch, im Kunstsystem beruflich agiere, bin ich letztlich aber doch an Aktivitäten interessiert, die auch tatsächlich im Kunstsystem stattfinden. Dass die Grenzen da fließend sind, weiß ich selbstverständlich auch. Und da fällt mir z. B. Santiago Sierras Projekt in Stommeln ein, in dem er Abgase aus mit laufendem Motor stehenden Pkws in eine Synagoge geleitet hat. Eine wunderbare, intelligente Parallelführung von Autofahren und Judenvergasung, denn selbstverständlich wissen heute Autofahrer was sie tun, wenn sie CO2  in die Umwelt ausstoßen, genauso wie die meisten Deutschen damals bewusst die Juden haben vergasen lassen: Autofahrer töten über kurz oder halblang abertausende Menschen. Denn unsere Umwelt ist ein geschlossenes System, genauso wie damals Nazi-Deutschland oder wie damals wie heute eine Synagoge ein geschlossenes System ist. Und hat nicht Adolf Hitler sowohl an der Entwicklung des sogenannten – nomen est omen – „Volkswagen“ mitgearbeitet, wie er die ersten Autobahnen hat bauen lassen?! Und wer hat das Nazi-Regime damals finanziert? In erster Linie die deutsche, kapitalistische Schwerindustrie … Später übrigens wurde der „Volkswagen“ – in einer Reihe stehend etwa mit dem „Volksempfänger“ und dem „Volkssturm“ –, diese Geschichte verschleiernd, umgetauft in „Käfer“, ganz so als ob das Auto ein Freund der Natur wäre, was die nächste Verschleierung wäre. Heute baut „VW“ einen „Golf“, der mehr CO2 ausstößt, als sein Ursprungsmodel in den 1970er Jahren und der treffende Werbeslogan dazu lautet: „Um so ein Auto bauen zu können, muss man den Menschen kennen“ – Anthropozentrismus pur! Diese Leute aber wissen genau was sie tun und sie tun es trotzdem (Stichwort: Aufklärung).
Theodor W. Adorno hat bekanntlich gesagt, dass man „nach Auschwitz keine Gedichte mehr schreiben kann“. Zu ungeheuerlich ist der Schrecken und entzieht sich daher jedweder (ästhetischen) Darstellung. Santiago Sierra aber versucht genau dieses mit seinem Vergleich – die Reaktion auf sein Projekt, das nach wenigen Tagen abgebrochen werden musste, zeugt davon, dass die Betroffenen, die deutsche Autofahrernation, seine Arbeit verstanden haben und entsprechend aggressiv konterten. Aber vielleicht sollten wir nicht nur über Autos reden …
Koch  /       Genau, Raimar, du hast bestimmt auch keinen Führerschein oder fährst aus noch anderen Gründen kein Auto. Du weißt, dass das ein herber Vergleich ist. Einerseits verharmlost er den organisierten, direkten Massenmord an den Juden und anderen Bevölkerungsgruppen, andererseits schmeißt du uns alle, dich eingeschlossen, in eine Kiste mit den Nazis. Das klingt zwar schmissig, geht aber nicht. Was ist mit den Vielfliegern, oder auch den Wenigfliegern? Was ist mit den Fleischfressern und Milchtrinkern? Mit den In-nicht-gedämmten-Häusern-Heizern? Wir alle heizen kräftig mit. Oder bist du Veganer? Wann bist du das letzte Mal geflogen?
