Gedi Sibony

Neu

2008:Nov // Hans-Jürgen Hafner

Startseite > Archiv > 10-2008 > Gedi Sibony

10-2008
















Nein, wenigstens was den Aspekt ‚Eleganz‘ angeht, ist nur schwerlich zu toppen, was Gedi Sibony in den Ausstellungs- und Büroräumen bei Neu eingerichtet hat. Nicht nur, dass die dafür ausgewählten Materialien, etwa Plastikfolie, Paketklebeband, Pappe etc., ohnehin bezaubernd in ihrer ärmlichen Beschaffenheit und darüber hinaus besonders attraktiv in ihrer subtilen Verwendung wirken. Mehr als nur trés trés chic zu sein, strahlt das gesamte Ausstellungsarrangement etwas aus, wo man, gleichsam wie im Reflex, versucht ist zu sagen: Das, das ist was! Womit aber längst noch nicht geklärt ist, was das, bitteschön, ‚sein‘ könnte.

Wie mir scheint ist das aber ein Effekt, den man zurzeit ziemlich häufig – und keineswegs nur hier vor Ort – haben kann: dass Ausstellungen nämlich unmissverständlich zeitgemäß oder, noch besser, an einer oder mehreren Stellen total cutting edge-mäßig aussehen, mithin also erst einmal okeh gehen. Wo dann allerdings eine Differenzierungsleistung, die Kategorien- bzw. Begriffsbildung losgehen müsste. Und spätestens dabei zieht sich eine gewisse Kluft zwischen dem Gesehenen und dem daran Artikulierbaren, darüber Besprechbaren ein. (Immerhin so häufig, dass man eben versucht wäre von einer Art ‚Sound‘, einer spezifischen Tonlage zu sprechen, sind derartige Ausstellungen freilich keineswegs Legion im Vergleich zu den Sachen, die, sozusagen ‚auf den ersten Blick‘, ebenso zeitgemäß wie in der penibel-genauen Erfüllung dieser ihrer einzigen Vorgabe ein ziemlicher Mist sind, nur nebenbei bemerkt.)

Zumal mit Blick auf jenen ‚Sound‘ komme ich freilich nicht umhin, arbeitshypothetisch zu vermuten, dass sich die relativ alte Erkenntnis, derzufolge die Bedingungen, unter denen eine Ausstellung gezeigt wird, mit dem, was zu sehen ist, in engem Bezug zueinander stehen, keineswegs erledigt hat. Und dabei möchte ich erst gar nicht von verschiedenen Institutionen und den daraus ableitbaren (und damit relativ schnell und deutlich sichtbar zu machenden) Interessen sprechen. Ich möchte lieber von Orten als Milieus sprechen, die, bewusst wie unbewusst, aktiv wie passiv, Bedeutung erzeugen (und damit zugleich Produktions- und Wahrnehmungsbedingungen gestalten) – was es nämlich heißt, wenn davon die Rede ist, ob man denn schon jenes ominöse ‚das‘ zum Beispiel bei Baudach, bei Bortolozzi, bei Neu oder, in denkbar krassestem Gegensatz dazu, bei Volker Diehl, Haas & Fuchs oder, meinetwegen, Johnen (Denn ‚dass‘ da was läuft, reicht in dem Fall als Info nicht hin. Hier weiß man sicherheitshalber vorher, ‚was‘ gerade läuft) gesehen hätte (Was nur noch überboten wird von der Rhetorik, ob man denn schon bei dem und dem gewesen wäre – ohne sich überhaupt noch zu kümmern, was denn dort jeweils on display wäre).

