wo ich war

2011:Dec // Esther Ernst

Startseite > Archiv > 12-2011 > wo ich war

12-2011
















CARDIFF JANET & MILLER GEORGE BURES    8. Juli 2011
Käthe-Kollwitz-Preis 2011
Akademie der Künste, Berlin
+ insgesamt sind vier Werke zu sehen: „The Killing Machine“, funktioniert ähnlich wie die Arbeit „opera for a small room“, gesteuerte Maschinen und Roboter erzählen eine Handlung, in diesem Falle eine Hor­rorgeschichte (ist eigentlich oll, oder macht das Spass, weil diese spezifische Erzählstruktur mit den effektreichen Spannungsbögen ganz wunderbar in Licht und Ton umgesetzt werden kann?). Spannender scheint mir die neuste Arbeit „Sync No Sync“, eine starre Ka­mera, die Cardiff und Miller von hinten im Auto sitzend filmt, wie sie irgendwo in Kanada einem See entlang fahren und genau diese Arbeit reflektieren. Dazu schieben sie eine CD ins Autoradio mit einem aufgezeichneten Gespräch aus dem Atelier über dieses Arbeitsvorhaben. Und so vermischen sich die Ebenen, der Ton wird ineinander geschnitten, wirkt künstlich, die Situation kippt zum Fake, gleichzeitig ist sie real und es entsteht eine Atelier-Situation im Auto, das Kind hinten drin hat Hunger, die Landschaft will fo­tographiert sein, Ansichten werden verteidigt...


DER CHINESISCHE LUSTGARTEN            22. Juli 2011
Erotische Kunst aus der Sammlung Bertholet
Museum für Asiatische Kunst, Berlin

+ ich hab ja grundsätzlich kaum eine Vorstellung
von Chinesischer Kunst und komme hier relativ unvermittelt gleich mit wunderbaren Zeichnungen in Berührung. Betrachtete schon lange nicht mehr so freudig, fasziniert und begeistert. Fein gezeichnete „Frühlingsbilder“ mit monotonen Farbflächen, naiven Abstraktionen von Pflanzen oder Möbel zeigen relativ unverdeckt den Liebesakt von Frau und Mann (erinnert mich ein bisschen an schön gezeichnete Anleitungen). Gemusterte Decken, Haarmoden, verrenkte Körper, Luxusgegenstände, Frauenfüsse mit Vorhängen (was ist denn das mit diesen Füssen?), Mösen, Schwänze, Schürzen über Brüste, tuschelnde Zuschauer, Fantasien ohne Ende. Das ist alles total aufregend. Das Meiste anonym, von ca. 1600 bis 1920, im Format relativ klein gehalten (Tusche auf Seide), muss man recht nahe an die Blätter, um detailliert zu gucken, ziemlich intime Situation. Lieber Herr Ferry Bertholet, Sie haben da ja eine Wahnsinns-Sammlung!


WEIWEI AI                        22. Juli 2011
Teehaus
Museum für Asiatische Kunst, Berlin
+ ich mag bei der Ai-Weiwei-Welle irgendwie nicht so richtig mitmachen. Neulich wollte ich mir ein Mono­pol-Magazin kaufen, hab sein Portrait vorne drauf ge­sehen und es dann gleich wieder auf den Stapel zurück gelegt. Zu oft werden mir seit seiner Verhaftung lau­warme und halbspannende Projekte unter die Nase gehalten (und nervigerweise als besonders intelligent verkauft, als wär die Verhaftung nicht auch ohne Kunst genug Grund zur Sorge)...
So auch das Teehaus: 378 Kuben und 54 Prismen aus ge­presstem Tee ergeben ein kleines Häuschen, drum herum lose gestreuter Tee. Es riecht fein, eine Besucherin neben mir findet das total verrückt, die ganze In­stallation ist erbärmlich ausgeleuchtet und ich verstehe den Unterschied zur Arte Povera von vor-vor­gestern nicht. Er hat sich zu seiner 2009 erschaffe­nen Arbeit bisher nicht geäussert und da wird dann im Ausstellungszettel wild umherspekuliert und alle westlichen Sichtweisen zum Verhältnis von Kunst und politischem Aktivismus verbraten...


LEHMANN VON KATRIN                   26. Juli 2011
Not Defined
Kommunale Galerie Berlin

+ oh, dachte ich, als ich auf die Zeichnungsserie „Transição“ zusteuerte. Das sind doch irgendwelche eigens verzeichnete Stadtpläne, aber viel lockerer oder gestaltungsunbekümmerter als ich das mache. Bestimmt fünfzig Blätter (A1?) mit wirren Strichen, Haken, Krakel-Krakel und Gekaffel-Gesten sowie Linienstränge deuten trotz Verschiebungen auf einen wiederholenden Prozess hin. Und aha: Lehmann zeichnet gegangene Wege aus der Erinnerung nach, versucht diese zu rekonstruieren, reflektieren und  zu durchdringen.
   