Stange  /       Es ist bezeichnend, dass du so aggressiv reagierst und auf nicht einen einzigen Punkt in meinem Vergleich von Nationalsozialismus und Kfz-Fahren sachlich eingehst. Sierra verharmlost das systematische Töten der Juden in keinster Weise, vergleichen heißt ja vor allem Unterschiede herstellen und eben nicht bloß gleichsetzen. So konnte man die Synagoge bei Sierras Arbeit betreten, dafür lagen Gasmasken bereit, und selbstverständlich weiß Sierra, dass den Juden solche nicht zur Verfügung standen – ein wichtiger Unterschied, der belegt, dass es ihm um die Täterperspektive geht, nicht in erster Linie um die Opfer. Und in der Tat, da wiederum hast du nicht unrecht: Wir sind alle täglich Täter, was die Klimakatastrophe anbelangt. Aber auch da gibt es Unterschiede, z.B. ob man eine Wahl hat oder nicht, ob man bewusst die Umwelt schädigt um Profit zu machen, ob man sich dennoch für die Umwelt engagiert etc. Santiago Sierras Arbeit spielt übrigens auf das „Project Stockholm“  (1972/2007) von Gustav Metzger an, in dem 100 Autos um ein rechteckiges Kunststoffzelt stehen, ebenfalls mit laufendem Motor, und ebenfalls wurden die Abgase in das Zelt geleitet. Eine sich potenziell selbstzerstörende Gaskammer also hat Metzger da konstruiert. Die Arbeit war damals kein Skandal, konnte man dem Juden ­Metzger, der als Kind vor den Nazis nach England fliehen musste und seitdem dort lebt, schlecht so blöde menschelnd daherkommen, wie du gerade mir. Später hat Metzger diese Arbeit variiert, indem er auf einzelne Pkws Glasvitrinen gestellt hat, in denen Pflanzen lebten. In diese hat er dann das Abgas eingeleitet – wiederum ein klarer Verweis auf Umweltzerstörung durch Autofahren.
Koch  /       Jetzt weichst du meinen Fragen aber geschickt aus. „Menschelnd“ ist übrigens niemals blöde und dir geht es ja auch um die Rettung unserer Gattung, wenn ich dich richtig verstehe. Ich habe dich aber nach deiner Täterperspektive gefragt. Warum der Fokus so stark auf die Autofahrer? Laut ADAC verursachen die Autofahrer samt sonstigem Zulieferverkehr (zum Beispiel für Rotwein aus Italien) 12,5 Prozent der CO2-Emissionen. Sie schreiben, als Lobbyblatt, „nur“ 12,5%. Ich finde das einen hohen Wert, das rechtfertigt aber nicht deinen extremen Fokus auf die Gruppe der Autofahrer. Die Autofahrer selbst machen ja keinen Profit und du schreibst „Autofahrer töten über kurz oder halblang abertausende Menschen“ und nicht „die Autoindustrie tötet …“ oder „der Milchtrinker tötet“ oder „ich lebe in einem unsanierten Haus und heize mit Gamat und deshalb töte ich über kurz oder halblang mehrere Menschen“ …
Stange  /       Also nur noch kurz zu den Autofahrern und der Autoindustrie: Da machen sich selbstverständlich beide schuldig, denn die Industrie ist für ihren Profit auf den Käufer und späteren Fahrer angewiesen. Und dieser kann sich für vernünftigere Autos als für Luxuswagen oder SUVs entscheiden. Oder gar für die Deutsche Bundesbahn.
Und noch einmal kurz zu deiner Diskreditierung von (meiner) Haltung: Es ist eine weit verbreitete und wohlfeile rhetorische Strategie, Haltung einzufordern, die hundertprozentig korrekt ist. Dass dieses nicht möglich ist, ist (dir) natürlich klar, „im falschen Leben gibt es kein richtiges" (Adorno) und so kann man dann sich politisch engagierende Mensch ganz bequem nicht ernst nehmen.
