Karin Sander

Studio Sassa Trülzsch

2008:Feb // Doris Mampe

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02-2008
















Karin Sander im Studio Sassa Trülzsch. Eine etablierte Künstlerin in einer der kleinsten Galerie der Stadt. In der allgemeinen Hysterie um Künstler und Profite ist das erst einmal erstaunlich und spricht in sympathischer Weise für die Künstlerin, die auch in ihrer künstlerischen Arbeit stets den Eindruck erweckt, alles richtig zu machen. Nach der Intention gefragt, dürfte man sich aber wohl kaum bei einer kunstmarktkritischen Antwort wieder finden. Nein, kennt man Karin Sanders skulpturale Arbeiten, kann man sich vorstellen, was den Reiz, hier auszustellen, ausgemacht haben muss: Der perfekte weiße Würfel. Um seine Geschichte, seine Möglichkeiten und Grenzen kreisen Sanders Arbeiten von Anfang an. Mit minimalen Eingriffen, wie etwa dem Polieren der Wand- und Bodenflächen, reflektiert sie buchstäblich die Interaktion zwischen Architektur und Betrachter und weist insbesondere dem Körper des Letzteren, seiner Motorik und körperlichen Präsenz werkkonstituierende Bedeutung zu.

Hier verhält es sich zunächst anders. Das Betreten des Raumes erscheint überflüssig. Von außen durch die Glastür geschaut, hat man die Ausstellung bereits gesehen: Viel weiße Wand und eine weiße Leinwand. „Leinwand“ heißt die Arbeit auch, sie ist nicht besonders groß, und wurde mittig auf die Wand gegenüber dem Eingang gehängt. Obwohl mich zunächst ein Hauch von Langeweile erfasst, bin ich verblüfft, wie leicht es Sander gelingt, dem kleinen Werk eine maximale sakrale Aura zu verleihen. Vielleicht liegt es auch einfach an der tief verwurzelten Ikonographie des monochromen Bildes im 20. Jahrhundert, aber trotzdem, die Setzung ist gut. Statt zu gehen, trete ich also ein und setze zur genauen Betrachtung an. Obwohl es Sanders phänomenologischer Arbeitsweise entsprechen würde, an dieser Stelle den Prozess der Wahrnehmung und des empirischen Erkenntnisgewinns zu beschreiben, will ich es lieber kurz machen: Bei näherem Hinsehen entpuppt sich die Leinwand nicht als Leinwand, sondern als Abguss in weißer Schokolade, als (essbare) Skulptur. Ein süßes Trugbild, das sofort sämtliche Diskurse über den Begriff des Wahren in der Malerei, pardon, Skulptur heraufbeschwört. Dieser Rezeptionsmechanismus zieht sich durch bei der Auseinandersetzung mit Karin Sanders Werken. Zuerst nimmt sie den Betrachter mit quasi pädagogischem Anspruch fürsorglich an der Hand, lehrt ihn zu „sehen“. Man wird mit den schönsten Assoziationen, Verweisen und Bezügen ausgestattet und losgelassen in das weite und manchmal sehr beliebige Feld der Interpretation. Ein Traum für jeden Kunsthistoriker, ein bisschen Alptraum wäre mir teilweise aber lieber. Roland Barthes schreibt über das Simulacrum, das sich vom lateinischen Wort für Trugbild, „simulo“, ableitet: „Das Ziel jeder strukturalistischen Tätigkeit besteht darin, ein ‚Objekt‘ derart zu rekonstituieren, dass in dieser Rekonstitution zutage tritt, nach welchen Regeln es funktioniert (welches seine ‚Funktionen‘ sind).“ Es scheint, als wäre das ein Paradigma in der künstlerischen Produktion Sanders, für das sie zwar immer wieder neue Formen der Fragestellung findet, ohne aber die Frage selbst in wirklich ungewohntes Terrain zu drängen. Sie liefert eine gepflegte, nach herrschenden Maßstäben auf jeden Fall ästhetische Arbeit, die keine großen Überraschungen mehr bereit hält und irgendwie auch zeitlos ist. Kurz, es ist eine Arbeit, die keinem (mehr) weh tut, und das ist eigentlich schade. Wenigstens bewegt sie sich mit „Leinwand“ weg von dem zur Genüge thematisierten immateriellen Skulpturenbegriff, wenngleich die Materie in ihrer Essbarkeit auch wieder in Frage gestellt wird. Zum Abschluss wage ich noch eine Deutung: Das lateinische Wort für Trugbild, „simulo“, lässt sich außerdem mit Götzenbild übersetzen, das hier in seiner Süße besonders verführerisch für den falschen Gott wirbt, und sich so wie ein Plädoyer für die Skulptur liest. Immerhin.

Karin Sander
Studio Sassa Trülzsch
Kurfürstenstraße 12
16.11.07–19.01.08
Karin Sander, „Leinwand“, 2003/2007 (© Foto: Courtesy Studio Sassa Trülzsch)
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