Dieter Lutsch / Albrecht Schäfer

Jarmuschek / KW

2008:Nov // Andreas Koch

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10-2008
















Paradoxe Poesien  / Dieter Lutsch bei Jarmuschek und Partner und Albrecht Schäfer in den KW

Die neue „Halle am Wasser“ hinter dem Hamburger Bahnhof ist typisch für die Expansion Berliner Galerien. Große Räume, die einst Lager- oder Industriezwecken dienten, werden kurzerhand gemietet, gekauft, getauscht und zu Ausstellungshallen umgewidmet. Die abc- Messe im ehemaligen Postbahnhof am Gleisdreieck war genau das Spiegelbild der hiesigen Kunstszene – Expansion und Vergrößerung der Ausstellungsflächen hin zum Musealen oder, wie bei der abc, zum „Biennalen“. Die Künstler kommen jedoch immer mühsamer hinterher, diese Flächen zu füllen und auch die Betrachter haben es schwer, sich einen Überblick über das Gezeigte zu verschaffen. Die Rundgänge werden zu einer Stadtrundfahrt mit zigfachem Museumsbesuch, die kaum noch zu schaffen sind.

Dieter Lutsch zeigte im Sommer in der „Halle am Wasser“ in der Galerie Jarmuschek und Partner eine raumfüllende Installation und betitelte die Ausstellung „Trockenbau“. Der Titel nimmt einerseits Bezug auf das verwendete Material von Industriepaletten, die er hundertfach im Raum und auf dem Vorplatz zu großen begehbaren Treppen stapelte und andererseits auf das, was man sah, wenn man die Treppe in der Ausstellung bestieg. Das Augenmerk wurde, je höher man ging, immer stärker auf den Ausbau des Ausstellungsraums gelenkt. Trockenbau ist das bautechnische Verfahren, das sich hinter dem White Cube verbirgt, Blechschienen und Gipskarton sind die Grundelemente, die aus einer Fabrik eine Galerie machen. Oben angekommen blickte man dann über eine schmale Rigipsbrüstung hinweg in das Büro der Galerie, man sah, wie die neuen Wände an das Wellblechdach stießen und begrüßte die Galerieassistentin.

Lutschs Rauminstallation war also auch eine Sichtbarmachung der Raumstrukturen, die er mit der Treppe nach außen konterte. Dort befand man sich erhöht auf einem weiten gepflasterten Platz, umgeben von weitern Kunstgebäuden wie den den Rieckhallen des Hamburger Bahnhofs, die vor Jahren ähnlich urbar gemacht worden waren, wie jetzt die Halle.

Innen hörte man eine seltsame Klangfolge, gleich einem Windspiel mit gläsernen Tönen, das sich, wenn man um die Palettenstapel herum suchte, als überraschendes Skulpturenensemble entpuppte (wenn man die Arbeit nicht schon aus Lutschs Ausstellung in der Produzentengalerie Stedefreund kannte). Verschiedenste Trinkgläser waren zusammengeklebt und bildeten einen Formenkanon durchsichtiger Miniaturrundskulpturen, an die goldene, chinesische Kitschkatzen aus Asiashops mit ihrem schwingenden Arm rhythmisch stießen. Eine höchst absurde und komische Kombination, die konträr zu dem rigiden Einbau der Paletten stand. Kennt man aber Lutschs Vorliebe für solche Kombinationen, zum Beispiel seine Luftmatratzen aus denen beständig Schaumblasen aufsteigen oder als Brunnen vor sich hin blubbern, bestätigt sich der Künstler erneut als humorvoller Forscher verborgener Strukturen und Schöpfer konträrer Kombinationen.

Diese strukturellen Raum- oder Objektuntersuchungen hat Dieter Lutsch offensichtlich mit Albrecht Schäfer gemein, der ebenfalls im Sommer 2008 und zwar in den Kunstwerken zu sehen war. Es lohnt sich beide zu vergleichen und über den Vergleich mehr über die jeweiligen Künstler herauszubekommen.