Außerdem: Habe ich nicht selbst in meiner vorletzten Antwort gebeten: „Aber vielleicht sollten wir nicht nur über Autos reden …“?! Denn selbstverständlich gibt es viele andere Aspekte, die in unserem Zusammenhang wichtig sind. Etwa generell den der Abhängigkeit der real existierenden Politik von den Lobbyisten, der dann dafür sorgt, dass letztlich bei allen Umweltfragen doch immer noch im Sinne der Industrie entschieden wird. Auch da setzt die Verantwortung der Kunst ein, denn ihr Betriebssystem ist ein noch relativ unabhängiges – wenn man sich nicht, gleichsam in „selbstverschuldeter Unmündigkeit“ (Immanuel Kant), in die Fänge des (hedonistischen) Kunstmarktes begibt. Dieses wird dann meist gerechtfertigt mit der scheinheiligen Ideologie der „autonomen“ Kunst, die sich eben nicht politisch engagieren darf, würde sie dann doch ihre vermeintliche Freiheit verlieren. Doch, wie gesagt, da hat Gott sei Dank selbst die letzte documenta nicht mehr mitgespielt.
Koch  /       Ich habe nichts gegen deine Haltung und will sie nicht diskreditieren. Ich ärgere mich auch über SUV-Fahrer, genauso über Vielflieger oder die Ich-flieg-mal-kurz-nach-Malle-ist-ja-so-günstig-Flieger. Nur sollte man im Glashaus nicht mit einem Maschinengewehr rumballern. Das bringt uns nicht weiter und löst allenfalls Kopfschütteln aus.
Aber zurück zur Analyse: Wir Deutschen fühlen uns ja mittlerweile generell auf der guten Seite, sind wir scheinbar die einzigen, die es mit der Umwelt ernst nehmen.  Wir haben seit 1990 unsere CO2-Emissionen reduziert, wir wuppen den Atomausstieg und sind die besten Mülltrenner der Welt. Bei der 25-prozentigen Reduktion seit 1990 wird meist vergessen, dass das auch dank der Demontage der ostdeutschen Industrie passierte. Außerdem liegen wir immer noch auf Rang sechs der weltweiten Emittenten. So kreieren die Lobbyisten über die Medien ein rosiges Bild und der einzelne denkt, uns geht’s gut, wir sind gut, ich merk nichts von Klimakatastrophe, also kauf ich mir jetzt halt doch den Porsche Cayenne mit 270 Gramm CO2-Emission pro Kilometer.
Wenn man bei seinen Freunden den Neuseelandflug kritisiert, ist man gleich der Spielverderber, dabei haben die mit einem Flug gleich mal den anderthalbfachen Gesamtjahresdurchschnittsverbrauch weg. Da sagt dann der Cayennefahrer, dafür könnte ich 55.000 km mit meinem Spaßmobil rumfahren. Ich weiß, du bist kein Freund von Zahlen, und mein Beispiel zeigt nur, dass dann der eine mit dem anderen sein Gewissen beruhigt. Andererseits helfen Zahlen auch dabei, zu wissen, wo ich wirklich effektiv sparen kann und auf was ich auf jeden Fall verzichten sollte. Nur noch eine interessante Zahl zum Schluss: ein Kilo Käse hat bei gleichem Energiegehalt zehn Mal so hohe CO2-Emissionen hinter sich wie Nudeln; und Ein-Kilo-Käse-Essen könnte man mit 30-km-Cayenne-Fahren gleichsetzen. Ich finde schon, dass man einen Weg finden könnte, jedem Bürger ein Kontingent an CO2-Emission zuzuweisen und danach muss man eben mehr oder weniger zahlen. Also Kyoto für Privatpersonen. An Tankstellen, Lebensmittel-Läden, Flughäfen, bei der Stromabrechnung wird dir dein Verbrauch einfach von einer persönlichen Payback-Karte abgezogen, bis nichts mehr drauf ist und dann musst du teuer CO2-Punkte nachkaufen … Was hältst du von so was?
Stange  /       Mir fehlen die Worte. Dank dir für das Gespräch.
Gustav Metzger „Project Stockholm, June (Phase 1)“, 1972/2007 (© Peter Reidlinger)
Spiegel „Die Klima Katastrophe“, Cover 11. 8. 1986 (© )
http://www.sueddeutsche.de/politik/deutsches-veto-gegen-schaerfere-co-regeln-merkel-in-der-lobbyismus-falle-1.1708351 (© )
Microtime für Seitenaufbau: 1.24995207787