16mm-Filme

2007:Mar // Henrikke Nielsen

Startseite > Archiv > 04-2007 > 16mm-Filme

04-2007








Das regelmäßige Wechseln von Dias in einem Diakarussell oder das Rattern eines 16mm-Filmprojektors ist zu einer häufigen akustischen Begleiterscheinung von Ausstellungen geworden. Die Geräusche passen zu der heutigen Auseinandersetzung mit der jüngeren Kunstgeschichte, die vor allem um die Konzeptkunst der 60er und 70er Jahre kreist. Die Frage ist, ob das innerhalb des Kinos fast ausgestorbene Medium des 16mm-Films heute mehr als ein nostalgischer Verweis ist, wenn es in der Kunst (wieder-)auftaucht?

In diesem Februar erschien es fast so, als ob ein „16mm-Festival“ an verschiedenen Orten in Berlin stattfand. Im Projektraum Jet lud zum Beispiel der Künstler Jaro Straub zu einer Präsentation von 16mm-Filmen von Len Lye und Harry Smith ein. Vor allem die vier Minuten, die Lyes „Free Radicals“ dauerten, haben Eindruck hinterlassen. Der Film von 1958/1979 gehört zu einem seiner „Direkt-Filme“, die ohne Kamera und nur durch direkte Bearbeitung des Celluloids entstanden sind: In diesem Fall flackern weiße Striche und Strukturen zum Rhythmus afrikanischer Trommeln über die Leinwand. Bei der heutigen Anziehungskraft dieser Arbeit mag eine Menge Nostalgie mitspielen, aber die Mischung von Primitivismus und handwerklichem Spiel mit dem Medium überzeugt auch noch nach 25 Jahren. Die von Harry Smith gezeigten „Early Abstractions“ (1964) besitzen einen ähnlichen Charme, aber seine psychedelisch-surreal animierten Collagen und Abstraktionen passen vielmehr in die Zeit, in der sie entstanden sind. Solche frühen Experimente mit Film haben sehr wenig damit zu tun, wie das 16mm-Format heute verwendet wird. Anscheinend wird es entweder als Medium angeeignet – genau so wie man sich für Malerei oder Video entscheidet – oder es spielt mit in einem System von Referenzen und ästhetischen Überlegungen, die mal mehr, mal weniger Sinn machen.

Auch in der Austellung von Jordan Wolfson bei Johann König war ein 16mm-Film zu sehen. „Forest from Above in Reverse“ (2006) ist eine relativ kleine Wandprojektion, die  eine Loop-Aufnahme von einem Wald aus erhöhter Perspektive zeigt. Die Kamera bewegt sich langsam rückwärts. Um den Film anschauen zu können, musste man aber zuerst mit der Arbeit „27th Floor“ (2007) interagieren: ein Lichtschalter, der aus dem Stromsystem des Empire State Buildings stammt, musste ausgeschaltet werden. In der ansonsten eher schlicht installierten Ausstellung schien mir der 16mm-Film mit seiner speziellen Ton- und Bildästhetik nur dafür zu dienen, allem eine meditativ-poetische Note zu verleihen. Trotz der charmant lockeren Pressemitteilung („Liebe Besucher, dies ist meine erste Einzelaustellung...“) wirkt das poetische Moment bei Wolfson zu überlegt und seine Kombination aus Konzept und Poesie erscheint allzu prätentiös.

Am gleichen Tag ging es dann weiter zu der Ausstellung „Earth“ bei Giti Nourbakhsch – einer Gruppenausstellung mit einem schönen Film- und Videoteil im Erdgeschoss. In guter Gesellschaft von u.a. Susanne Bürner war Daria Martins „Soft Materials“ (2004) zu sehen: Aufgenommen in einem Labor für künstliche Intelligenz, sieht man zwei nackte Darsteller, die eine Art improvisierten Tanz mit Robotern aufführen. In ihrer überraschend primitiven Ästhetik lassen die Maschinen an die frühe Moderne denken, und schon aus diesem Grund – sowie in Verbindung zur Performancepraxis der 60er Jahre – macht die Wahl von 16mm als Medium Sinn. Abgesehen davon ist die hohe Bildqualität des 16mm-Films (im Vergleich zu Video) hier entscheidend, da der Film sich wunderschön auf die Objekte und die Oberflächen der verschiedenen Materialien konzentriert. Es entsteht beinahe der Eindruck eines bewegten dreidimensionalen Bildes.

Später in der Galerie Kamm wurden sowohl Dia-Projektionen als auch ein 16mm-Film gezeigt. Der Peugeot 504 von 1976 des Filmemachers Morgan Fisher funktionierte als Ausgangspunkt für Edgar Arceneauxs Einzelaustellung. Im hinteren Raum sah man eine Kombination des Films „Dispersion of a Unified Field“ mit der Dia-Projektion „The Big Wheel Keeps on Turning“ (beide 2007). Der Film zeigt Morgans Auto, das sich von weit her annähert, bis es plötzlich in dem Moment dunkel wird, in dem das Auto durch den Spiegel fährt, in welchem es gefilmt wurde. Nebenan wurden Dias auf die Scherben eines Spiegels und dadurch spiegelverkehrt auf die gegenüberliegende Wand projiziert. Ein visuell schönes Spiel mit früherer Filmtechnik und optischer Täuschung, aber wie bei Wolfson funktioniert das Medium 16mm ähnlich wie ein Akkumulator, der die konstruierte Geschichte nostalgisch auflädt.  

Würde man die frühen Abstraktionen von Lye und Smith als materialspezifisch bezeichnen, so müsste man einen Großteil der heutigen Arbeiten mit 16mm-Film wohl systemspezifisch nennen. Das Filmmaterial wird als eine Art historisierendes Zitat benutzt. Ob diese Arbeiten auch in 25 Jahren noch Bedeutung haben werden, bleibt dahingestellt.
Daria Martin, „Soft Materials“, 2004 (© Courtesy Galerie Giti Nourbakhsch)
Microtime für Seitenaufbau: 1.27125191689