Einführung

2012:Dec // Andreas Koch

Startseite > Archiv > 12-2012 > Einführung

12-2012

















Ähnlichkeit-Spezial

Als „von hundert“ 2006 gegründet wurde, stand noch nicht fest, welches Format das Heft haben sollte. Sollte es eher ein Review-Magazin oder ein Themenheft werden? Es gab im Sommer 2006 dazu einen kleinen Wochenend-Workshop, der wenig effektiv war. Die einen befanden ein Review-Magazin als überflüssig, die anderen meinten, dass die Produktion eines Themenhefts extrem anstrengend wäre. Dies war allerdings auch die Meinung der Review-Opponenten, die sich dann während des Workshops vom Projekt verabschiedeten. Blieben also noch Kito Nedo und ich. Raimar Stange, der gerade seine „Neue Review“ beerdigt hatte, unterstützte uns zumindest mental im Vorhaben, alle paar Monate ein Heft auf Basis von Ausstellungsbesprechungen herauszubringen.
Dass es nun eine Mischung aus beidem geworden ist, es seit zwei Jahren ein „Spezial“ in der Mitte der „von hundert“ gibt, und weiterhin ein großer Teil wie schon immer aus diskursiven Texten besteht, ist ein positiver Kompromiss, für den auch Barbara Buchmaier mitverantwortlich ist. Ein reines Themenheft hätte es nie gegeben und nur Reviews wären langweilig, sind aber eine notwendige Basis.
Ein Thema für ein mögliches Schwerpunktheft war schon 2006 während des Workshops im Gespräch: „Ähnlichkeiten“.  
Ähnlichkeiten sind für Kritik notwendige Brücken zur Verständigung. Selbst der Kaffeekritikerhipster beschreibt den Geschmack der mittlerweile wieder gefilterten Kaffeebohne mit Vergleichen wie „schmeckt wie Heidelbeere, aber leicht moosig“.
Sie sind der Sprache etwas sehr Grundlegendes und gleichzeitig der natürliche Feind eines frischgebackenen Kunststudenten, der ja nach dem Gegenteil von Ähnlichkeit, also der Originalität, dem Neuen und Einzigartigen, suchen soll. Keine andere Kunstrichtung außerhalb der bildenden Kunst verlangt stärker danach. Wenn also der junge Kunststudent hört, „schau dir doch mal die Arbeit von xy an“, kann das soviel heißen wie, „vergiss es, das wurde alles schon von anderen gemacht und das besser“. Es kann aber auch heißen, dass dem Professor nichts anderes einfällt, als ähnliche Arbeiten aus seinem Kunstgedächtnis zu zaubern. Geht aber nicht nur dem Professor so. Der Vergleich liegt als Erstes auf der Zunge. Wir ordnen ständig Dinge in unser bestehendes System ein und seltener dieses um. Und dennoch bietet „Ähnlichkeit“ in Bezug auf die bildende Kunst ein unermessliches Feld jenseits des Originalitätsdiktums, welches in den letzten Jahrzehnten eh immer weiter ausgehöhlt wurde und zunehmend zerbröselt. Allein die Nullerjahre-Kunst setzte eher auf Bezüge und Wiedererkennbarkeiten und collagierte diese eben so neu wie möglich.
Andere Begriffe kommen einem in den Sinn, darunter Mode, Geschmack und Zeitgeist („so sieht Kunst eben heutzutage aus“), Appropriation („es sieht zwar exakt so aus, ist aber ein anderer Kontext“), Morphogenetik („es gibt weniger Ideen als Künstler und der Kanadier oder Japaner hatte zur gleichen Zeit den gleichen Einfall, vielleicht durch morphogenetische Übertragung, es lag einfach in der Luft“), Selbstähnlichkeit („nagle Nägel oder klebe Tonbänder, bleib wiedererkennbar, besetze mit deinem Werk einen Bereich und bleib sitzen“).
Deshalb war die Idee, damals ein Heft nur zu diesem Phänomen zu machen, schon vermessen genug. Wir sammelten auch kein Material, aus dem wir jetzt schöpfen könnten. Das vorliegende Spezial ist ein Anfang, wir kratzen noch etwas an der Oberfläche. Die großen Gegenüberstellungen, Plagiatenthüllungsstorys, Portraits gescheiterter Karrieren aufgrund ähnlich arbeitender, aber berühmter gewordener Zeitgenossen bleiben noch aus. Sicher gibt es aber irgendwann einmal ein „Ähnlichkeit-Spezial 2“ – und hoffentlich früher als in sechs Jahren. Einsendungen von Beiträgen an die Redaktion „von hundert“ sind erbeten. Wir haben angefangen zu sammeln.
Donelle Woolford, Joke-Painting, Cortesy Valentin, Paris (© )
Microtime für Seitenaufbau: 1.24838089943