Rudolf Springer

Contemporary Fine Arts

2007:Nov // Barbara Buchmaier

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11-2007
















Im September 1944 wurde der Kunsthandel in Berlin eingestellt – aufgrund des Kriegsgeschehens wurden alle Wirtschaftszweige zugunsten der Rüstungsindustrie mobilisiert, es ging um das bloße Überleben, der Handel mit Kunst war marginal geworden – „Stillosigkeit“ war der wahre Stil dieser Zeit und das Leben im ausgebombten Deutschland glich einem real praktizierten Surrealismus.  Vor diesem Szenario eröffnete im Sommer 1945 Gerd Rosen als erster deutscher Nachkriegsgalerist seine Räume am Berliner Kurfürstendamm. „So vielfältig wie das Reich der Fantasie ist, sei auch die Kunst, der wir uns widmen wollen“, erklärte er.

Nach Rosen nahmen im depressiven, an Museen verarmten Berlin, in das laut Fritz Jacobi „mit der Kunst eine neue Hoffnung strömte, die auch so etwas wie den Glauben an ein Weiterleben trotz alledem signalisierte“, schon bald die Galerien Bremer, Franz, und Schüler ihren Betrieb auf.

„Oft standen wir – so dünn wir damals alle waren – dicht gedrängt wie die Ölsardinen bei den Ausstellungseröffnungen vor den Bildern. Wir hatten kein Geld um zu kaufen, wir waren gekommen, um eine Offenbarung zu erleben (...) Wir spürten die Enge nicht, ein weites Feld hatte sich vor uns aufgetan, ein Reich der absoluten Freiheit, denn in den ersten Jahren dominierte keine Stilrichtung“, berichtet Zeitzeuge Lothar Klünner.

Bis 1948/49 galt, dass es keine Konkurrenz untereinander gab und gerade die wichtigsten Künstler bei allen Galerien zu sehen waren. Dies war möglich, weil der Verkauf noch eine untergeordnete Rolle spielte. Die Werke der jungen Maler und Bildhauer waren, wenn auch sehr preiswert, kaum abzusetzen. Im Jahr 1948 macht sich dann auch Rudolf Springer (*1908), Sohn aus wohl situiertem Zehlendorfer Elternhaus, der zunächst bei Gerd Rosen als Geschäftsführer gearbeitet hatte, mit einer eigenen Galerie selbstständig. Schon der Gründungsmythos lädt zum Schmunzeln ein: „Die Chance sich selbstständig zu machen, kam im selben Jahr durch die Währungsreform. Rosen hatte seine Künstler noch ein paar Tage vor der Wende in alter Währung ausbezahlt, was die Sehnsucht der Künstler nach einem Neuanfang mit der harten Währung weckte. Springer brauchte gar nichts zu investieren, Platz für seine Galerie war im Elternhaus vorhanden, und die jungen Künstler kamen von ganz alleine zu ihm.“ (zitiert nach Wilfried Wiegand, faz, 18.08.2007)

Zu seinen ersten Erfahrungen als Galerist äußerte sich Springer folgendermaßen: „Ich habe schnell gemerkt, dass ich eine gute Nase für Qualität habe (…) Ich habe mit meinen Künstlern diskutiert und  gefeiert, mich über ihren Egoismus geärgert, mit Besuchern gestritten und Künstlerhefte gedruckt. Aber langsam ging es bergauf und ich zog um.“  

Wie um viele seiner KollegInnen ranken sich diverse Legenden um den ehemaligen Galeristen Rudolf Springer, dessen Lebenswerk kürzlich in der Galerie Contemporary Fine Arts (cfa) – noch vor dem Umzug an die Museumsinsel und noch zu Lebzeiten des heute 98-Jährigen – mit einer anregenden, von Nicole Hackert kuratierten Ausstellung gefeiert wurde. Präsentiert wurden in einem museal anmutenden Setting diverse, zeitgemäß schlicht gestaltete Einladungskarten, Anzeigen und Broschüren zu Ausstellungen bei Springer, Porträts und Fotografien, die den Galeristen im Kreis seiner Familie und seiner Künstler oder auch zusammen mit Prominenten aus Politik und Kunstbetrieb oftmals an szeneträchtigen Orten wie zum Beispiel in der Paris Bar zeigen. Außerdem waren kuriose Objekte aus dem privaten Kosmos des Galeristen, darunter eine afrikanische Nagelfetisch-Skulptur, eine riesige, erotisch geformte Seychellennuss oder auch das Buch „Kunst oder Kitsch“ (1934), das Springer im II. Weltkrieg las und so angeblich zur Kunst fand, zu sehen. Ergänzend, und das machte die Ausstellung zu mehr als einem Archiv, wurde eine bunte Mischung von Kunstwerken aus der Sammlung Rudolf Springers und seiner vierten Frau, der Künstlerin Christa Dichgans, präsentiert: verschiedenste Formate, Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen der Galeriekünstler Springers in Petersburger Hängung und in Vitrinen, unter anderem Bleistiftzeichnungen von „Sonntagsmaler“ Friedrich Schröder-Sonnenstern, Aquarelle von Henry Miller, ein rätselbildartiges Gemälde von Christa Dichgans über den Mythos „Springer“, sowie Werke von Uwe Lausen (1941‒1970) und Georg Baselitz.

