Profilneurosen beobachtet auf der Based in Berlin

/ Boulevard Berlin

2011:Aug // Barbara Buchmaier und Christine Woditschka

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07-2011
















„Nothing to See Nothing to Hide“ (Mandla Reuter) – Nothing to Say? Aber hallo, die Ausstellung verdient Gold. Eine der besten, da sie sich vollkommen symptomatisch zeigt. Endlich haben sich alle Akteure im Umfeld und die Teilnehmenden entspannt: Die Based-Schau ist der Prototyp von immer mehr derzeitig stattfindenden Ausstellungen, ganz ungeschminkt, locker, ungeniert, einfach so, selbstverständlich: Die Politik profiliert sich, die jungen KuratorInnen professionalisieren sich, die jungen KünstlerInnen zeigen sich in geschäftig-neurotischer Berufstätigkeit, 500-Euro-Bohemians made in Berlin: Caught in „The Catch“ (Simon Dybbroe Møller) – so schaut’s aus, oder?

Marketing für alle, win-win. Du hängst im Hamburger Bahnhof! Die Arbeiten, Dein Schmuck, am besten Du umwickelst dich selbst mit Deinen tollen Nylonstrümpfen und machst Pirouetten, rechts rum, links rum, mon bijou. Und gleichzeitig wird die noch halbwegs straighte Kojen-Messe in Berlin geschleift. Messen tarnen sich neuerdings als Ausstellungen, abc, DEF, ABC, BiB, ABC… Und die Ausstellungen zeigen sich in ihrer Eigentlichkeit als Messen und damit als Galerierepräsentanzen. Somit trifft die Based-Ausstellung einen allgemeinen Zustand, es ist also müßig, sich über inhaltliche Nebensächlichkeiten auszulassen, reine Scheindebatten, Rollbacks, unnötig, langweilig. Besser wäre es, diese Ausstellung als neues Paradigma anzunehmen. Amen.

Begeben wir uns zunächst in den künstlerischen Ideen-Parcours und begutachten die Exponate:
Ok, wir brauchen schon eine Aussichtsplattform, um den Überblick zu behalten, um zu kartografieren, was sich uns da zwischen Museumsinsel und Kinderschwimmbad bietet. Prima, ganz hoch da droben, da sind Liegestühle, das macht die Arbeit leichter. Aber dann auch noch dicke Plagiat-Autos? Gut, in China werden Autos europäischer, gar deutscher Hersteller kopiert, das wissen wir alle. Aber was hat das mit der aktuellen zeitgenössischen Kunstproduktion zu tun? Ist man hier etwa so frei, der Ausstellung eine selbstkritische, selbstreflexiv-schillernde Krone auszusetzen und sich selbst, die ganze Gemeinde, als notorische Kopierer zu outen? Oder geht’s da einfach ums belehren, beeindrucken, klotzen, ums Spektakel: Kleine Idee ganz groß? Wobei die Arbeit Oliver Larics für ihre kontextlose Präsentation in der Ausstellung nichts kann. In der polierten Motorhaube spiegelt sich vielmehr der Mikrokosmos im Makrokosmos: Riesengerüst trägt Auto, Wahlkampfidee schwingt sich auf hohe Krücken, wir sehen potemkinsche Dörfer, Fassadenarchitekturen für die neue Welt der erlösten Selbstdarstellung.

Statue of Liberty, wir kommen, Genius Danh Vo! Wir folgen der Fackel und fragen: Suchst Du nicht eigentlich das ganze Bild der Freiheit! Und dann etwas später, in der Berlinischen Galerie, das: Riesiger Lost Bone in Berlin! „Phallusies“! von Simon Fujiwara. Bitte keine weiteren Details mehr erfinden. Das Stück ist zwar an sich ganz, aber doch ohne Anschluss an einen Körper, ein System! Aber auch das sei verziehen.