Beide beschäftigen sich mit dem sogenannten Alltäglichen oder Banalen und finden über kombinierende oder dekonstruierende Techniken mehr über diese Dinge heraus oder decken Raumstrukturen auf. Zum Beispiel fand Schäfer in seiner Ausstellung die mehrfach gewölbte Decke vor. Indem er Latten, die alle so lang wie der höchste Punkt der Gewölbe waren, zwischen Boden und Decke klemmte, passten viele an den niedrigeren Stellen nicht. Stattdessen bogen sie sich und bildeten eine neue wellenförmige Struktur im Raum. Mit einfachen Mitteln verstand es Schäfer hier, ähnliche Kräftespannungen sichtbar zu machen, für die Richard ­Serra, desssen Filmwerk eine Etage höher ausgestellt war, sonst Tonnen Stahl bewegt. Hier handelt es sich um eine formal-ästhetische Entdeckung und das unterscheidet Schäfers Installation von der Lutschs, der eben auch raum-hierarchische Strukturen aufdeckte – selbst wenn dessen Palettenidee banaler war. Auch bei den anderen Arbeiten zeigt sich, dass es bei Schäfer oft bei diesem gestalterischen formalen Interesse bleibt. Schon die Wahl seiner Ausgangsobjekte zeigt seine Vorliebe für das Gestaltete: In den Kunstwerken waren es Jalousien, Korbmöbel und Kugelpapierlampen des japanischen Designers Isamu Noguchi, also alles Objekte, die auf einem Designkonsens beruhen, der von Ikea oder Muji bedient wird. Dass er als Künstler diese Dinge dekonstruiert und umgestaltet, also im Prinzip Design zu Kunst umde­signt, wäre ein Vorwurf. Sind seine Objekte nach der Bearbeitung nicht schicke Kunstobjekte mit nachvollziehbarer Herkunft, Skulpturen im neomodernen, zeitgenössischen Sinne mit Referenzen zur Gestaltungsmoderne? Sind die Helixe aus Jalousien, die auch auf der abc-Schau im September zu sehen waren, nicht genau die Mischung aus Design, Skulptur, Mobile und lichtstreuendem Objekt, die Sammler der nuller Jahre so begehren? Was einem fehlt ist ein Mehrwert außerhalb dieser Transformation von Design zu Kunst und vice versa, und sei es nur ein humorvoll absurdes Aufeinandertreffen wie es bei Dieter Lutsch vorkommt, der sich auch deshalb eher von Komma-10, dem Baumarkt oder dem Asiashop inspirieren lässt – auch auf die Gefahr hin, dass er manchmal im schenkelklopfenden Witz à la Hornbachfernsehwerbung steckenbleibt.

Dies könnte Albrecht Schäfer nicht passieren, da seine Arbeiten präzise durchdacht sind und eben deshalb manchmal wenig Platz für eine weitere, eigene Erkenntnis zulassen. In einer älteren, verblüffend einfachen und diesmal überzeugenden Arbeit schwebt in einem auf den Boden projizierten Video ein Blatt Papier zu Boden, auf dem schon ein echtes Papier liegt. Das projizierte und das echte Papier decken sich zum Schluss perfekt ab. Hier entfaltet sich eine Poesie aus dem Kurzschluss von Realem und Abgebildeten, hier ist buchstäblich so wenig Platz, dass diese Poesie tatsächlich entstehen kann. Hier ist auch nichts im eigentlichen Sinne gestaltet oder zu Kunst umgestaltet.

Dieter Lutsch, „Trockenbau“, Jarmuschek und Partner
Invalidenstraße 50/51, Halle am Wasser
21.6.–3.8.2008

Albrecht Schäfer
KW – Institute for contemporary art
Auguststraße 69, 10117 Berlin
6.7.2008–07.9.2008   
Dieter Lutsch „Sound of Fortune“, Installationsansicht Stedefreund, 2007 (© the artist)
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