WASMUTH CORINNE                18. Aug. 2011
Versammlung der Zeichen I
Kunstwerke, Berlin

+ och, das sind ja nur zwei kleine Räumchen. Und ist das jetzt aus ihrer eigenen Sammlung oder hat sie le­diglich kuratiert? Überhaupt, was ist das denn für eine Ausstellungsreihe?
Keine Info. Warum sich auch die Mühe machen (so was ärgert mich – ist doch total unfreundlich)...
Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen den ausgewähl­ten Positionen. Ausser vielleicht die oftmals narra­tiv dargestellten Figuren in den Zeichnungen.
Markus Gutmanns Klebecollagen mochte ich gerne schaun. Mit welchen Bildsystemen arbeitet er?
Und Peter Pommerers Weltenbaum ist natürlich fantas­tisch. Tut so nach Psychiaterkunst. Werd ich gleich neidisch. Ich sollte mir endlich die Art Brut Samm­lung in Lausanne anschauen. Ich glaub, ich würde hüp­fen vor Freude.


ADEMEIT HORST            20. Aug. 2011   
Secret universe
Hamburger Bahnhof, Berlin

+ aaah, ein Wahnsinniger, toll!
20 Jahre dokumentierte Horst den eigenen Alltagswahn­sinn und zwei Jahre vor seinem Tod wurde sein Werk erst entdeckt. Jeden Tag hielt er per Polaroid eine Ansammlung von Zeitungsfrontseiten, Messgeräten und Lebensmittel fest. Dazu drängen sich dicht beschrie­bene Notizen auf den weissen Polarrändern. Vollkommen unleserlich, auch nicht mit Lupe.
Aus dem Heim zitiert man ihn 2008: „Ohne mein Ankämp­fen gegen das gesamte Elend mit Fotos und Schreiben, hätte ich kaum überleben können, mit Dank an Herrgot, Himmel und Erde“
In unzähligen Vitrinen sind Alltags-Polaroids ausge­legt, die seine nähere Umgebung aufzeigt. Eines dokumentiert ein Kioskeingag mit Eis-Kühlbox, darun­ter steht: „Diese Eistruhe ist neu und dürfte meiner Vermutung nach bereits gestern Nachmittag abgestellt sein! Sie ist auf Rädern...“ usw. Ist doch herrlich!
Miroslav Tichy, Dieter Roth, Heinz Emigholz, Feldmann


ÜBER LEBENSKUNST                    20. Aug. 2011
Haus der Kulturen der Welt, Berlin

+ Wie hiess letztes Jahr die Göhler-Ausstellung im Wedding (war der Titel nicht zugleich Unwort des Jah­res?)
Bei diesem viertägigen Festival scheint mir die Grenze zwischen Freaks, Kunst, Öko, Anliegen, Vor­schlägen, Tüftler und Wissenschafler weitaus mehr ausgereizt.  Hier wird gepröbelt, angeboten, über­zeugt, gekocht und gehaust und natürlich jede Menge debattiert. Mir ists erstaunlich angenehm, mich hier umzusehen (kann ja ganz schnell unerträglich didak­tisch werden so was, oder dass einem mit erhobenem Finger erklärt wird, was zu tun ist auf der Welt).
Ein riesiger Holzeinbau im Inneren der Muschel ermög­licht diverse Raumnutzungen für Vorträge, Performan­ces, Honigproben, Nähateliers, Dokumentationen, Ausstellungen, usw. Und Draussen wurden Objekte, Häu­ser, Zelte und Dächer installiert, Salat angepflanzt, Energie gewonnen und die allgegenwärtig diskutierte Selbstversorgung geprobt. Alles hübsch gebaut, redu­zierter Recyclingkram.


???                        18. Aug. 2011
Kunstwerke Berlin

+ „öh, guck mal, da ist was verschoben“, sag ich zu Jörg um gleich darauf zu merken, ha, ist ja absichtlich, ist ja Kunst, ein Stück aus der Achse verdrehtes Trottoir. Hübsch, sehr hübsch! Vielleicht ist mir die Arbeit noch nie aufgefallen, weil auf diesem engen Gehweg in den letzten Jahren ewig Bausstelle war (Luise sagt mir später, diese Arbeit gehörte zu einer Ausstellung letzten Jahres – Name vergessen – die ich allerdings auch gesehen hätte (?). Kann ich mir fast nicht vorstellen, so selten wie ich dahin gehe. Aber, ich tippe auf Ceal Floyer.
Ist doch schön, wenn man die Kunst so ganz beiläufig und unvorbereitet entdeckt. Erhöht sofort den Freudengehalt.



Cardiff Janet & Miller George Bures, Käthe-Kollwitz-Preis 2011 (© Esther Ernst)
Der chinesische Lustgarten (© Esther Ernst)
Teehaus (© Esther Ernst)
Not Defined (© Esther Ernst)
Versammlung der Zeichen (© Esther Ernst)
Secret universe (© Esther Ernst)
??? Kunstwerke Berlin (© Esther Ernst)
Über Lebenskunst (© Esther Ernst)
Microtime für Seitenaufbau: 1.28419589996