Queiroz /Schipper – Price

CapitainP., Bortolozzi

2010:Feb // Stefan Heidenreich

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02-2010








Josh – ich habe mir den Namen immer so vorgestellt: J O S H. Aber man schreibt Jorge. Jorges Pressemitteilung redet von einer „prevalence of imagination change as signification chain dixit Lacan which allow (sic) everyone to have its own language.“ Der Gedanke ist nicht schlecht, aber ich glaube beim besten Willen nicht, dass Lacan das so gemeint hat. Wittgenstein vielleicht, aber nicht Lacan. Nein, also schreibe ich ab jetzt Jorge und nicht Josh, wie es im Wörterbuch meiner Privatsprache steht.

Im Sommer treffe ich Jorge – man spricht es wie Dschosch – hin und wieder im Café Galao. Im Winter ist er mir bis jetzt selten begegnet. Das fällt mir nicht weiter auf, weil ich ihn auch im Sommer nicht regelmäßig sehe. Jorge sagt nie viel. Ich treffe ihn gerne, obwohl es dafür keinen besonderen Grund gibt. Wenn ich versuche, ihn mir vorzustellen, sehe ich ihn im Schatten unter dem Baum vor dem Café, und er lächelt in seinem breiten Gesicht.

Jorge kann nichts dafür, dass ich mit Aquarellen in Kinderbüchern eine lang zurück liegende unschöne Erfahrung habe. Ich hatte einen Band mit sehr schönen Zeichnungen, sehr akkurat. Sie zeigten genau das, was mir vorgelesen wurde. Das gefiel mir. Dann kam das nächste Buch. Die Zeichnungen waren kaum kenntlich, statt eines Kopfes eine verschlungene schwarze Fluse vor einer undefinierbaren Wolke aus Aquarell, die offenbar eine Landschaft darstellen sollte. Das mochte ich gar nicht.

Jorges Gemälde sehen genau so aus wie in meiner Erinnerung die Bilder aus diesem Kinderbuch. Dieselben Aquarellwolken, dieselben dahin gesudelten Figuren. Das einzige, was abweicht, sind bei ihm einige deutlich gezeichnete Dinge, wie ein Fels. Ich gebe zu, der Fels bringt mein Kindchen-Schema durcheinander.

Wie ich höre, verkaufen sich die Bilder von Jorge gut. Das überrascht mich gar nicht. Aber was genau verkauft er? Was wollen die Anwälte, in deren Villen sich die Bilder wiederfinden, damit anfangen? Es kommt mir zusehends so vor, als hätten Kunstwerke eine Doppelnatur. Uns zeigen sie eine Seite, auf der wir die Dinge betrachten, vergleichen, uns Gedanken machen. Dann werden sie verscherbelt und weg geschafft und zeigen fortan eine andere Seite, die wir nie wieder sehen. Wie ein Freund, der sich entschlossen hat, in Australien Kamele zu züchten.

Als Kind hätte man mir kaum erklären können, warum das Undeutliche Sinn macht. Heute leuchtet es mir ein. Deshalb gefällt es mir gut, dass Jorge – er sitzt jetzt in meiner Erinnerung wieder unter dem Baum und lächelt und braucht dazu nichts weiter zu sagen – mit seinen Bildern glücklich ist und andere auch.

Kommen wir zu der Doppelnatur zurück, denn es gibt einen zweiten Fall. Ich kenne das Werk von Seth Price nur ungefähr. Seth sei sehr clever, heißt es, aber seine Arbeiten hätten das Problem, Theorien nur zu illustrieren, anstatt den Theorien souverän gegenüber zu treten und ihre eigene Sicht zu entwickeln. Das sehe ich so nicht. Denn ich komme erst gar nicht dazu, die Theorie, die die Arbeiten zu ihrer Unterstützung herbei rufen, zu erkennen. Die mattgoldenen Briefe und die ausgesägten landkartenartigen Formen bei Bortolozzi, die in Plastikdekorguss eingegossenen Taue, monumental in Reihe gehängt bei Capitain Petzel. Sehr gut verkäufliche Ware. Das ist ein Problem, denn wie nur allzu bekannt, führt Verkäuflichkeit allein nicht allzu weit. Was am Beginn des Booms zu Zeiten von Anselm Reyle vor zehn Jahren noch geholfen hat, funktioniert heute nicht mehr. Die Kunst benötigt einen anderen Anspruch auf Dauer. Und hier kommt Theorie ins Spiel.

„Dispersion“ lesen, rät eine Freundin. Tatsächlich stellt sich Prices Text als hilfreich heraus, ein Essay der aus Künstlersicht die wankende Position der Kunst nach dem Konzeptualismus in einer medial geprägten Welt beschreibt. Aber färbt etwas ab?

Dispersion heißt auf Deutsch netterweise Wandfarbe. Und so funktioniert die Doppelnatur qua Dispersion. Auf gut verkäufliche Ware wird eine Schicht Theorie-Dispersion aufgetragen. So wie Werbung es schon seit langem vormacht, indem sie eine Flasche Bier oder einen Turnschuh mit Lebensgefühl anstreicht. Nur dass es eben in unserem Fall Kunst ist, die mit einen Anspruch auf „Theorie“ und Geschichtlichkeit bepinselt wird. Ist das Kunst-Ding erst einmal verkauft, löst sich diese glitzernde Schicht manchmal, je nachdem wie gut und dick sie aufgetragen wurde. Bei den einen reibt die Theorie sich ab, bei anderen reißt der Lack auf und platzt in großen Scherben ab. Bei Seth Price bin ich mir nun sicher, dass er die Theorie-Dispersion gut angerührt hat, aber ob sie auch richtig aufgetragen wurde, muss sich erst noch zeigen.

Jorge Queiroz
Galerie Nathalie Obadia bei Esther Schipper
Linienstraße 85
10119 Berlin
15.01.–19.03.2010

Seth Price
Capitain Petzel
Karl-Marx-Allee 45
10178 Berlin
15.01.–27.02. 2010

Seth Price „Die Nuller Jahre“
Isabella Bortolozzi
Schöneberger Ufer 61
10785 Berlin
19.01.–20.02.2010

Jorge Queiroz „Untitled“, 2010, charcoal, gouache (© Foto: Carsten Eisfeld, Courtesy Galerie Nathalie Obadia, Paris und Esther Schipper, Berlin)
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