Bare in Berlin, Bagatelle in Berlin, Battle in Berlin, Apricot Magic (Nina Beier) verdeckt leider immer noch zu sympathisch das Piece von David Adamo. Wo gehobelt wird, fallen Späne, eine feine Sache. Ballet in Berlin, Batik in Berlin, Beau in Berlin, Brilliant in Berlin, Brille in Berlin, Bearded in Berlin, Che Barba! Hush Hush, Du alter Ego, Bluff in Berlin, kurze Beine in Berlin, Bourgeois in Berlin, „That’s How Every Empire Falls“ (Maria Loboda), Hochmut kommt vor dem Fall, aber das wissen wir bereits. „Parasagittal Brain“ (Yngve Holen): Boiled in Berlin, stimmt schon, Wasserkocher sind ein echtes Designproblem, Spoiled in Berlin, Broke in Berlin, Blackout in Berlin, Blessed in Berlin, da macht Kitty Krauss vorsichtshalber die Schotten dicht, leider aber dann doch nicht ganz! Immer Busy in Berlin, Biesi in Berlin, Pc in Berlin, Buzzing around a pot of jam in Berlin, Bored in Berlin, Boykott in Berlin, Bockwurst in Berlin, Ballast in Berlin, Palast in Berlin, Erased in Berlin, forgotten Bartender in Berlin, blasiert in Berlin, Bläschen in Berlin, Tönchen in Berlin: „Melody Malady“ (Simon Dybbroe Møller). Bye bye Berlin, „Include me out”, Gerry Bibby, da gehen wir mit.

Und weiter geht’s im Parcours: Wir erreichen die Kurator­Innenhürde: Was soll die Ausstellung repräsentieren? Laut Obrist: fünf aufstrebende Nachwuchskuratoren erhalten eine Plattform. Können diese, legitimiert durch „potente“ Altväter, eine „vertikale Vertiefung im Sinne eines glokalen Mappings“ produzieren (vgl. Obrist auf Monopol TV)? Was soll eigentlich dieses ständige Kartografieren von allem möglichen? Ist hier ein Sisyphos am Werk? Entlang welcher Koordinaten läuft denn das? Wir wollen Eure Karte am Ende sehen, oder ist es dann etwa schon der Katalog? Das sind doch nur Feedback-Loops, Scheinargumentationen unter Zeitdruck. Weiter zum nächsten! Der Wow-Effekt der Ausstellung: es ist eh egal. Es gibt kein Thema, man will sich ja lieber nicht diktatorisch-kuratorisch überpfropfen: „Um eine Momentaufnahme der aktuellen künstlerischen Produktion in Berlin zu erhalten, haben wir induktiv innerhalb eines formal definierten Rechercherahmens gearbeitet, anstatt ein kuratorisches Meta-Narrativ zu projizieren“ (zitiert aus der Einleitung im Ausstellungskatalog, S. 9). Quod erat demonstrandum. Da keimt Hoffnung: Vielleicht ersetzt und befreit die Netzwerkarbeit ja nun endlich das Meta-Narrativ und erweist sich als kleinster gemeinsamer Nenner der vielbeschworenen Nachhaltigkeit. Und zwar nicht im Sinne einer nachhaltigen Forschung, sondern der nachhaltigen Bindung zwischen KünstlerInnen und KuratorInnen, alten und jungen KuratorInnen, Politik und GroßkuratorInnen, Mode und Markt. Da kann nur schwer was schief laufen. Dafür geht es endlich ganz unverblümt um Geschmack: Dekore der Dekade (vgl. Dominik Sittig).

Alle sind nett, alle machen mit, alle sind inkorporiert. Alles paletti. Wir danken auch unseren Gegnern, nur echte Kritik bringt uns alle weiter – und wir wollen noch mehr Kritik. Doch wohin nun führt uns diese Reise? Als Tipp fürs nächste Mal, frei nach dem Motto Klaus Biesenbachs: Selbstberufung ohne Einladung von oben, von sich aus Initiative ergreifen (vgl. 1. Berlin Biennale, 1998).

Oder sind wir als aufstrebende NachwuchskuratorInnen jetzt per se so zur Hörigkeit verdammt, dass wir erst ein von den Altvätern zusammengestecktes Kletter-Gerüst brauchen, um uns etwas sagen zu trauen?

Hm…? Sind das jetzt also unsere neuen Biennale-Kuratoren? Irgendwie ist das dann doch wieder: Banal in Berlin, alles Biannale, alles Banane. B-Biennale. Babybiennale; R.I.P. Children of Berlin (1999).

Eine Frage bleibt noch: Führt abrufbares Geld eigentlich immer zu blindem Aktionismus, weil „das Ding“ ja laufen muss?

Ausstellungsplan (© Barbara Buchmaier)
Ausstellungsräume (© Barbara Buchmaier)
Based in Berlin (© Barbara Buchmaier)
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