Doch was verbindet Rudolf Springer, der von sich sagt „Ich habe nie etwas gemacht, was ich nicht wollte. Ganz gleich, ob es gut oder schlecht war, ich habe nur Kunst gezeigt, an der ich irgendwie beteiligt war (…) Ich wollte auch meinen Charakter vermitteln“, mit Bruno Brunnet/cfa? Und wieso richtet eine kommerzielle Galerie der Jetztzeit einem Galeristen der Vorgängergeneration eine Hommage ein?

Eine wichtige Mittler-Rolle spielt hier sicherlich der 1969 von Berlin nach Köln übergesiedelte Kunsthändler Michael Werner. cfa-Chef Brunnet hatte während seiner „Lehrjahre“ in der Galerie Werner gearbeitet und Werner wiederum war für drei Jahre Assistent bei Rudolf Springer, bis er dort rausflog: „Ich war sein Erziehungsobjekt (…) Er brachte mir bei, mit Messer und Gabel zu essen“, so Werner in der bei cfa präsentierten Filmreportage über Rudolf Springer. 1966 zeigten Springer und Werner in Berlin eine gemeinsame Baselitz-Ausstellung, nachdem Werner – von 1964‒68 betrieb er in Charlottenburg den sogenannten „1. Orthodoxen Salon“, wo die ersten Ausstellungen von Lüpertz und Penck stattfanden – den Künstler bereits 1963 in seiner eigenen, kurzzeitig mit Benjamin Katz in Berlin betriebenen Galerie präsentiert hatte. Der erst 25-jährige Baselitz zeigte bei Werner + Katz die skandalträchtigen Bilder „Die große Nacht im Eimer“ und „Der nackte Mann“, die konfisziert und erst 1965 wieder freigegeben wurden.

Eine weitere Motivation für die cfa-Ausstellung „Rudolf Springer: Marchand d’art, né 1909“, mit der die Ausrichter ja auch einen gewissen Akt von Generosität vermittelten – die gesamte Ausstellung war laut Galerie unverkäuflich – liegt wohl in der Wertschätzung der Arbeit von Springer, sowie in der Lust, gemeinsam das Galeristenhandwerk zu feiern und eigene Attitüden zu stilisieren. Sicherlich lassen sich diverse charakterliche Übereinstimmungen zwischen den Galeristen und Lebemännern Springer und Brunnet, sowie ihrer Praxis finden, obwohl beide vor ganz unterschiedlichem Hintergrund agier(t)en: Springer begann in einer Zeit, die man als eine „Gründerzeit der Kultur“ bezeichnen könnte, Brunnet hingegen ist Player in einem globalen Markt, in dem Kunst mehr und mehr zur Geldanlage verkommt. Gleichzeitig bleibt die Frage, inwiefern Brunnet, gewissermaßen „Enkelschüler“ von Springer, diesen als Vorbildfigur und sich selbst als seinen Nachfolger sieht, schließlich arbeitet cfa heute mit den ehemaligen Springer Künstlern Uwe Lausen und Christa Dichgans. Selbst Baselitz hat früher bei Springer (und auch bei Werner) gezeigt, heute steht er auf der Künstlerliste von cfa. Und geht es hier möglicherweise auch um eine Betonung der Relevanz des Standorts Berlin gegenüber Köln, gerade zu dem Zeitpunkt, an dem cfa den Sprung an die prestigeträchtige Adresse an der Museumsinsel vollzieht?

Dass Rudolf Springer, von dem Susanne Kippenberger sagt, „es sei ihm nie um das Kommerzielle an der Kunst gegangen“, vor einigen Jahren Insolvenz anmelden musste, dieses Schicksal möchte man Bruno Brunnet nicht wünschen.  Gleichzeitig klingt es durchaus sympathisch, wenn Springer heute resümiert „Ich hielt das, was ich machte, für unendlich wichtig. Doch mit zunehmendem Alter weiß ich ganz genau, dass das ganz gering ist, was ich da geleistet habe“. Dieses Statement verblüfft nicht nur, sondern gibt auch zu denken: Wie werden wir zukünftig mit dem Erbe der zahlreichen, immer wichtiger werden Privatgalerien und dem Standing ihrer ProtagonistInnen umgehen? Welches Format eignet sich, um ihr Schaffen und ihre Persönlichkeiten zu archivieren? Die Ausstellung „Rudolf Springer Marchand d’art, né 1909“ hat hier vorbildhafte Dienste geleistet.

„Rudolf Springer: Marchand d’art, né 1909“,
Contemporary Fine Arts,
Sophienstraße 21,
29.6.–15.9.2007
springer+sammler.JPG (© Alle Bilder www.cfa-berlin.com, Rudolf Springer, Courtesy CFA)
Portrait Rudolf Springer (© Quelle: www.cfa-berlin.com, Rudolf Springer, Courtesy CFA)
Gruppenbild mit Springer (© Quelle: www.cfa-berlin.com, Rudolf Springer, Courtesy CFA)
Gruppenbild mit Galerie (© Quelle: www.cfa-berlin.com, Rudolf Springer, Courtesy CFA)
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