Paul Snowden

Sandra Buergel

2007:Mar // Timo Feldhaus

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04-2007








Um die Ausstellung von Paul Snowden in der Galerie Sandra Buergel zu besuchen, begibt man sich in einen seltsamen Teil Berlins. Es ist verblüffend, wie sich die Friedrichstraße innerhalb von zwei Haltestellen verändert. Von vierspuriger Fahrbahn, schicken Schaufenstern voll Designerware, vermeintlichem Hauptstadtflair und Hosenanzug tragenden Menschenmassen betritt man schon kurz nach dem U-Bahnhof Kochstraße ein nur mehr zweispuriges, schwach beleuchtetes Tunichtgut von Stadtviertel, dessen blasse Häuser und öden Fassaden ein bisschen an das Köln des Schriftstellers Rolf Dieter Brinkmann erinnern.

In diesem noch unerschlossenen Teil zwischen Kreuzberg und Mitte, wo die ehemalige Grenze zwischen West- und Ostteil am unkenntlichsten ist, liegt der Mehringplatz. Unweit davon in der Galerie Buergel sind die Werke Paul Snowdens ausgestellt und sie passen gut zur Gegend. Denn das Kaputte, Gebrauchte, das Pubertierende, Knallharte und irgendwie Unfertige ist Snowdens Thema. Als ein berühmter Turnschuhhersteller zur letzten wm die ganze Stadt mit „We came to play“ plakatierte, überklebte der Künstler das „Play“ mit „Fuck“. Nun hängen die Plakate hier als Bild an der Wand. Jedoch nicht gerahmt und auf feinem Papier gedruckt, sondern direkt von der Straße geklaubt und aus einer, vom Regen, dem Wind und Abgasen an den Rändern nach Außen gerollten Schicht aus unzähligen anderen Werbeplakaten und Stadtzeichen. 

Wirklich hängen tun Arbeiten wie diese auch nicht. Denn auch wenn sich die Kunstwerke Snowdens an der Wand befinden, scheinen sie sich losreißen zu wollen, um ihren Betrachtern direkt ins Gesicht zu fallen. So schonungslos und direkt schreien sie Sätze aus dem Jetzt: „Italoboy 16 Leck mich am Arsch was geht“ steht da etwa in übergroßer, klarer, schwarz-weißer Typo. Mitten in den Galerieraum hat der Künstler sein Badezimmer nachgebaut, die Fliesen sind unordentlich schwarz angestrichen. Drinnen gibt es nur einen Spiegel und eine unverkleidete Glühbirne, die so nah dem kleinen Spiegel hängt, dass es blendet, wenn man sich in ihm anschauen will.

Der 1970 in Neuseeland geborene Snowden lebt in Berlin und inszeniert sich gerne als harter Homeboy. Früher hat er viel Geld in der Werbewelt gemacht. Heute nimmt er die Zeichen der Popkultur und nutzt sie skrupellos für seine Arbeit. In einem Video nimmt er etwa die Signifikanten der Popwelt und Jugendkultur aus mtv, Nachrichten und schwitzender Clubnacht, mixt sie scheinbar wahllos und rahmt sie zu einem neuen Produkt. 

Im weitesten Sinne dürfte Snowdens Ansatz sicher etwas mit Street Art, Graffiti und Strategien des Culture Jamming zu tun haben. Es erscheint einfach, sie als virale Störungen kultureller Zeichenproduktion auszumachen. Doch bei Snowden kommt das alles unentschiedener, richtungsloser daher. Medialer Abfall wird recycelt, frei geräumt und kommentarlos liegen gelassen. Weniger die Einteilung scheint ihn zu faszinieren, als der Abfall selbst.

Snowdens Kunst wirkt, trotz aller rougher Schlagfertigkeit, als wüsste er selbst nicht genau, wie er sich zu den Zeichen verhalten soll. Als wäre diese Einteilung in schwarz und weiß und in klare, strikte Lettern eine spontane Reaktion auf die ausufernde Zeichenproduktion der populären Sphäre. Er greift an, schlägt zurück, will sich wehren – erst einmal umhauen, dann aber ist es still und man blickt sich um.  Je weniger er versteht, desto klarer haut er etwas raus, in etwas rein. Desto schneller wiederholt, überträgt er. Zuletzt beansprucht Snowden auf einem Plakat: „I Like It Loud, I Like It Hard, I Am The Greatest.“ Als trotzige Reaktion auf den täglichen medialen Angriff spiegelt dies eine Sehnsucht nach einer vordiskursiven Welt, nach etwas Eigentlichem – und diese Sehnsucht wird im Titel der Ausstellung zum voreiligen Glaubensbekenntnis. 

Paul Snowden „In the Battle of Evil the Good will prevail“
Galerie Sandra Buergel
Hedemannstr. 25
19.12.06–27.01.07
Paul Snowden, Berlin Street 2006 (© Courtesy Galerie Sandra Bürgel)
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