Norwegen Show

Ballhaus Ost

2008:Feb // Katharina Schlüter

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02-2008
















„Obergeschoss Dritter Finger rechts“ steht auf der Einladungskarte zur „Norwegen Show“, die Gunter Reski für die Galerie im Ballhaus Ost zusammengestellt hat. Eine Wegbeschreibung, wie ich feststelle, als ich endlich den richtigen Eingang gewählt habe. Oben sind 28 Künstlerpositionen zu sehen, zumeist Schüler von Reski selbst, der derzeit in Oslo unterrichtet und zuvor länger an der Hochschule in Hamburg tätig war. Eine Art Vergleichssituation wollte Reski herstellen: Norwegische Kunst im vom internationalen Malereiboom heimgesuchten Deutschland.

Als erstes laufe ich im Uhrzeigersinn gepolt nach links in einen kleinen Raum hinein und stehe vor einem Kachel­ofen-ähnlichen Gebilde. Keramikartig, beigefarben mit seltsamen, grünen Blattornamenten bemalt steht es vor mir. Oben am rechten Rand quillt ein organisch anmutendes, rundes Gebilde hervor. Der Kachelofen scheint elektrisch zu sein, denn er ist mit drei Steckern in Steckdosen unten an der Wand verbunden. Als es plötzlich ‚Klack‘ macht und einer der Stecker von der Wand abfällt und nur noch an Klebestreifen hängend liegen bleibt, ist klar, dass hier nichts elektrisch ist. Vielmehr wirkt der kleine Ofen irritierend lebendig, fast schon menschlich und irgendwie mag ich ihn. Die Ofen-Arbeit stammt von Björn Baasen. Er spielt meist mit Motiven und Materialien, die aus dem Rokoko oder Barock stammen. Er sampelt diese Elemente so lange, bis merkwürdige Objekte wie der Ofen „Termus“ entstehen. Das Hübsche, verführerisch Nostalgische wird lebendig und greift die Gegenwart an. Aber auch Beißendes liegt in der Arbeit: ein Fingerzeig auf das derzeit ausgerufene „Neue Biedermeier“.

Im nächsten Raum fangen mich die zwei mittelformatigen Malereien von Tommy Johansson ein. Ich denke: Pollock mit einem Schuss Cy Twombly locker-leicht auf die rohe Leinwand geworfen. Virtuos abstrakt-gestisch Gemaltes, in dem ich Landschaften vermute. Erstreckt sich da eine Wiese vor einem angedeuteten Bergpanorama? Sind das Häuser an einem spiegelglatten Seeufer unter einer bedrohlich, dunklen Wolkenflut? Betrachtet man den Farbauftrag genauer entpuppt sich die große braune Berglandschaft als Kaffeefleck. Auch Johansson breitet zunächst wie Pollock seine Leinwände auf dem Boden aus. Er arbeitet dann an anderen Werken und verwendet ab einem gewissen Zeitpunkt die entstandenen Spuren auf der Leinwand, wie Fußabdrücke, Farbkleckse für sein nächstes Werk. Kaffee oder Tinte sind häufig verwendete Zutaten. Anders als bei den großen Modernisten entstehen in Johansson Malereien Bilder von Landschaften. Expressives und Figürliches oszillieren im Bild.

Ich trete weiter zurück, um Johanssons virtuose Farbklecks-Kaffee-Landschaften besser zu durchdringen und falle beinahe in ein dekonstruiertes Schlagzeug, das am Boden liegt, hinein. Es sind nur noch die Becken übriggeblieben, die an Metallstäben hängen und unten wie ein Blumenstrauß durch einen provisorischen ‚Fuß‘ aus überdimensioniertem Werkzeug und Gestänge zusammengehalten werden. Es handelt sich bei der Skulptur um eine Gemeinschaftsarbeit von Lutz Rainer Müller und Stian Adlansvik. Sie erscheint als eine neue Version der Arbeit „Crescent“, deren Unterteil noch aus einem kompletten, wenn auch ziemlich demolierten Fahrrad bestand. Mit glänzenden Becken und Gestänge liegt die Arbeit nun wie amputiert am Boden.

Es gibt weitere Gemeinschaftsarbeiten in der Ausstellung: z.B. das Wandgemälde der „drei Hamburger Frauen“, das in Zusammenarbeit mit Gunter Reski entstand. Die Idee zu dieser Kollaboration bestand schon einige Zeit. Da die Werke der Hamburger Frauen meist in Bezug zum Ausstellungsort entstehen, hatten sich die drei Damen unten auf der Bühne des Ballhauses Ost in Szene gesetzt, in Dessous. Das Motiv erscheint in einem ornamental-räumlichen Hintergrund, Schriftzug und ein Elefant von Reski runden das farbenkräftige ‚Bühnenbild‘ ab. Dieses Werk der deutschen Malerinnen scheint eines der wenigen in dieser Ausstellung zu sein, das sich explizit vom figürlichen Malereiboom beeinflusst zeigt.

Im Gegensatz dazu zeichnen sich die Werke der norwegischen Künstler wie der Ofen, die Malereien von Johansson oder die amputierte Schlagzeug-Skulptur dadurch aus, dass sie in der Wahrnehmung des Betrachters zu eigenständigen Organismen werden. Auf einer Hintergrundfolie auf der (post)modernistische Ideen wie die Verbindung von Kunst und Leben und die Autonomie des Kunstwerkes aufblitzen, haben sich hier das Lebendige und Alltägliche Zutritt zum künstlerischen Objekt verschafft: das Bild wird anthropomorph. Scheinbar hat der globalisierte Kunstbetrieb noch nicht alle regionalen Unterschiede eingedampft, so dass man nach wie vor behaupten kann: Oslo ist nicht Berlin und vice versa.

„Obergeschoss dritter Finger rechts – Norwegen Show“
kuratiert von Gunter Reski
Ballhaus Ost
Pappelallee 15
20.11.–8.12.2007 
Ausstellungsansicht Ballhaus Ost, Berlin (© Foto von der Internetseite www.gunterreski.de/html/project_ballhaus.htm)
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