Warum ich, anstelle einer einigermaßen präzisen Exposi­tion, derart umständlich herum mäandere hat damit zu tun, dass mir dieser Effekt eines un-artikulierten ‚okeh Gehens‘ zwar langsam aber sicher auf die Nerven fällt, dass mir andererseits aber die dahinter durchscheinende Aussicht auf einen, und sei es auch nur ästhetisch-trendigen und/oder milieubedingten, Konsens nach wie vor recht begehrenswert vorkommt … (was zu einem nicht unmaßgeblichen Teil jenem Moment geschuldet sein dürfte, dass, worauf wir uns zurzeit als – gute oder aussichtsreiche – Kunst verständigen, eher klimatisch über das Milieu, worin sich etwas sozusagen als Sound relational zu einem bestimmten Kontext ergibt, zustande kommt als darüber, was konkret nachvollziehbar im/am Objekt, etwa über das Zusammenspiel von Form und Inhalt, Look und Intention, passiert, definiert).

An sich würde ich so etwas wie die Gedi-Sibony-Ausstellung mit ihrem schicken Sound, plus den Texturen, die Neu als Veranstaltungsort traditionell beisteuert, also gerne auf sich beruhen lassen – nach dem Motto ‚schicke Ausstellung am adäquaten Ort‘.

Und das wäre alles auch ganz schön so, wenn Sibonys Gegenwärtigkeitsausweis gerade nicht darin bestünde, derart offensiv ärmliche, derart willentlich simple, derart mit coolem Understatement protzende Objekte zu produzieren. Objekte, deren Reiz wir ja mit größter Freude zwar kennerschaftlich goutieren können in der Subtilität der Machart, in der super Platzierung als multifunktionale Ausstellungsrequisiten, die zwischen institutional-critique-mäßiger Inszenierung des Ausstellungsraums und lapidar an die Wand gehängter Luxus-weil-man-den-richtigen-Blick-dafür-haben-muss-Einzigartigkeit so ziemlich jede Rolle, wie sie ein avanciertes Kunstobjekt heute repertoire-mäßig drauf haben sollte, einzunehmen verstehen.

Bei allem ausgestellten Understatement, bei allem Problembewusstsein für das, was Kunst an Form-/Inhaltsvielfalt und kontextueller Justierungsspielräumen, als Konvention und als Risiko, als Bedeutungsgenerator und -verwerter mittlerweile ausfüllen kann: diese Low-Virtuosität ist teuer und, mit Blick auf die sich darüber bietenden Perspektiven, womöglich sogar überteuert erkauft.

Gedi Sibonys „guerilla formalism“ (Roberta Smith) muss, um so lapidar daher kommen zu können, in die großen Register – Kunstgeschichte, Diskursvorlauf, Betriebsposi­tionierung – investieren. Und glaubt deshalb an nichts geringerem als an der alten Spießer-Frage „Ist das etwa noch Kunst?“ andocken zu müssen, wie uns der – ohnehin seiner Funktion und Form nach sagenhaft reflektierte – Pressetext nicht verabsäumt, mit Übereifer aufs Auge zu drücken. Was die komplexe Konstruktion immerhin ein wenig in Schieflage bringt. Denn plötzlich klingt ein Ton unschön aus dem schicken Gesamtsound heraus – in dem massiv in Szene gesetzten Anspruch, was das Ganze nämlich vor allem sein möchte: um jeden Preis bedeutsam. Das jedoch macht den unbestreitbaren Schick letztlich schlaumeierisch und zeigt uns vom Betrieb nebenbei mehr, als wir eigentlich wissen möchten: nämlich wie komplizenschaftlich (oder parasitär) das Verhältnis zwischen Produktion und Vermittlung zurzeit mitunter werden kann. Damit wird irgendwie auch klar, warum ich mich in so einer nervigen Situation trotzdem einigermaßen zuhause fühle. Sie spiegelt in ihrer so gekonnt zugespitzten Affirmativität den Gegebenheiten gegenüber den Ehrgeiz, den jede/r kennt, der/die sich innerhalb dieses Betriebs gut arrangieren will. Dass das etwas bedeutet, das ist allerdings selbst in der gekonntesten Verpackung keine Formalie.

Gedi Sibony
Galerie Neu
Philipstraße 13
5.9.–18.10.2008       
Gedi Sibony „Except For The Guards“, 2008 (© Courtesy Galerie Neu)
Microtime für Seitenaufbau: 1.430560112